Das Juwel – Die weiße Rose

Das Juwel – Die weiße Rose
8. Januar 2024 0 Von lara

Kitschiges Cover, blutiger Inhalt

Meine vierte Dezember-Rezension 2023

Ich habe die Weihnachtsferien in vollen Zügen genossen und meine Freizeit dazu genutzt, wieder mehr Bücher zu lesen. Deswegen habe ich auch recht zügig „Das Juwel – Die weiße Rose“, den zweiten Teil der dystopischen Jugendbuch-Trilogie beendet. Die Geschichte handelt von Mädchen, die in einer dystopischen Aristokratie dazu gezwungen werden, Leihmütter für den Adel zu sein. Die ungeahnte Brutalität des Plots lässt das mädchenhafte Cover mit Abendkleidern und Glitzer nicht vermuten. Das Cover wirkt eher unschuldig, doch hinter der Fassade spritzt das ein oder andere Mal Blut. „Die weiße Rose“ von Amy Ewing erschien 2016 und weist neben dystopischen Elementen auch ein wenig Fantasy auf.

Inhalt

Die 16-jährige Surrogate Violet Lasting ist aufgeflogen. Ihr Freund Ash wurde von der Herzogin vom See in den Kerker gesperrt und soll zu Tode verurteilt werden. Auch Violet wird hart bestraft, denn die Herzogin Pearl zerstört Violets Cello und tötet deren Kammerzofe Annabelle vor ihren Augen. Violet schwört Rache und plant ihre Flucht aus dem Palast. Doch ohne die Hilfe von Lucien und Garnet wird sie ihrem goldenen Käfig nicht entkommen können. Und selbst wenn sie es aus dem Juwel herausschaffen sollte, wird die ganze Stadt öffentlich nach ihr fahnden. Es gibt nur einen Ort, an dem sie jetzt noch sicher ist: die weiße Rose.

Cover

Auf dem Cover ist eine Fotografie desselben Mädchen des ersten Bandes. Sie trägt ein schulterfreies, cremefarbenes Abendkleid aus Satin mit Herzausschnitt. Ihre braunen Haare sind hochgesteckt und sie trägt eine silberne Halskette mit sieben grünen Edelsteinen darin. Nach außen hin fächert das Kleid in große, weiße Rosenblätter auf, die mit Tau benetzt sind. So sieht es aus, als würde das Mädchen inmitten einer überdimensionalen Rose sitzen. Besonders auffällig ist hier ihre Körperhaltung: Sie hockt mit aufgerichtetem Oberkörper auf dem Boden. Mit beiden Händen stützt sie sich ab. Im Vergleich zur zusammen gekauerten Pose zuvor wirkt sie hier deutlich selbstbewusster und mutiger. Mich erinnern die Cover an eine Mischung aus Selection und Cassia & Ky. Zwar wird hier der Charakterwandel Violets symbolisch dargestellt, aber mir ist das Cover ein wenig zu verkitscht. Hinter dieser Geschichte steckt einfach viel mehr als ein unschuldiger Prinzessinnentraum, so wie es das Cover suggeriert. Dahinter verbirgt sich eine blutige Dystopie voller Intrigen und Gefahren. Schaut auch gerne zum Vergleich mal die englischen Cover an. Die bekommen den dystopischen Anstrich nämlich besser hin.

Kritik

„Das Arkanum schweigt.“, ist der erste Satz des ersten Kapitels. Als Arkanum wird hier ein Gegenstand verstanden, der an eine Stimmgabel erinnert, aber telepathische Kommunikation zwischen den Besitzern ermöglicht. Der zweite Band setzt nahtlos nach Abschluss des ersten ein. Violet wurde von der Herzogin auf unbestimmte Zeit in ihr Zimmer gesperrt, nachdem sie im Bett mit Ash erwischt wurde. Dieser wurde in den Kerker gesperrt und soll am nächsten Tag hingerichtet werden. Ihre einzige Hoffnung auf eine Flucht ist Lucien, mit dem sie über das Arkanum sprechen kann. Doch das Arkanum schweigt.

Das Juwel – Die weiße Rose erzählt weiterhin im Präsens aus Violets Ich-Perspektive. Der zweite Band ist mit 28 Kapiteln und annähernd 400 Seiten kürzer als der erste. Gerade zu Beginn gibt es einen großen Schockmoment, als die Herzogin Annabelle vor Violets Augen tötet, nur um ihr eine Lektion zu erteilen. Die plötzliche Hinrichtung kommt so überraschend, dass mir der Atem stockte. Diese Szene hat mir auf eine Art und Weise das Herz gebrochen, wie es schon lange kein Buch mehr geschafft hat. Das zeigt auch, wie sehr man hier mit den Charakteren mitfiebert. Ich hatte Annabelle in mein Herz geschlossen und auf ein Happy End für sie mit Garnet gehofft. Das zeigt aber auch, wie brutal diese Serie ist, wenn beschrieben wird, wie Annabelle röchelnd an ihrem eigenen Blut erstickt. Dieser Moment war ein richtiger Hook und ich konnte das Buch in den nächsten 100 Seiten nicht mehr aus der Hand legen. Ich spoilere übrigens mit dieser Szene nicht, da sie in den ersten Kapiteln geschieht, die sogar Teil der Leseprobe ist. Was danach passiert, müsst ihr selbst herausfinden.

