Die Chroniken von Narnia 1-4

Die Chroniken von Narnia 1-4
15. November 2023 0 Von lara

Ein Löwe, eine Hexe und ein Kleiderschrank

Meine November-Rezension 2023


Die Chroniken von Narnia von C.S. Lewis gehören zu den wohl berühmtesten Fantasy-Reihen der Welt. Bislang wurden über 100 Millionen Exemplare verkauft und die Reihe in 47 Sprachen übersetzt. Drei der insgesamt sieben Bände, Der König von Narnia, Prinz Kaspian von Narnia und Die Reise auf der Morgenröte wurden von Disney verfilmt, wobei vor allem der erste Kinofilm großen Erfolg hatte. Als Fantasy-Fan sind Die Chroniken von Narnia definitiv eine Reihe, die man gelesen haben muss. Deswegen habe ich mir die Reihe mit allen sieben Bänden in einem Schuber besorgt. Tatsächlich habe ich mich erst ein wenig gewundert, dass die Bücher so dünn sind, denn keins hat weit mehr als 200 Seiten. Für eine umfassende Rezension sind die Bücher also zu kurz. Aus diesem Grund umfasst dieser Beitrag die Kurzrezensionen der ersten vier Bände von Das Wunder von Narnia bis Prinz Kaspian von Narnia. Die vier Bücher erschienen zwischen 1950 und 1955 und gehören zur sogenannten Urban Fantasy.

Das Wunder von Narnia

Das Wunder von Narnia ist das Prequel, das Lewis erst nach der Erscheinung der Hauptreihe veröffentlicht hat, nämlich 1955. Es empfiehlt sich, beim Lesen so vorzugehen, wie es der Schuber vorgibt, also dieses Buch zuerst. Hauptfigur ist das junge Mädchen Polly Plummer, die mit ihrer Familie im London des viktorianischen Zeitalters lebt, als sie den Nachbarjungen Digory Kirke kennenlernt. Sie freunden sich über den Sommer hinweg an, wobei sie auf Digorys verrückten Onkel Andrew Ketterley treffen, der ihnen magische Ringe gibt, mit denen sie in andere Welten reisen können. Auf ihrer unfreiwilligen Reise begegnen sie der bösen Königin Jadis, die die Kinder benutzen will, um ihre Macht auszuweiten. Schon bald müssen sie sich gegen Jadis behaupten, die ihnen in die Menschenwelt gefolgt ist. Dabei ist ihnen nicht bewusst, dass sie bald Zeugen der Erschaffung einer neuen Welt werden: Narnia.

Lewis‘ Schreibstil ist einfach, leicht verständlich und gelegentlich albern. Es wird schnell deutlich, dass Kinder hier die Zielgruppe sind, viel mehr als bei anderen Fantasy-Werken, mit denen Narnia oft in einen Topf geworfen wird. Außerdem ist über die Reihe bekannt, dass sie viele Anlehnungen ans Christentum hat, so werden Polly und Digory von einem Löwen als „Evastochter“ und „Adamssohn“ angesprochen. Auch die Erschaffung Narnias hat einige Parallelen zur biblischen Schöpfungsgeschichte, bspw. ein Baum mit magischen Äpfeln, deren Verzehr widerstanden werden muss. Die Verschmelzung zwischen Christentum und Fantasy ist als kritisch zu beurteilen, da sich die fiktive Welt hier nicht von der irdischen abgrenzt. Ein kleines Manko, dessen Schweregrad aber Geschmackssache ist. Aufgrund des Umfangs ist Das Wunder von Narnia mehr Kurzgeschichte als Roman. Ich habe viel Neues über das Worldbuilding und die Entstehungsgeschichte Narnias gelernt, zum Beispiel, wie der magische Kleiderschrank entstanden ist oder warum im Wald Narnias eine Straßenlaterne steht. Das Prequel hat mich gut auf die kommenden Bände vorbereitet. Es ist eine liebenswürdige Abenteuergeschichte, die vor allem Kinderherzen höher schlagen lassen wird. Meiner Meinung nach ein gelungener und lesenswerter Einsteig!

