To all the boys I’ve loved before
Fünf Liebesbriefe. Viel Drama.
Meine Oktober-Rezension 2022
Wenn es für mich im Herbst einen cozy-girlie Liebesfilm mit Teenager-Drama und amerikanischen Highschool-Vibes gibt, den ich mir mit Kuschelsocken und einer Tasse Kakao anschaue, dann ist das To all the boys I’ve loved before mit Lana Condor in der Hauptrolle. Zudem heißt die Protagonistin Lara Jean fast wie ich. Mein Zweitname ist zwar nicht Jean, aber er beginnt auch mit einem J, sodass man mich, wie Lara Jean auch LJ nennen könnte. Die Buchvorlage von Jenny Han habe ich kurz nach Release des Netflix-Films 2018 gekauft, nach einer Reihe von Nachtdiensten, wodurch ich ein langes Wochenende hatte. Ich wollte mich also für schlaflose Nächte im Bett mit Lesestoff eindecken, habe To all the boys I’ve loved before dann aber natürlich nicht gelesen. Vier Jahre hat es jetzt also gedauert, bis ich dieses Jugendbuch aus dem Jahr 2016 gelesen habe, das wunderbar in den Herbst passt.
Inhalt
Die 16-jährige Lara Jean Covey lebt bei ihrem alleinerziehenden Vater mit ihrer älteren Schwester Margot und ihrer jüngeren Schwester Katherine, kurz Kitty, im US-amerikanischen Bundesstaat Vermont. Die Sommerferien neigen sich ihrem Ende zu und für die Familie bedeutet das Veränderungen. Für Lara ist es das erste Jahr in der Oberstufe, ihre Schwester Margot zieht für ihr Studium sogar nach Schottland. Kurz vor Margots Abreise beendet sie ihre Beziehung mit dem Nachbarjungen Josh, in den Lara heimlich verliebt ist. Zuvor hat Lara Josh einen Liebesbrief geschrieben, wie vier weiteren Jungen auch. Diese Briefe hat sie jedoch nie überreicht, sondern ordentlich in einer Hutschachtel aufbewahrt. Als der Schwarm der Schule Peter Kavinsky dann auf Lara zukommt, und mit ihr über den Liebesbrief zu sprechen, versteht sie die Welt nicht mehr. Offensichtlich hat jemand die adressierten Liebesbriefe in ihrem Zimmer gefunden und sie gegen ihren Willen an alle fünf Jungen verschickt. Das verursachte Liebeschaos verspricht für große Turbulenzen in Laras Leben zu sorgen. Und vielleicht gibt es unter den Jungen sogar jemanden, der ihre Gefühle erwidert.
Cover
Das Cover entspricht dem US-amerikanischen Original. Ein junges Mädchen liegt bäuchlings auf einem weißen Bett unter einer Dachschräge. Sie hat lange, glatte, schwarze Haare, die mit einem Haarband aus Gänseblümchen gehalten werden. Sie trägt eine hellblaue Jeans und einen cremefarbenen Longsleeve. In ihrer linken Hand hält sie einen Vier-Farben-Kugelschreiber. Vor ihr scheint eine Art Notiz- oder Tagebuch aufgeschlagen zu liegen, ihr Blick geht vermutlich Richtung Fenster, das sich aufgrund der Fensterbank nur erahnen lässt. Um sie herum kann man außerdem weiß geblümte Bettwäsche, eine gestreifte Steppdecke, eine Discokugel sowie Polaroid-Fotos und eine Brosche an der weißen Wand entdecken. Da das Mädchen asiatische Züge hat, gehe ich stark davon aus, dass sie die Protagonistin Lara Jean sein soll, denn ihre verstorbene Mutter war Koreanerin. Ich finde das Cover wirklich süß. Es passt wunderbar zur Atmosphäre des Buches, auch wenn es eher Sommer-Vibes hat, obwohl die Geschichte im Herbst und Winter spielt.
Kritik
„Es macht mir Spaß, etwas zu bewahren.“, ist der erste Satz des ersten Kapitels. Die Protagonistin Lara Jean berichtet hier aus der Ich-Perspektive im Präsens von ihren Liebesbriefen, die sie in einer alten Hutschachtel ihrer verstorbenen Mutter aufbewahrt. Erst einmal lernt die Leserschaft Lara, ihre Familie, ihre Freunde und ihre Persönlichkeit kennen, bevor die Liebesbriefe verschwinden. Das Jugendbuch ist exakt 350 Seiten lang und hat 72 Kapitel. Im Schnitt ist ein Kapitel also nur knapp fünf Seiten lang.
Lara Jean Covey ist ein fast 17-jähriges Mädchen, das in die 11. Klasse geht, also zu den sogenannten Juniors gehört. Sie ist Halbasiatin mit dunklen Mandelaugen, schwarzen langen Haaren und einer Größe von 155cm. Sie ist ein nettes, verträumtes und schüchternes Mädchen, manchmal aber auch naiv, ängstlich und verlogen. Außerdem ist sie hoffnungslos romantisch, liest gerne schnulzige Bücher oder schaut Liebesfilme und verliebt sich schnell. Anders kann man auch nicht erklären, dass sie mit gerade einmal 16 Jahren fünf Mal so verliebt war, dass sie Liebesbriefe verfasst hat. Sie backt gerne, bastelt in ihrem Scrapbook und interessiert sich für koreanische Vintage-Mode. Im Kern ist sie ein wirklich süßes Mädel, mit der ich aufgrund ihrer Naivität und vor allem ihrer Verlogenheit stellenweise meine Probleme hatte. Beispielsweise hat Lara Josh einmal erzählt, dass sie eine Zwillingsschwester hatte, die an Leukämie verstorben sei. Soll das jetzt witzig sein? Es wundert mich, dass Josh noch mit Lara befreundet sein wollte, nachdem sie ihm die Lüge gebeichtet hat.
