Die Chroniken von Narnia 5-7
Ein Gemälde, ein Schiff und ein schreckliches Ende
Meine zweite November-Rezension 2023
Nachdem ich bereits die ersten vier Bände der Chroniken von Narnia gelesen und rezensiert habe, fehlten nun noch die letzten drei Bände der siebenteiligen Reihe von C.S. Lewis. Auch wenn die erste Hälfte des Schuberinhaltes bekannter ist, wurde zumindest der fünfte Band Die Reise auf der Morgenröte von Disney verfilmt. Die Fortsetzungen Der silberne Sessel und Der letzte Kampf sind vermutlich nur Kennern der Urban Fantasy-Reihe bekannt, da auch die Pevensie-Geschwister hier nicht mehr die Hauptfiguren sind. Ich verrate euch heute in drei Kurzrezensionen, ob die letzten Bände, die zwischen 1952 und 1956 erschienen sind, genauso lesenswert sind wie die ersten vier.
Die Reise auf der Morgenröte
Die Reise auf der Morgenröte entführt Edmund und Lucy Pevensie ein weiteres Mal nach Narnia, dieses Mal aber gemeinsam mit ihrem nervigen Cousin Eustachius Knilch, bzw. Eustace Scrubb in der neuen Übersetzung. Über ein Gemälde im Haus der Tante Alberta purzeln sie auf das Schiff Morgenröte, auf dem altbekannte Freunde wie König Kaspian oder Riepischiep reisen. Zusammen wollen sie über das östliche Meer segeln auf der Suche nach Kaspians sieben verschollenen Onkeln. Außerdem will Kaspian wissen, was hinter dem Gewässer liegt, denn laut eines narnianischen Mythos sei dort das Land Aslans zu finden. Doch der missmutige Eustachius macht die Entdeckungsreise zur Geduldsprobe.
Den Handlungsort auf das Schiff zu verlagern und die Erkundung neuer Inseln bringt eine erfrischende Dynamik in die Welt Narnias. Während Prinz Kaspian von Narnia narrativ stark an Der König von Narnia erinnert, ist der fünfte Band keine Neuerzählung von Altbekanntem. Die Verfilmung hat mir auch gut gefallen, allerdings wird dort oft die Reihenfolge von Ereignissen vertauscht und etwas dazu gedichtet, sodass der Film trotz Überlänge am Ende recht hastig herunter gebrochen wird. Für mich ist Die Reise auf der Morgenröte zu einem kleinen Highlight geworden. Zwar wird vor allem im Finale die Geschichte stark christlich angehaucht. Es ist geradezu ein Appell an die junge Zielgruppe, an Gott zu glauben, was man durchaus kritisch sehen kann. Abgesehen davon ist der fünfte Band aber einer meiner Favoriten. Gerade das Ende ist wunderschön und ein wenig schmerzhaft zugleich.
Der silberne Sessel
Der silberne Sessel erschien 1953 und bringt uns zum vorletzten Mal nach Narnia. Da alle vier Pevensies zu alt für Narnia sind, übernimmt nun ihr Cousin Eustachius die Rolle als Hauptfigur, den man schon aus Die Reise auf der Morgenröte kennt, in der er, wie zuvor schon Edmund, einen positiven Charakterwandel durchgemacht hat. Gemeinsam mit seiner Klassenkameradin Jill Pole flüchtet er vor einer Gruppe boshafter Mitschüler und landet über eine sonst verschlossene Eisentür in einer Mauer in Aslans Land. Wie bereits im vierten Band ist seit dem letzten Besuch in Narnia eine Menge Zeit vergangen. König Kaspian ist inzwischen ein steinalter Mann, der auf der Suche nach einem Thronfolger ist, nachdem sein einziger Sohn Rilian vor Jahrzehnten spurlos verschwunden ist. Aslan trägt den beiden auf, nach Norden in die Riesenstadt zu reisen, um dort den verschollenen Prinzen zu suchen. Doch die Reise ist gefährlich und fordert von beiden Kindern, über sich hinauszuwachsen.
