Ready Player One

Ready Player One
23. Juni 2024 0 Von lara

Willkommen in der OASIS

Mein zweite Juni-Rezension 2024


„Ready Player One“ von Ernest Cline habe ich zufällig in einer Buchhandlung als reduziertes Mängelexemplar entdeckt. Da mich der Klappentext direkt angesprochen hat, habe ich nicht lange gefackelt und das Buch mitgenommen. Der dystopische Science-Fiction-Roman spielt größtenteils im VR-Computerspiel OASIS, in dem es Welten für alle möglichen Fandoms gibt: Star Wars, Herr der Ringe, Harry Potter oder das Marvel-Universum. Da schlägt mein Nerdherz doch gleich höher! Der Roman aus dem Jahr 2017 soll vor popkultureller Anspielungen aus den 1980ern und einem futuristischen Retro-Charme nur so sprühen! 2018 kam dann die Verfilmung unter der Regie von Steven Spielberg mit Tye Sheridan sowie Olivia Cooke in den Hauptrollen in die Kinos. Ich verrate euch also nicht nur, ob das Buch lesenswert ist, sondern auch, wie gut der Film im Vergleich dazu ist.

Inhalt

Der 18-jährige Wade Watts lebt im Jahr 2045 bei seiner Tante in einem heruntergekommenen Trailerpark in Oklahoma. Er kommt aus prekären Verhältnissen, denn seine Mutter ist an den Folgen ihrer Drogensucht verstorben. Seine Tante Alice nimmt ihn nur widerwillig auf, denn auch sie hat ein Drogenproblem. Wades einzige Zuflucht ist das Computerspiel OASIS, in dem er unter dem Gamernamen Parzival nicht nur Abenteuer erlebt und mit Gleichgesinnten chattet, sondern auch zur Schule geht. Als der OASIS-Schöpfer James Halliday überraschend verstirbt, taucht ein Video von ihm auf. Darin verspricht er, dem Finder eines Easter Eggs in der OASIS sein gesamtes Vermögen sowie sein Milliardenimperium zu vermachen. Ein gigantisches Abenteuer beginnt für Millionen von Schatzsuchern auf der ganzen Welt. Doch nur, wer Hallidays popkulturelle Anspielungen aus verschiedenen Fandoms versteht und ein talentierter Gamer ist, hat vielleicht eine Chance zu gewinnen.

Cover

Von „Ready Player One“ gibt es inzwischen schon mehrere Cover. Das älteste zeigt einen Jungen in Pixelart auf einer ebenfalls in Pixeln angelegten Straße in Regenbogenfarben vor einem schwarzen Hintergrund. Das aktuelle Cover zeigt lediglich Titel und Autor in einem gelben Origami-Look vor einem schwarzen Hintergrund, wobei das „C“ aussieht wie Pacman. Ansonsten sind nur ein weißer Schlüssel und ein Männchen in Pixelart auf dem „O“ abgebildet. Außerdem gibt es noch das Buch zum Film, das als Cover das Filmplakat hat. Das Cover, das ich habe, gefällt mir jedoch am besten. Es zeigt auf der rechten Seite eine einzelne Silhouette einer Person, die scheinbar in die Ferne blickt. Vermutlich handelt es sich hierbei um den Protagonisten Wade. Er steht auf der Anhöhe einer im Vordergrund liegenden Treppe mit einem Geländer zu Linken. Im Hintergrund ist eine futuristische Skyline mit hohen und teils digitalen Gebäuden sowie einer Arena, die ebenfalls nur aus Lichtstreifen zu bestehen scheint. Dadurch verschwimmen reale und digitale Welt genauso wie im Roman. Insgesamt vermittelt das Cover eine moderne, futuristische und leicht geheimnisvolle Atmosphäre, die gut zur Thematik des Buches passt.

