Grisha – Lodernde Schwingen

Ein Kampf zwischen Licht und Schatten
Meine Juni-Rezension 2025
Mit „Lodernde Schwingen“ endet die Grisha-Trilogie von Leigh Bardugo. Bereits die ersten beiden Bände haben mir sehr gefallen und der Cliffhanger am Ende von „Eisige Wellen“ hat mich quasi dazu gezwungen, sofort weiterzulesen. Doch auch wenn ich mich schon sehr auf die Lektüre gefreut habe, wusste ich auch, dass Alinas Geschichte damit beendet ist. Ich empfand also Vorfreude auf das Finale als auch Wehmut, dass mir nur noch wenige Seiten bis zum Ende der High Fantasy-Reihe bleiben. Zum Glück muss ich mich aber nur vorerst vom Grishaverse verabschieden, denn dessen Spin Off-Reihen, die Krähen-Dilogie sowie King of Scars liegen bereits auf meinem SuB. Der dritte Band von Grisha erschien 2014 auf Deutsch.
Inhalt
Nach dem zerstörerischen Kampf gegen den Dunklen in der Kapelle Os Altas ist Alina Starkowa nur knapp dem Tod entkommen. Allein der Rettung durch den Asketen verdanken sie und Maljen Oretsew ihr Überleben. Körperlich geschwächt versteckt sich Alina mit ihren verbleibenden Verbündeten unterirdisch in einem Höhlensystem namens Weiße Kathedrale. Doch so tief unter der Erde kann sie ihre Lichtmagie nicht einsetzen, was sie vor den Pilgern verbergen muss. Und auch der Asket scheint eine zwielichtige Person zu sein, der sie nicht vertrauen kann. So wird Alinas vermeintliches Versteck von Tag zu Tag immer mehr zu einem Gefängnis. Doch wenn sie den sagenumwobenen Feuervogel finden und Ravka retten will, muss sie einen Weg nach draußen finden.
Cover
Vor einem schwarzen Hintergrund sticht die Silhouette eines großen Vogels hervor, dessen Farben von gelb über orange bis rot gehen, wobei auch grünliche Schlieren vorhanden sind. Von seinen Flügeln scheint ein goldener Staub abzugehen. Wenn der erste Band Morozovas Hirsch und der zweite die Meergeißel Rusalye abbildet, muss dies der Feuervogel sein, aus dem Alina den letzten Kräftemehrer fertigen will, um den Dunklen besiegen zu können. Manche behaupten ja, auf dem Cover sei ein Phönix, wer aber die Geschichte kennt, weiß dass das nicht stimmt. Das Cover von Droemer Knaur ist dasselbe wie das originale, während der Carlsen Verlag ein eigenes Cover gestaltet hat, das ein Mädchen mit langen Haaren im Aquarell-Stil auf einem hellen Grund zeigt, während im Hintergrund ein Vogel und eine Felsformation zu sehen sind. Für mich ist das übernommene amerikanische Cover aber deutlich eindrucksvoller und kraftvoller als das blasse deutsche Cover.
Kritik
„Das Ungeheuer hieß Izumrud, und manche sagten, es habe die Gänge unterhalb von Ravka geschaffen.“, ist der erste Satz des Prologs, den ich sehr gelungen finde. Er vermischt das neue Setting unter der Erde mit einem fantastischen Wesen, von dem man nicht weiß, ob es nur Aberglaube ist oder wirklich existiert, und erschafft so eine magische sowie düstere Atmosphäre. Mit über 400 Seiten und 18 Kapiteln plus Prolog und Epilog ist der dritte Band zwar nicht der kürzeste der Trilogie, hat aber von allen die wenigsten Kapitel. Einen kleinen Dämpfer gibt es schon direkt zu Beginn: Die im Buchdeckel abgebildete Karte von Ravka und seinen Nachbarländern hat sich im Vergleich zum Vorgänger nicht verändert und ist auch nicht erweitert worden. Das ist besonders schade, weil viele Orte, die im Verlauf der Geschichte erwähnt werden, auf der Karte überhaupt nicht eingezeichnet sind. Duva, Murin oder der Jidkova-Pass sind dabei nur wenige Beispiele. Warum für den Plot relevante Orte nicht eingezeichnet, irrelevante wiederum schon, werde ich wohl nicht verstehen.
Neben Alina und Maljen gibt es eine dritte wichtige Figur, die gleichzeitig auch der Antagonist ist. Der Dunkle, der seinen Namen seiner Fähigkeit des Schattenbeschwörens, aber vielleicht auch der Schwarzmagie verdankt, die er anwendet, ist neben dem Zar der wohl mächtigste Mann Ravkas. Er ist der Sohn von Baghra und einem unbekannten Entherzer, der zwar schon über 400 Jahre alt ist, aber aussieht wie ein Mann mittleren Alters. Der Dunkle hat schwarze Haare, graue Augen und war Anführer der Zweiten Armee Ravkas, bis Alina ihm in dieser Position ersetzte. Er ist ehrgeizig, machthungrig sowie manipulativ, weshalb er anfangs versucht, Alina auf seine Seite zu ziehen und sie an sich zu binden. Sie symbolisieren Licht und Schatten: das eine existiert nicht ohne das andere, und so haben die beiden eine unfreiwillige Bindung zueinander. Alina fühlt sich sogar körperlich zu ihm hingezogen und ihr Schicksal scheint mit seinem verknüpft zu sein. Der Dunkle bleibt hier eindeutig der Bösewicht dieser Geschichte, der offensichtlich sterben muss, damit in Ravka wieder Frieden herrschen kann. Doch wenn Alina und er miteinander verbunden sind wie Yin und Yang, kann der eine ohne den anderen vielleicht gar nicht mehr leben.
