Love & Gelato

8. September 2025 2 Von lara

Erste Liebe, letzte Wünsche und ganz viel Stracciatella

Meine September-Rezension 2025


Das Motto für die Lesechallenge im August lautete: „Lies ein Buch mit einem englischsprachigen Titel“. Dies konnte ich ganz wunderbar mit meinem Wunsch verknüpfen, dieses Jahr noch eine typische Sommerlektüre zu lesen. Und so griff ich zu Love & Gelato von Jenna Evans Welch. Zugegeben, „Gelato“ ist eigentlich kein englisches Wort, aber die deutsche Ausgabe, die 2017 veröffentlicht wurde, trägt immerhin den englischen Originaltitel. 2022 folgte dann die Netflix-Adaption des Jugendbuches von den Machern von The Kissing Booth und To all the Boys I’ve loved before. Das Buch verspricht eine sommerliche Reise in die Toskana voller Sonnenschein, Liebe und Eiscreme, auf die ich mich sehr gefreut habe.

Inhalt

Die 16-jährige Carolina Emerson, kurz Lina, geht noch zur High School in Seattle, als ihre Mutter an Bauchspeicheldrüsenkrebs stirbt. Auf dem Totenbett verspricht sie ihrer Mutter, für einen Sommer zu ihrer Jugendliebe Howard in die Toskana zu ziehen. Kurz vor ihrem Abflug erfährt Lina von ihrer Großmutter, dass Howard nicht nur ein enger Freund ihrer Mutter, sondern auch ihr leiblicher Vater ist. Den Schock kann sie jedoch kaum verdauen, denn bei ihrer Ankunft erfährt sie, dass Howard Verwalter des Florence American Cemetery and Memorial ist, eine Gedenkstätte für über 4000 US-Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg in der Toskana gefallen sind. Jedes Mal, wenn sie aus ihrem Fenster schaut, erblickt sie die Reihen zahlloser weißer Kreuze, die an die Toten erinnern sollen. Kein Wunder also, dass sie sich am anderen Ende der Welt nicht zuhause fühlt. Doch dann trifft sie beim Joggen auf Lorenzo Ferrara, einen Jungen aus der Nachbarschaft, der sie mir der örtlichen Jugendclique bekannt macht. Und so beginnt für Lina der Sommer ihres Lebens voller Lasagne, Pizza, Pasta, Gelato und Schmetterlingen im Bauch.

Cover

Das Cover zeigt einen beigen Hintegrund in Zellstoff-Optik. Darauf ganz minimalistisch zwei Waffelhörnchen mit jeweils einer Kugel Eis: einmal in Rosa und einmal in Pastellgrün. Vielleicht Erdbeer und Pistazie? Oder Himbeere und Minzschokolade? Zwischen dem nach oben gedrehten Erdbeereis und dem nach unten gedrehten Pistazieneis befindet sich ein kleines, pinkes Herz in der Mitte. Der Titel „Love & Gelato“ ist also gut getroffen.

Kritik

„Ihr hattet doch auch schon mal schlechte Tage, oder?“, ist der erste Satz des Prologs. Die Ich-Erzählerin bricht zu Beginn die vierte Wand und spricht den Leser direkt an. Sie erzählt also zuerst im Präsens, bevor sie auf eine Retrospektive umschwenkt und dadurch ins Präteritum wechselt. Wenn Lina von schlechten Tagen spricht, meint sie nicht, dass man verschlafen oder den Bus verpasst hat, sondern die Tage, an denen ihre Mutter ihre Krebsdiagnose erhält und wenige Monate später im Krankenhaus stirbt. In gewisser Weise ist Lina also am Anfang der Geschichte am Tiefpunkt ihres Lebens, als sie nach Italien aufbricht. Love & Gelato ist mit annähernd 400 Seiten und 28 Kapiteln plus Prolog eine leichte Lektüre für den Sommer.