Der König von Narnia

Der König von Narnia erzählt wohl die bekannteste Geschichte der vier Geschwister Pevensie, die während des zweiten Weltkriegs von London aufs Land in die alte Villa des Professors Kirke geschickt werden, um vor den Bombenangriffen geschützt zu sein. Bei einer Erkundung des Hauses entdeckt die jüngste, Lucy, einen Raum, in dem nichts weiter als ein Kleiderschrank steht. Durch diesen Schrank gelangt sie nach Narnia, wo sie auf den Faun Tumnus trifft, mit dem sie sich schnell anfreundet. Doch Narnia ist in einen ewigen Winterschlaf gefallen, seitdem die Hexe Jadis regiert. Lucy erfährt von einer Prophezeiung, in der vier Menschenskinder Throne besteigen. Zuerst versucht sie, ihre Geschwister von der Existenz Narnias zu überzeugen, aber vor allem der zweitjüngste Edmund legt seinen Geschwistern Steine in den Weg.

Der zweite Band der Reihe war ursprünglich der erste und erschien 1950. Er erzählt die wohl bekannteste Geschichte von Narnia, die zudem erfolgreich verfilmt wurde. Als Kind habe ich den Film mehrmals gesehen, und ich war überrascht, wie nah der Film am Buch ist. Die winterliche Atmosphäre, die in Narnia herrscht, hat mich sofort eingenommen. Besonders ist mir hierbei der auktoriale Erzähler aufgefallen, der retrospektiv berichtet, aber häufiger die vierte Wand bricht, also die Leserschaft direkt anspricht oder aus der Ich-Perspektive spricht. So sagt er zum Beispiel Dinge wie „Wärt ihr dabei gewesen, hättet ihr gesehen, wie…“. Der Erzählstil erinnert an ein Kaminfeuer, an dem die Großeltern ihren Enkeln eine Abenteuergeschichte erzählen. Auf eine magische Art gelingt es Lewis, das Herz zu erwärmen und Narnia zu einer einzigartigen Fantasy-Welt zu machen. Zwar ist auch hier der christliche Bezug wieder deutlich spürbar, so erfährt man zum Beispiel, dass die Hexe Jadis von Lilith abstammt, einem Dämon, der im Alten Testament erwähnt wird. Lewis selbst war als Teenager Atheist, fand im Alter aber immer mehr zum christlichen Glauben, und diesen Einfluss spürt man. In den 1950er-Jahren hatte das Christentum eben noch mehr Bedeutung. Mich hat Der König von Narnia mit seinem Charme verzaubert. Es gefällt mir noch etwas besser als der erste Band. Ich hätte nicht gedacht, dass das Kinderbuch zu einem kleinen Highlight wird. Für Erwachsene, die im Herzen jung geblieben sind, also auch eine dringende Leseempfehlung!

Der Ritt nach Narnia

Der Ritt nach Narnia ist der wahrscheinlich unbekannteste Band der Reihe. Er wurde nicht verfilmt und von ihm gibt es auch kein Hörbuch. Die Geschichte spielt am Ende von Der König von Narnia, als die Pevensie-Geschwister Narnia regieren, aber noch bevor sie den weißen Hirsch im letzten Kapitel jagen. Protagonist ist der Junge Shasta, der im Land Kalormen südlich von Narnia in einem Küstendorf als Sohn des Fischers Arsheesh aufwächst. Als Arsheesh Shasta jedoch an einen Sklavenhalter verkaufen will, erfährt der Junge, dass der Fischer nicht sein leiblicher Vater ist. Mitten in der Nacht schleicht sich Shasta mit dem Pferd des Händlers davon. Doch das Pferd ist kein gewöhnliches Pferd: Es kann sprechen, stellt sich als Bree vor, und erzählt, es komme ursprünglich aus Narnia. Gemeinsam machen sind die beiden auf, um ein neues Leben zu beginnen. Doch der Weg dorthin ist weit und voller Gefahren.

