Wolkenschloss

Wolkenschloss
28. Februar 2025 2 Von lara

Ein verschneites Grandhotel mit cozy Vibes

Meine zweite Februar-Rezension 2025


Für die Lesechallenge im Februar lautet das Motto: „Lies ein Buch, das gefühlt alle schon gelesen haben außer dir“. Ich habe dafür eine Umfrage in meiner Story gemacht und euch entscheiden lassen, was ich lesen soll. Gewonnen hat „Wolkenschloss“ von Kerstin Gier, was 2017 veröffentlicht wurde. Das hat mich sehr gefreut, da das Jugendbuch um Weihnachten und Silvester spielt und deswegen sehr gut zu der kalten, klirrenden Jahreszeit passt. Während Giers Jugendbuch-Reihe „Vergissmeinnicht“ vor Kurzem abgeschlossen wurde, habe ich noch nicht einmal „Wolkenschloss“ gelesen. Der Einzelband handelt von einem verschneiten Grandhotel in den Schweizer Alpen, der eine Mischung aus Gemütlichkeit, Spannung und Romance verspricht.

Inhalt

Die 17-jährige Fanny Funke aus Achim bei Bremen ist Jahrespraktikantin im Schweizer Grandhotel „Wolkenschloss“, das in den Schweizer Alpen liegt. Seine besten Jahre hat es schon hinter sich, sodass es einen verstaubten, antiken Charme versprüht. Doch wenn das Weihnachtsfest und der berühmte Silvesterball vor der Tür stehen, platzt das Hotel vor Gästen aus allen Nähten. Während Fanny mal am Frühstücksbuffet, mal in der Kinderbetreuung und auch mal im Wellnessbereich eingesetzt ist, lernt sie den anderen Praktikanten Ben Montfort kennen, der der Sohn des Geschäftsleiters ist. Gemeinsam gehen sie den verschiedenen Geheimnissen des altehrwürdigen Hotels auf den Grund: Wie ist die Verbotene Katze ins Hotel gekommen und wem gehört sie? Gibt es wirklich den Geist der weißen Dame, die sich einst aus Liebeskummer aus dem Turmfenster gestürzt hat? Und warum klettert Tristan Brown aus dem Zimmer 201 ständig an der Hotelfassade hoch? Fanny ahnt nicht, dass sie geradewegs in ein lebensgefährliches Abenteuer schlittert, bei dem sie sich obendrein auch noch zum ersten Mal verliebt.

Cover

Auch dieses Cover ist von Eva Schöffmann-Davidov illustriert worden, die für Gier bereits die
Edelstein– sowie die Silber-Trilogie entworfen hat. Der Grundton ist in einem zarten Lila gehalten, der vermutlich auf die fliederfarbene Tapete anspielt, die in Fannys kleinem Zimmer in den Personalunterkünften hängt. Das Cover zeigt die Außenfassade des Wolkenschlosses, wobei der Titel des Buches geschickt mit dem Eingangsschild verbunden ist. Die Vorhänge und die Kleidung der Gäste kontrastieren das Flieder mit einem zarten Rosa oder Rot, während eine Goldfolie noch einmal besondere Akzente an Knöpfen, Schnallen und Verzierungen setzt. Das Cover gleicht einem Wimmelbild, denn in jedem Fenster kann man Menschen bei verschiedenen Tätigkeiten beobachten. So steht auf der Empore im ersten Stock vermutlich die Protagonistin Fanny in ihrem Zimmermädchen-Kostüm, während neben ihr die Verbotene Katze hockt. Im zweiten Stock am rechten Fenster steht wohl die ehemalige Eiskunstläuferin Mara Matthäus mit ihren zwei Pudeln. Am Fenster ganz links ist dagegen Frau von Dietrichstein mit ihrem Mops zu sehen, und rechts neben Fanny ist wahrscheinlich das Ehepaar Ludwig, das sein ganzes Leben auf zwei Wochen im Wolkenschloss hin gespart hat. Im Eingangsbereich scheint die Oligarchengattin Smirnow mit ihrer teuren Handtasche und ihrem kleinen Hund zu stehen. Und ist das nicht der freche Don Burkhardt junior, der sich da rechts unten davonmacht? Ich kann mich an dem Cover wirklich nicht sattsehen und entdecke jedes Mal neue süße Details, die mich schmunzeln lassen. Allerdings hätte ich es noch ein kleines bisschen schöner gefunden, wenn die Dachschindeln des Hotels schneebedeckt gewesen wären.

Kritik

„Hier stand ich also völlig erschöpft im Schnee, während vom Ballsaal Violinenklänge zu uns hinüberwehten.“, ist der erste Satz des Prologs, der von einer unbekannten Ich-Erzählerin geschildert wird. In welchem Jahr dieser Prolog spielt ist unklar, aber es ist anscheinend Winter und es wird zumindest angedeutet, dass er am Wolkenschloss während des Silvesterballs spielt. Zügig wird der Spannungsbogen aufgebaut, denn es geht um einen Diamanten, ein Kleinkind und einen Schalldämpfer. Alles sehr mysteriös! Insgesamt hat „Wolkenschloss“ fast 450 Seiten mit 27 Kapiteln plus Prolog und Epilog. Außerdem gibt es am Ende ein Personenverzeichnis sowie ein Glossar.