Protagonistin ist die 16-jährige Lina Emerson, die als kleines und schlankes Mädchen beschrieben wird. Sie hat braune Augen und dunkles, lockiges Haar, das sie als störrisch bezeichnet. Laut eigener Aussage trägt sie Kleidergröße XS und ist sehr sportlich. Sie ist eine ausgezeichnete Langstreckenläuferin und schafft pro Woche mehr als 40 Kilometer. Lina ist neugierig, abenteuerlustig, mutig und manchmal ein wenig sarkastisch, weshalb ich sie schnell mochte. Zwar ist sie anfangs unnötig kalt und abweisend zu Howard, was ihm gegenüber nicht fair ist, aber man kann es ihr in ihrer Situation wohl kaum verdenken. Sie trauert noch um ihre verstorbene Mutter, soll plötzlich bei einem ihr fremden Mann in einem fremden Land auf einem gigantischen Friedhof leben, der ihr immer wieder den Tod ihrer Mutter vor Augen führt. Da kann man ihr ihre Gefühlsausbrüche und impulsiven Einfälle wohl kaum übel nehmen. Im Großen und Ganzen ist Lina also wirklich schwer in Ordnung.

Typisch für ein Jugendbuch ist Evans Welchs Schreibstil leicht, flüssig und dialogorientiert. Die Sprache ist locker, alltagsnah und hat oft einen humorvollen Unterton, der mich immer wieder schmunzeln ließ. Die Seiten schmelzen dadurch unter den Fingern weg wie Eis in der Sommerhitze. Das Tempo bleibt meist zügig, obwohl sich die erzählte Zeit gerade mal auf etwas mehr als eine Woche beläuft. Immer wieder werden auch italienische Phrasen eingebettet, die teilweise nicht übersetzt werden. Sollte man wie Lina also kein Italienisch sprechen, wird man genau wie sie, manches nicht verstehen. Dadurch soll sich der Leser wahrscheinlich noch mehr mit ihr identifizieren können. Ich kann zumindest Französisch, was wie Italienisch eine romanische Sprache ist, weshalb ich mir immerhin ein paar Worte ableiten konnte. Die Atmosphäre ist einerseits romantisch und idyllisch, andererseits auch nachdenklich. Insgesamt gibt es am Stil nicht viel zu kritisieren, über eine Sache bin ich dann aber doch gestolpert: Als Lina an die Zukunft denkt, sagt sie: „Der Tag schien zwar noch Lichtjahre entfernt zu sein, aber…“ (S. 327). Dieser Fehler ist mir schon in mehreren Büchern aufgefallen und Evans Welch reiht sich damit bei anderen Jugendbuchautoren wie Elizabeth Miles oder Ransom Riggs ein. Also hier noch mal für alle zum Mitschreiben: Ein Lichtjahr ist die Strecke, die eine elektromagnetische Welle in einem Jahr im Vakuum zurücklegt (9,461 Billionen Kilometer). Wenn Lina hingegen meint, ein Tag läge noch sehr weit in der Zukunft, ist dies eine zeitliche Distanz und keine räumliche. Ich denke, dadurch wird deutlich, dass Love & Gelato sprachlich gut, aber nicht perfekt ist.

Meine Erwartungshaltung an dieses Buch war eine süße, leichte Sommerromanze in Italien. Tatsächlich wurde ich aber positiv überrascht, denn es ging hier nicht nur um eine Lovestory zwischen zwei Teenagern, sondern um viel mehr. Die Geschichte handelt von Themen wie Verlust, Familie und Identität. Lina gelangt an das Tagebuch ihrer Mutter, das diese während ihrer Zeit in Italien geschrieben hatte. Dieses Tagebuch hilft Lina nicht nur, die Trauer zu bewältigen, sondern zeigt ihr auch ein Bild ihrer Mutter, das sie so noch nicht kannte. Lina kommen erste Zweifel, ob Howard wirklich ihr leiblicher Vater ist. Das Tagebuch birgt ein Geheimnis und so geht es plötzlich nicht nur um Linas Liebesgeschichte, sondern auch um die ihrer Mutter, dessen Ausgang ihr lange unbekannt ist. Linas erste große Liebe, ihre Beziehung zu Howard und das Tagebuch ihrer Mutter verflechten sich zu einer Coming of Age-Story, die den Spannungsbogen ganz natürlich aufrecht erhält, wodurch Love & Gelato nie langweilig wird.