Schreibstil sowie Sprache sind wieder ähnlich klar und zugänglich wie in den Vorgängern. Der Spannungsbogen arbeitet spürbar auf das große Finale am Ende hin. Dabei ist das Tempo vor allem anfangs gemächlich und entschleunigter als in den ersten beiden Bänden, weshalb sich bei mir kaum eine Sogwirkung entfaltet hat. Die Atmosphäre ist besonders zu Beginn klaustrophobisch und bedrückend, pendelt dann aber zwischen einer düsteren Angst vor der großen Schlacht und epischen, hoffnungsvollen Momenten. Es gibt einige Plottwists und auch wenn meine anfängliche Euphorie für die Grisha-Triloge ein wenig abgeklungen ist, wird es hier nie wirklich langweilig.
Eine Sache ist mir jedoch besonders negativ aufgefallen. Ich habe das schon im zweiten Band bemerkt, habe es in meiner Rezension jedoch nicht erwähnt, da es sich nicht auf den Inhalt der Geschichte bezieht und auch kein Verschulden Bardugos, sondern des deutschen Verlages ist. Denn auffällig oft sind hier Zeilenumbrüche falsch gesetzt. Zum Beispiel geht es auf Seite 55 um „gesund oder munter“, wobei nach „oder“, was mittig in der Zeile steht, ein plötzlicher Zeilenumbruch kommt. Mitten im Satz und ohne Sinn. Ein anderes Beispiel wäre auf Seite 360 zu finden, wo von „gerahmten Miniaturen“ die Rede ist, wobei es bei Miniaturen einen Silbenbruch gibt, also „Minia-turen“. Allerdings folgt nach dem Bindestrich auch noch direkt ein Zeilenumbruch, obwohl auch dieses Wort mittig der Zeile positioniert ist. Man hätte das Wort Miniaturen also gar nicht trennen müssen, weil es locker noch in die Zeile gepasst hätte. Besonders schlimm ist das aber bei Dialogen. Dadurch, dass hier sowohl Zeilenumbrüche fehlen als auch falsch gesetzt sind, kann man als Leser nicht immer erkennen, wer spricht, bzw. kommt es so zur Verwechslung der Sprecher. In vielen Dialogen musste ich innehalten oder Passagen mehrfach lesen, was den Lesefluss massiv gestört hat. Die Kritik am schlampig redigierten Text betrifft aber nur die deutschen Ausgaben, weshalb ich sie weniger stark in meine Bewertung einfließen lassen werde. Solltet ihr aber gut Englisch sprechen und gerne auch mal englischsprachige Bücher lesen, würde ich euch raten, bei der Grisha-Trilogie eher darauf zurückzugreifen.
Das Ende ist insgesamt spannend, obwohl es bei Weitem unspektakulärer ist und zügiger abgehandelt wird, als ich erwartet hatte. Ich bleibe hier wie immer vage, aber wie manche Dinge aufgelöst wurden, hat mir mal mehr, mal weniger gut gefallen. Gefühlt waren die Verluste hier sogar geringer als im zweiten Band. Dennoch war ich traurig, die Figuren zurückzulassen, die ich in den vergangenen Wochen so ins Herz geschlossen habe, vor allem Nikolai. Ich bin froh, dass mit der Krähen-Dilogie und der Dilogie King of Scars noch weitere Bücher aus dem Grishaverse auf mich warten.
Fazit
Auch wenn meine anfängliche Euphorie für die Grisha-Trilogie ein wenig abgeklungen ist, bietet „Lodernde Schwingen“ doch einen würdigen Abschluss der Fantasy-Reihe. Ich habe viele Figuren lieb gewonnen und ich war überraschend wehmütig, als ich das Buch zugeschlagen habe. Insbesondere die Dynamik zwischen Alina und dem Dunklen ist hier stark hervor gearbeitet. Die Atmosphäre ist gleichermaßen düster wie magisch und die bildgewaltige Sprache hat mich stellenweise in der Geschichte versinken lassen. Jedoch ist das Tempo manchmal zu gemächlich, die frühere Sogwirkung wollte hier irgendwie nicht mehr aufkommen. Vielleicht liegt dies auch an den unnötigen Fehlern bei den Zeilenumbrüchen der deutschen Ausgabe. Zudem hat mich das Finale ein wenig enttäuscht und bleibt hinter meiner Erwartungshaltung zurück. Nichtsdestotrotz verbleibt ein positiver Gesamteindruck von Leigh Bardugos drittem Werk. Deswegen gebe ich dem letzten Band der Grisha-Reihe gerade noch vier von fünf Federn. Für nächstes Jahr nehme ich mir die Krähen-Dilogie fest vor!

Ihr braucht eine Zweitmeinung? Wiebke vom „Buchensemble“ hat ebenfalls eine lesenswerte Rezension über dieses Buch verfasst:
Buchensemble: Ruin and Rising