Ab dem ersten Kapitel übernimmt die 17-jährige Fanny Funke als Ich-Erzählerin im Präteritum die Geschichte. Sie hat rotes Haar und helle Augen, die eine Mischung aus grün, blau und braun sein sollen. Die Schule hat sie abgebrochen, und nun arbeitet sie als Jahrespraktikantin im Wolkenschloss. Fanny ist quirlig, freundlich, neugierig und ein bisschen tollpatschig, also insgesamt eine liebenswerte Hauptfigur. Es ist das erste Mal, dass eine von Giers Protagonistinnen (Gwendolyn, Olivia) Schwierigkeiten in der Schule hat. Normalerweise sind die weiblichen Hauptfiguren von Jugendbüchern doch eher schüchterne, streberhafte Mauerblümchen, die erst einmal lernen müssen, dass das Leben aus mehr besteht als dem Schulalltag. Bei Fanny ist es umgekehrt: Ihre Eltern sind Lehrkräfte und hatten die Erwartungshaltung an ihre Tochter, das Abitur zu machen. Ihr lag das Schulsystem aber offenbar nicht und deshalb hat sie die Schule ohne Abi verlassen und dadurch ihre Eltern enttäuscht. Ich glaube, dass es vielen Jugendlichen so wie Fanny geht und ich finde es großartig, dass Gier das in diesem Buch thematisiert. Denn man muss kein Abitur haben, um ein glückliches oder erfolgreiches Leben zu führen und man kann sein Kind nicht in eine Form pressen, in die es nicht passt. Zu viele Menschen setzen den Wert eines Menschen mit seinem Bildungsstand gleich, und zu oft erwarten Eltern von ihren Kindern ein Spitzenabitur, obwohl ihre Talente ganz woanders liegen. Dementsprechend angespannt ist auch Fannys Verhältnis zu ihrer Familie. Es ist bewundernswert, dass sie dennoch ihren eigenen Weg geht.

Giers Schreibstil ist wie gewohnt locker-leicht und hat mich mich seiner zuckersüßen Art immer wieder zum Schmunzeln gebracht. Dennoch finde es sprachlich nicht lupenrein. Onomatopoetische Ausdrücke wie „Naaaaaaaaaaaaiiiiiin!“ (S. 23) oder anglizistische Schimpfwörter wie „Shit!“, hätten auch mit etwas Eleganterem ausgetauscht werden können. Außerdem läuft Fanny einmal auf eine Tür zu und zählt den Abstand: „Noch zwei Meter. Noch zweieinhalb. Einen.“ (S. 400). Wohl eher anderthalb? Ich weiß, Fanny hat die Schule abgebrochen, aber sie wird doch schon wissen, dass zweieinhalb Meter mehr sind als zwei. Generell passt diese für Gier typische Sprache wohl eher weniger zu einer 17-jährigen Schulabbrecherin. Man hat das Gefühl, dass Gier hier auf altbewährte Mittel setzt und eine ähnliche Jugendsprache anschlägt wie bei Gwen oder Liv, bei Fanny wirkt sie aber geradezu angepasst und brav. Auch ihr Englisch ist geradezu perfekt und sie kann sich problemlos mit den internationalen Gästen über Worte wie „Beweislast“ unterhalten, als wäre das alltäglich. Nichts deutet bei Fanny darauf hin, dass sie schulische Probleme hat, weder ihr Verhalten noch ihre Sprache, weshalb man ihr den Stempel „Schulabbrecherin“ kaum abkauft. Denn sie weiß, was Tüpfelhyänen sind, und drückt sich allgemein gut aus. Nichtsdestotrotz liebe ich Giers Feingefühl für ein gut ausbalanciertes Tempo und einen tollen Spannungsbogen. Ich bin wieder zügig in den Lesefluss gekommen und habe die charmante Atmosphäre des Wolkenschlosses sehr genossen.

Natürlich gibt es in „Wolkenschloss“ auch wieder eine kleine Romanze und ich feiere Kerstin Gier absolut dafür, dass sie Jugendbücher ohne Spice schreibt und trotzdem die Luft allein mit Blicken zum Knistern bringt. Dieses Mal gibt’s sogar eine kleine Dreiecksbeziehung und Fanny kann sich anfangs nicht so richtig entscheiden. Ich persönlich habe besonders die Anziehung zu einem der jungen Männer eher nicht gefühlt, aber die Lovestory ist dennoch sehr niedlich. Auch das Ende hat mir gut gefallen. Es gibt ein spannendes, vielleicht etwas überzogenes Finale und leider werden viele Fragen letztendlich auch nicht beantwortet. Das bietet Potenzial für eine Fortsetzung, jedoch glaube ich, dass „Wolkenschloss“ wohl eher ein Einzelband bleiben wird.

Fazit

„Wolkenschloss“ von Kerstin Gier ist wieder einmal ein zuckersüßes und liebenswürdiges Jugendbuch, das ganz viel antiken und prunkvollen Charme hat. Das verschneite Grandhotel in den Schweizer Alpen bietet einfach ein wunderbares Setting, das mitsamt seiner individuellen Gästeschar ein einzigartige Atmosphäre hat. Die Geschichte punktet mit einer guten Mischung aus Romantik, Humor und Spannung. Auch Fanny, die sich von typischen Jugendbuch-Protagonistinnen abhebt, habe ich sehr gemocht. Dennoch wirkt ihr Charakter in Bezug auf ihre Vergangenheit nicht immer ganz passend. Das Ende bleibt in vielen Punkten offen und die Handlungsfäden mancher Figuren verlaufen einfach im Sande. Insgesamt bietet der Einzelband aus dem Jahr 2017 jedoch unterhaltsame Lesestunden. Aufgrund kleiner inhaltlicher und sprachlicher Schwächen ziehe ich eine Feder ab und komme in meiner Bewertung so auf vier von fünf. Giers aktuelle Jugendbuchreihe „Vergissmeinnicht“ steht nun offiziell auf meiner Wunschliste und ich hoffe wirklich auf eine Schuberausgabe, wie es sie auch schon bei „Silber“ und der Edelstein-Trilogie gab.