Kritik

„Jeder in meinem Alter erinnert sich daran, wo er war und was er gerade getan hat, als er zum ersten Mal von dem Wettbewerb hörte.“, ist der erste Satz des Prologs, der den Titel 0000 trägt. Hieraus lässt sich Folgendes schließen. Erstens, der Protagonist berichtet hier als Ich-Erzähler. Zweitens: Der Wettbewerb, der das zentrale Thema des Buches ist, wird mit einem gigantischen historischen Ereignis gleichgesetzt, ähnlich wie 9/11 oder dem Mauerfall, bei denen sich ebenfalls viele Menschen daran erinnern können, wo sie waren und was sie getan haben, als sie davon hörten. Der erste Satz verrät uns also schon, dass es episch wird! „Ready Player One“ ist in drei Teile unterteilt, die als Level bezeichnet werden. Die 39 Kapitel werden in vier Ziffern aufgelistet, ähnlich wie bei einem alten Scorezähler. Nach dem Prolog 0000 kommen 0001, 0002, 0003, 0004 usw. Die ersten Kapitel haben mich schnell in ihren Bann gezogen. Der starke Auftakt hat in mir direkt eine hohe Erwartungshaltung ausgelöst.

Wade Watts wird am 12. August 2027 in Oklahoma unter prekären Bedingungen geboren. Sein Vater wird von der Polizei erschossen, als dieser einen Lebensmittelladen ausraubte, vermutlich um an Nahrung für seine Familie zu kommen. Zu dem Zeitpunkt ist Wade nur wenige Monate alt. Seine Mutter Loretta arbeitet von da an als Hostess in der OASIS für eine Art Telefonsex-Hotline. Einige Jahre später stirbt sie an einer Überdosis. Anschließend lebt Wade bei seiner ebenfalls drogenabhängigen Tante. Die schwierigen familiären Umstände lassen ihn schon als Kind in die OASIS flüchten, wobei das Videospiel hier ein sprechender Name ist. Eine Oase, ein Rückzugsort, das Paradies in der Hölle. Während Wade sich selbst als übergewichtigen, pickeligen Teenager beschreibt, der Sachen aus der Altkleidersammlung trägt und noch nie eine Freundin hatte, ist er in der OASIS als Parzival spätestens dann ein gefeierter Held, als er den ersten Schlüssel findet, der für die Suche nach dem Easter Egg benötigt wird. In der OASIS werden also vermeintliche Außenseiter wie Wade zu den wichtigsten Personen.

Aber was ist eigentlich genau ein Easter Egg? Als Easter Egg bezeichnet man eine spezielle Besonderheit in Medien, meist Filmen oder Computerspielen, die der Rezipient entdecken oder zumindest verstehen muss. Oftmals wird damit das fiktive Universum gebrochen und auf ein anderes verwiesen. Warren Robinett gilt als Erfinder des Easter Eggs, da er im Atari-Spiel Adventure seinen Namen im Quellcode verewigte. Um ein wenig besser zu verdeutlichen, was Easter Eggs genau sind, nenne ich hier kurz drei Beispiele aus verschiedenen Videospielen. Erstens: Im Spiel American Truck Simulator fährt man als Spieler einen LKW durch Gebiete der USA zu einem vorgegebenen Ziel. Fährt man durch die Stadt Colorado Springs, kann man am Straßenrand vier Mülltonnen erkennen, die sehr stark an die vier Protagonisten Stan, Kyle, Cartman und Kenny aus South Park erinnern, wie sie morgens an der Bushaltestelle stehen. Zweitens: In Cyberpunk 2077 gibt es eine alte Arcade Maschine, an der der Spieler ein Spiel namens Roach Race spielen kann. Darin steuert man ein sich merkwürdig bewegendes Pferd durch einen 2D-Parcours. Roach ist der englische Name von Plötze, der Stute, die Geralt von Riva reitet. Roach Race ist also eine Anspielung auf die Videospiel-Reihe The Witcher. Apropos The Witcher: das dritte Easter Egg findet sich in The Witcher 3. Während einer DLC-Quest gelangt man auf die kleine Insel Kaer Almhult in der Region Skellige. Dort gibt es ein Gefängnis voller Himmelszellen. In einer dieser Zellen liegt der Leichnam eines Halblings auf dem Boden, der Tyrion Lannister erstaunlich ähnlich sieht. Denn in der ersten Staffel von Game of Thrones wird Tyrion ebenfalls in Hohenehr in einer Himmelszelle gefangen gehalten, nachdem Catelyn Stark ihn des Mordversuchs an ihrem Sohn Bran bezichtigt. Ihr seht also, Easter Eggs werden oft dafür genutzt, um die Grenzen einer Welt aufzubrechen und auf ein anderes Fandom zu referieren.