Eine der wichtigsten Figuren neben Violet ist ihr Freund Ash Lookwood, in den sie sich im ersten Band verliebt hat. Der 19-Jährige ist groß, schlank, leicht muskulös und wird als gutaussehend beschrieben. Er hat strubbeliges, braunes Haar und grüngraue Augen. Ash ist im Schlot aufgewachsen, dem Industriebezirk der Stadt, in dem die Luft stark verschmutzt ist. In der Bank, dem Finanzbezirk, wurde Ash zu einem sogenannten Gefährten ausgebildet, die von den Adeligen als Toyboys gemietet werden, wobei sie auch zur Prostitution gezwungen werden. Kurzum: Sie dienen dem Erfüllen schmutziger Fantasien von reichen Adeligen. Sie werden seelisch gebrochen, um ein pikanter Zeitvertreib zu sein. Darunter leidet auch Ash, dem die Möglichkeit auf ein freies Leben mit eigenen Entscheidungen genommen wurde. Im zweiten Band erfährt man mehr über Ashs Familie und seine Vergangenheit. Dieser Raum, der Ash hier erzählerisch gegeben wird, tut ihm sehr gut. Während er im ersten Band noch etwas flach wirkte, entfaltet er hier mehr Tiefe. Er wirkt nahbarer und nachvollziehbarer, wodurch er an Sympathiepunkten gewinnt.

Ewing verwendet eine klare, zugängliche Sprache, wobei sie sie komplexere Satzstrukturen vermeidet. Ihr Schreibstil ist entsprechend flüssig und leicht zu lesen, sodass man sich schnell in der Geschichte verlieren kann. Sie wählt ein recht zügiges Tempo, sodass regelmäßig überraschende Wendungen auftreten, wodurch es schnell spannend wird. Ich habe das Buch in nicht einmal einer Woche durchgelesen. Das liegt auch an den atmosphärischen Szenen, die Ewing schafft. Sowohl die düsteren, dystopischen als auch die stillen, romantischen Momente wirken lebendig. Allerdings ist mir das Tempo an manchen Stellen zu flott, gerade was Violets Entwicklung betrifft. Ihr Charakterwandel geht so schnell voran, dass er unnatürlich und erzwungen wird. Es fühlt sich an, als hätte man bei ihr einfach einen Schalter umgelegt. Insgesamt ist Ewings Stil aber wirklich schön.

Etwas überrascht hat mich die spürbare Zunahme von Fantasy-Elementen. Während im ersten Band Violets Fähigkeiten als Surrogate mithilfe der Auspizien nur eine untergeordnete Rolle spielten, erfährt man nun endlich mehr darüber, warum manche Mädchen diese Fähigkeiten haben und die Adeligen nicht. Violet lernt, dass das, was ihr im Geschichtsunterricht über die Einzige Stadt erzählt wurde, nicht stimmt. Außerdem wird endlich die Frage beantwortet, warum den Surrogates das Anwenden der Auspizien so sehr schmerzt, dass sie davon Nasenbluten, Migräne oder Erbrechen bekommen. Die Enthüllung des zugrundeliegenden Magiesystems ist spannend. Diese Mischung aus Fantasy und Dystopie mag am Anfang gewöhnungsbedürftig sein, macht die Trilogie aber auch einzigartig.

Das Ende hat wieder einen starken Cliffhanger zu bieten, wobei dieser ein wenig vorhersehbar ist. Dennoch ist der Abschluss fesselnd und ich will sofort den letzten Band „Das Juwel – Der schwarze Schlüssel“ lesen. Zum Glück habe ich ihn schon im Regal stehen.

Fazit

Amy Ewing präsentiert mit „Das Juwel – Die weiße Rose“ eine fesselnde Fortsetzung mit klarem Schreibstil. Man kann sich leicht in dieser Welt aus Dekadenz, Intrigen und Magie verlieren. Ash entwickelt sich zu einer nahbaren Figur und auch seine Beziehung zu Violet wird hier vertieft. Violet macht einen, nicht immer nachvollziehbaren, Charakterwandel durch. Man merkt diesem Band die Funktion als Bindeglied zwischen Auftakt und Finale also deutlich an. Das Tempo ist stellenweise zu schnell angesetzt, weshalb manche Entwicklungen erzwungen oder künstlich wirken. Das ist allerdings Meckern auf hohem Niveau. Die zunehmende Mischung aus dystopischen und fantastischen Elementen macht die Geschichte auf ihre Weise einzigartig. Für mich ist der zweite Band von Das Juwel ein überdurchschnittlich gutes dystopisches Jugendbuch. Deswegen bekommt die Fortsetzung der Trilogie aus dem Jahr 2016 von mir vier von fünf Federn. Ich freue mich wirklich sehr auf das Finale „Der schwarze Schlüssel“.