2022 erschien dann die Netflix-Verfilmung von Love & Gelato mit Susanna Skaggs und Tobia de Angelis in den Hauptrollen. Der Film kam extrem schlecht beim Publikum an und ist bei Rotten Tomatoes mit vernichtenden 20% bewertet. Einer der Gründe für die schlechten Kritiken ist das massive Abweichen von der Buchvorlage. Hier ein paar Beispiele: Im Buch hat Lina die High School noch nicht beendet und überlegt, nach dem Sommer ihren Abschluss an der American International School in Florenz zu machen. Im Film ist sie dagegen Medizinstudentin im ersten Jahr, wodurch Film-Lina manchmal unreif wirke, eben weil ihre Vorlage noch jünger ist. Außerdem reist Lina im Film nicht nach Florenz, sondern nach Rom, während sie im Buch nur einen Tagestrip dorthin macht. Es wurde also nicht nur der Grund für ihre Reise, sondern auch das Setting verändert. In Italien lernt Film-Lina dann auch einen jungen Mann namens Alessandro Albani kennen, mit dem sie eine Romanze beginnt. Im Buch gibt es niemanden mit diesem Namen, während Thomas Heath, der gutaussehende Junge aus Lorenzos Clique, auf den Lina steht, im Film gar nicht vorkommt. Auch Francesca Bernardo, eine Studienfreundin von Linas Mutter, nimmt im Film eine deutlich größere Rolle ein, indem sie die Film-Lina einkleidet, während Buch-Lina von ihr im Tagebuch erfährt und nur ein einziges Mal mit ihr telefoniert, sie aber nie persönlich trifft. Generell sind viele Nebenfiguren im Film völlig andere als im Buch. Lorenzo ist beispielsweise kein Schüler, sondern macht eine Ausbildung zum Koch. Zudem wurde oft kritisiert, dass die Vergangenheit von Linas Mutter im Film weitestgehend untergeht, weshalb es ihm an Tiefgang fehle. Ich habe mich dazu entschieden, den Film nicht zu schauen, vor allem, weil er keine gute Buchverfilmung sei.

Das Ende ist recht plötzlich und der Ausgang der Geschichte sehr vorhersehbar, was sowohl das Geheimnis aus Hadleys Tagebuch betrifft als auch Linas Liebesgeschichte oder die Frage, ob Lina nach dem Sommer in die USA zurückkehrt oder in Italien bleibt. Natürlich hätte Lina das Tagebuch ihrer Mutter auch in wenigen Stunden lesen können, um sich schlaflose Nächte mit Grübeleien zu ersparen, aber die Begründungen, Lina sei nach einigen Seiten emotional so aufgewühlt, dass sie es weglegen muss oder sie hat Angst, es durchzulesen, weil die Geschichte ihrer Mutter dann schneller vorbei ist, sind oberflächlich nachvollziehbar. Auch wenn Love & Gelato also vielleicht nicht perfekt ist, ist es trotzdem eine zuckersüße Lektüre, die man wunderbar in den Sommerurlaub mitnehmen kann.

Fazit

Love & Gelato von Jenna Evans Welch ist ein zugängliches Jugendbuch, das eine sommerliche Atmosphäre, italienischen Charme und eine Mischung aus Romance, Familiengeheimnis und Coming of Age-Themen miteinander verbindet. Die Geschichte überzeugt vor allem durch den lockeren, humorvollen Schreibstil und einem überraschenden Tiefgang. Besonders Howard Mercer ist mir ans Herz gewachsen. Zwar wirken einige Wendungen vorhersehbar und sprachlich gibt es gelegentlich Ungenauigkeiten, insgesamt kann ich den unterhaltsamen Roman aus dem Jahr 2017 allerdings wärmstens als Sommerlektüre empfehlen. Deshalb erhält er von mir vier von fünf Federn. Leider wird dieses Buch nicht mehr auf Deutsch verlegt. Deswegen müsst ihr es entweder gebraucht oder auf Englisch kaufen, aber lasst euch davon bitte nicht abschrecken.

Ihr wollt eine Zweitmeinung? Anna von Ink of Books hat ebenfalls eine lesenswerte Rezension über dieses Buch geschrieben.
Ink of Books: Love & Gelato