Dass die Pevensie-Geschwister nicht mehr dabei sind, lässt mir ein wenig das Herz bluten. Mit Eustachius und Jill ist es irgendwie nicht mehr dasselbe. Ich habe sehr oft zum Hörbuch gegriffen, gelesen von Philipp Schepmann, um am Ball zu bleiben. Auch wenn Schepmann der Geschichte Leben einhaucht und jede Figur schon an der Sprechart erkennbar ist, wirken die Figuren mit der Zeit nervig. Jill macht keine spürbare Entwicklung durch und wirkt im Vergleich zu den anderen Protagonisten eher flach. Auch die Antagonistin kommt nur kurz vor und scheint nicht annähernd so bedrohlich zu sein wie Jadis. Es gibt zwischendurch immer süße Szenen, wie z.B. das Eulenparlament oder das Ende, aber insgesamt ist der Plot zu vorhersehbar. Auch die Beschreibung der Experimentalschule, die heute eine gewöhnliche Regelschule wäre, zeigt Lewis‘ christliche und erzkonservative Geisteshaltung, die das Buch noch antiquierter erscheinen lässt als dessen Vorgänger. Für mich ist dieser Band definitiv einer der schwächsten der Reihe, da er zu wenig Immersion bietet. Das hält mich jedoch nicht davon ab, nun auch noch den letzten Band zu lesen.
Der letzte Kampf
Der letzte Kampf ist nicht nur der finale Band der Reihe, sondern zeigt der Leserschaft, wie schon der erste Satz verrät, das Ende des Landes Narnia. In Narnia geht ein falscher Aslan um, der das Volk quälen und unterwerfen will. Voller Verzweiflung ruft der letzte König Narnias Tirian Kinder aus fremden Welten um Hilfe. Tatsächlich erscheinen Eustachius und Jill, die den Übeltäter entlarven. Doch der Untergang Narnias scheint schon längst besiegelt zu sein.
Vom letzten Band der Reihe bin ich leider nachhaltig enttäuscht. Zuerst einmal sind seit der Handlung im sechsten Band Jahrhunderte vergangen. Der narnianische Protagonist Tirian ist der Urururenkel Rilians, den Jill und Eustachius erst im Vorgänger vom silbernen Sessel befreit haben. Demnach ist keine der Figuren, die die Leserschaft gefühlt gerade erst kennengelernt hat, noch am Leben. Meiner Meinung nach macht den Charme der Reihe vor allem die Kohärenz zwischen den einzelnen Büchern aus. Die geht hier aber völlig verloren. Lewis verstrickt sich hier zu tief in seiner christlichen Denkweise und widerspricht damit Aussagen aus den vorangegangenen Bänden, wobei ich hier, um Spoiler zu vermeiden, keine Beispiele nennen will. Die Eschatologie und die deutlichen Parallelen der Kalormenen, die als Feindbild dargestellt werden, zu orientalischen Kulturen, drücken der Welt einen zu christlichen Stempel auf. Schlimmer noch: die Darstellung des kalormenischen Gottes Tash als das Böse lässt sich leicht als islamfeindlich auslegen. Wenn man bedenkt, dass dies ein Fantasy-Buch für Kinder ist, ist die religiöse Indoktrination als kritisch zu betrachten. Das Ende ist für mich eine enorme Enttäuschung, auch weil man nicht erfährt, was aus Susan wird, die nicht mehr an Narnia glaubt. Dies scheint allerdings ihr Glück zu sein. Wie Lewis den letzten Band zugunsten seiner eschatologischen Wahnvorstellungen so verhunzen kann, lässt mich sprachlos zurück.
Fazit
Insgesamt ist die zweite Hälfte des Schubers weniger lesenswert als die erste. Lediglich Die Reise auf der Morgenröte konnte mich wirklich begeistern. Es ist klug vom Verlag, den gesamten Schuber mit allen sieben Büchern für 49€ zu verkaufen, die einzelnen Bände aber für bis zu 15€. So hat man das Gefühl, mit allen sieben Büchern ein Schnäppchen gemacht zu haben, und erhält auch die Bücher, die sich einzeln kaum verkaufen würden. Gerade Der silberne Sessel und Der letzte Kampf lohnen sich meiner Meinung nach nur der Vollständigkeit halber. C.S. Lewis vermischt seine christlichen Ansichten zu sehr mit dieser Fantasy-Welt, was eine verbreitete Kritik am Narnia-Universum ist. Gerade das Ende ist einfach nur traurig und zeigt, wie verblendet der Autor von christlichen Vorstellungen war, was einen fiesen Beigeschmack hinterlässt. Kein Wunder, dass andere Autoren wie Philip Pullman mit ihren Fantasy-Werken Gegenstücke zum theologisch vernarrten Narnia erschufen. Kurzum, in Summe hat die zweite Hälfte nicht mehr als drei Federn verdient, wobei gerade Die Reise auf der Morgenröte die drei Bücher vor einer schlechteren Gesamtbewertung bewahrt.