Die Sprache ist sehr einfach, der Stil flüssig. Im Mittelteil schwächelt der Spannungsbogen etwas, das Tempo ist jedoch zügig und auf den Punkt. To all the boys I’ve loved before punktet vor allem wegen seiner Atmosphäre. Wenn Lara Cupcakes backt, indem sie Cups benutzt oder ihr auf einer Hausparty einer dieser roten Plastikbecher gegeben wird, die es auf jeder Party gibt, macht das richtig schöne American Vibes. Handlungsorte wie die Highschool, das Footballfeld oder ein Diner runden das Bild zuckersüß ab. Allerdings fehlt mir insgesamt der Tiefgang. Bei all dem Glitzer und der Lichterketten lässt sich leicht übersehen, dass die Geschichte sehr banal ist. Dass nicht sonderlich auf Tiefe oder saubere Recherche geachtet wird, merkt man zum Beispiel auf Seite 212. Dort heißt es: „Peter kann nicht einmal Ramen kochen, die koreanischen Nudeln.“ Dumm nur, dass Ramen eine japanische Nudelsuppe ist. Es gibt zwar auch koreanischen Ramen, der sogenannte Ramyeon, welcher aus der japanischen Küche übernommen wurde und mit Kimchi oder Mandu koreanisiert wird, Ramen selbst ist jedoch eindeutig nicht koreanisch. Gerade weil Lara Jean koreanische Wurzeln hat, ist diese Vermischung asiatischer Kulturen ziemlich peinlich. Da hätte Jenny Han doch noch einmal ordentlich recherchieren sollen, anstatt sich mit Anlauf in das „Ostasiatische Kulturen sind alle gleich“-Fettnäpfchen zu setzen.
Wenn man Buch und Film vergleicht, stellt man kleinere Unterschiede fest, im Großen und Ganzen ist die Verfilmung jedoch gut gelungen. Im Film gibt es viele Raffungen, das heißt weniger relevante Szenen wurden herausgeschnitten, wie zum Beispiel Laras Fahrt mit Peter zu einer Haushaltsauflösung, um dort Antiquitäten zu erstehen. Außerdem wurden manche Ereignisse, die im Buch innerhalb einzelner Wochen geschehen, im Film in einen Tag gepackt, wie beispielsweise Lucas‘ Konfrontation mit Lara nach dem Erhalt des Liebesbriefes oder Laras Flucht vor Josh zu ihrem Lieblingsdiner, wo Peter auf sie wartet. Im Buch flüchtet sie nämlich nur ins Baumhaus der Nachbarn und geht erst Wochen später mit Peter ins Diner. Auch die traurigen Momente wurden größtenteils weggelassen. So erfährt man im Film nicht, woran Laras Mutter verstorben ist und auch Laras Autounfall kurz nach Margos Abreise wurde aus dem Film gestrichen. Zudem wurden im Film fast alle Dialoge über Sex, Verhütungsmittel oder wilde Partys ausgelassen. Der Netflix-Film glättet und romantisiert die Story also ordentlich. Die für mich schlimmste Abweichung vom Buch ist für mich jedoch, dass einem im Film sehr deutlich gemacht wird, wer Laras Liebesbriefe verschickt hat. Es wird in einer Szene nämlich deutlich gezeigt, wer sich an Laras Hutschachtel zu Schaffen gemacht hat. Im Buch erfährt man es erst auf den allerletzten Seiten. Mir hätte es besser gefallen, wenn es im Film auch bis zum Schluss ein Mysterium geblieben wäre, anstatt dass die Figur eine schuldbewusste Miene aufsetzt, als Lara erwähnt, dass ihre Schachtel verschwunden ist. Dennoch empfinde ich den Film als wirklich sehenswert.
Das Ende konnte mich nicht großartig überraschen, da es dem Film sehr ähnlich ist. Trotzdem ist es sehr süß und hat mir gut gefallen. Han lässt hier ein paar Dinge offen, die in den Fortsetzungen P.S. I still love you und Always and forever, Lara Jean wieder aufgegriffen werden. Ich habe allerdings nicht vor, die Fortsetzungen zu lesen.
Fazit
Wer den dazugehörigen Netflix-Film liebt, oder Tropen wie Love-Triangle und Fake-Beziehungen generell, wird an To all the boys I’ve loved before seine Freude haben. Die Geschichte über die verträumte Lara Jean und ihre Liebesbriefe ist geprägt von Highschool-Vibes mit viel Zuckerguss. Dennoch fehlt hier eindeutig der Tiefgang und auch Lara ist zwar liebenswürdig, agiert aber stellenweise kaum nachvollziehbar. Hinzu kommt ein ziemlich peinlicher Sachfehler, der noch einmal unterstreicht, wie wenig gehaltvoll dieses Jugendbuch aus dem Jahr 2016 eigentlich ist. Deswegen kann ich diese herbstliche Lektüre vor allem Mädchen im Alter von 14-18 Jahren empfehlen. Für die Zielgruppe hat To all the boys I’ve loved before gerade noch so vier von fünf Federn verdient. Mir hat das Buch zwar Spaß gemacht, es hat mich aber nicht ausreichend überzeugt, als dass ich wirklich Lust auf die Fortsetzungen hätte, die ebenfalls verfilmt worden sind. Ich habe mir beide Filme angesehen, finde sie aber schwächer als den ersten. Der Plot ist mir zu vorhersehbar, zu verkitscht und ohne den Clou mit den gegen den Willen verschickten Liebesbriefen, fehlt da definitiv das gewisse Etwas. Für mich bleibt der erste Teil definitiv der beste.