Mit dem dritten Band wird das erste Mal verdeutlicht, dass Narnia keine ganze Parallelwelt ist, sondern nur ein Land auf einem großen Kontinent. Das deutlich größere Kalormen im Süden ist ein Wüstenreich, das eine orientalische Atmosphäre vermittelt. Figurennamen wie Lasaraleen oder Aravis klingen fremd, weshalb es eine Weile dauern kann, bis man sich in der Welt zurechtgefunden hat. Es gibt aber auch ein Wiedersehen mit altbekannten Figuren wie Edmund, Susan oder Tumnus. Besonders auffällig an diesem Band ist das Thematisieren weniger kindlicher Aspekte, wie Zwangsheirat, Gewalt, Krieg und Rollenbilder. Im Vergleich zum zweiten Band geht es hier deutlich ernster, brutaler und blutiger zu. Trotzdem konnte mich Der Ritt nach Narnia nicht gänzlich überzeugen. Es war ein nettes Abenteuer, kommt im Vergleich aber nicht an die ersten beiden Bände heran. Das liegt daran, dass der Bezug zu Narnia geringer ausfällt, als ich es mir gewünscht hätte. Shasta selbst soll im letzten Band der Reihe noch einmal vorkommen, spielt ansonsten aber keine große Rolle mehr. Deswegen ist Der Ritt nach Narnia unterhaltsam, aber vermutlich irrelevanter als die anderen Bände.

Prinz Kaspian von Narnia

Prinz Kaspian von Narnia ist der vierte Band, aber der zweite mit den Pevensie-Geschwistern. Er spielt ein Jahr nach dem zweiten Band und ist ebenfalls verfilmt worden. Die Geschwister sind aus dem Kleiderschrank zurück nach England gepurzelt und haben sich wieder an ihr normales Leben gewöhnt, als sie an einem Bahnhof urplötzlich zurück nach Narnia gezogen werden. Ursache dafür ist Prinz Kaspian, der in Susans Horn geblasen hat. Kaspian braucht die Hilfe der alten Königinnen und Könige von Narnia, um die Pläne seines bösen Onkels Miraz zu durchkreuzen. Doch für die Narnianer sind seit dem goldenen Zeitalter mehr als hundert Jahre vergangen und fast niemand glaubt mehr an die alten Geschichten über Peter, Susan, Edmund, Lucy oder Aslan.

Insgesamt hat mir Prinz Kaspian von Narnia gut gefallen, aber es kommt für mich doch nicht an den zweiten Band heran. Dass in Narnia über 100 Jahre vergangen sind und aus diesem Grund auch lieb gewonnene Figuren wie Tumnus oder die Biber nicht mehr leben, hat mich etwas enttäuscht. Glücklicherweise gibt es auch neue charmante Nebenfiguren wie die Maus Riepischiep. Mit Kaspian selbst bin ich allerdings weniger warm geworden, da er als neuer Protagonist eingeführt wird, neben den Pevensie-Geschwistern aber charakterlich verblasst. Zudem ist Miraz auch kein sonderlich starker Antagonist, sowohl in seinen Motiven als auch physisch. Der machtgierige, menschliche König wirkt nicht einmal halb so mächtig wie die Hexe Jadis, die mit ihren übernatürlichen Kräften sogar eine Gefahr für Aslan ist. Auch die Verfilmung hat mir etwas weniger gut gefallen und war außerdem weniger nah am Buch. Vor allem hat mich irritiert, wieso Kaspian einen spanischen Akzent hat, wo er doch keinen Bezug zu diesem Land hat und im Buch sogar als blond beschrieben wird. Der vierte Band ist eine nette Fortsetzung, aber auch nicht viel mehr. Die magische Atmosphäre, die ich am zweiten Band so liebte, ist hier leider weniger spürbar.

Fazit

Anfangs war ich skeptisch, ob dieser Fantasy-Klassiker wirklich zeitlos und lesenswert ist. Tatsächlich wurde ich positiv überrascht. Natürlich richtet sich diese Geschichte primär an Kinder und der Erzählstil mag entsprechend nicht unbedingt den eigenen Geschmack treffen, aber Die Chroniken von Narnia haben einen zauberhaften Charme und der hohe Stellenwert in der Fantasy-Literatur ist gerechtfertigt. Zwar ist der christliche Bezug kaum zu überlesen und mag heutzutage auch überholt sein. Wer darüber aber hinwegsehen kann, wird mit dieser Urban Fantasy-Reihe sicherlich nichts falsch machen. Mein Favorit ist der bekannteste Band Der König von Narnia, aber auch die anderen Bände sind lesenswert, wenn auch etwas schwächer. Die Reihe ist eine wunderbare Lektüre für Zwischendurch. Aufgrund kleinerer Mankos kann ich der ersten Hälfte der Reihe nicht mehr als vier Federn geben, aber gerade Fantasy-Fans sollten Die Chroniken von Narnia wirklich einmal gelesen haben.