Auch in „Ready Player One“ gibt es zahlreiche Referenzen auf die verschiedensten Fandoms, allen voran aus den 80er-Jahren. Zu den Videospielen gehören vor allem Arcade-Maschinen oder Atari-Spiele wie Pacman, Space Invaders, Joust, Adventure, Black Tiger, Tempest, Donkey Kong oder Burger Time. Außerdem werden viele Filme und Serien wie Blade Runner, Zurück in die Zukunft, Star Wars, Star Trek, WarGames, E.T., Knight Rider, Die Muppet-Show, The Breakfast Club, Nummer Fünf lebt!, Doctor Who, Die Goonies oder Die Ritter der Kokosnuss erwähnt. Hinzu kommen bekannte Bands und Musiker dieser Dekade. wie z.B. Rush, The Cure, Depeche Mode, Duran Duran, AC/DC, David Bowie oder Michael Jackson sowie die weltberühmten Autoren Philip K. Dick, J.R.R. Tolkien und Douglas Adams. Auch andere popkulturelle Elemente, wie das Pen & Paper Dungeons and Dragons oder japanische Anime wie Cowboy Bebop und Neon Genesis Evangelion finden hier Erwähnung. Ich persönlich bin kein Kind der 1980er und habe entsprechend auch nicht alle Anspielungen verstanden, aber wenn Wade als Parzival in einer virtuellen Disco zu Billy Idol’s „Rebel Yell“ tanzt, während R2D2 als DJ auflegt und der klingonische Barkeeper ihm einen Pangalaktischen Donnergurgler kredenzt, kann man schon einen kleinen Nerdgasmus bekommen.

Bevor ich mich aber zu sehr in Schwärmereien vertiefe, muss ich doch einen wichtigen Kritikpunkt einwerfen. Wade ist in diesem Buch gerade einmal 18 Jahre alt, hat aber gefühlt jedes Videospiel gespielt, jeden Film und jede Serie gesehen, die James Halliday in seinem langen Leben ebenfalls gekannt hat. Egal, worum es geht: Wade kann gefühlt alles auswendig. Zum Beispiel auch Monty Pythons Die Ritter der Kokosnuss, welchen er laut eigener Aussage in den letzten sechs Jahren „genau 157 Mal gesehen“ (S. 517) haben soll. Ich hab das mal für euch durchgerechnet: Gerundet müsste Wade diesen Film pro Jahr demnach 26 Mal und damit knapp mehr als zweimal pro Monat gesehen haben, also etwa alle zwei Wochen. Wenn man bedenkt, was er in seiner Freizeit sonst noch alles gesehen, gespielt und gelesen hat, müsste er schon einen Zeitumkehrer haben, um das alles als Teenager erreicht zu haben. Und natürlich ist dann ausgerechnet der Film für die Suche nach dem Easter Egg wichtig, den Wade schon über 100 Mal gesehen hat. Oder hat er andere Filme genauso oft geschaut? Das ergibt alles wenig Sinn und wirkt bestenfalls konstruiert.

Der Schreibstil ist klar und jugendlich. Die Mischung aus einfachen und komplexen Sätzen unterstützen den Lesefluss sehr gut. Auch die Sprache ist modern und bettet technische Begriffe sowie popkulturelle Referenzen perfekt mit ein. Es gibt viele humorvolle Passagen, die die sonst etwas düstere Stimmung der Dystopie auflockern. „Ready Player One“ hat ein hohes Tempo gepaart mit viel Spannung, der die Leserschaft nur so durch die Seiten fliegen lässt. es gibt nur ein oder zwei nennenswerte Längen. An dieser Stelle möchte ich euch auch das Hörbuch empfehlen, das von David Nathan gelesen wird. Er liest den Roman wirklich erstklassig! Das Hörbuch gibt es übrigens kostenlos auf Spotify.

Abschließend möchte ich noch kurz meine Meinung zum Film sagen und die größten Unterschiede zum Buch benennen. Der erste auffällige Unterschied ist das Aussehen der Hauptfiguren. Während Wade sich als übergewichtiger, pickeliger Teenager beschreibt, ziert Schauspieler Tye Sheridan das Cover verschiedener Modemagazine und hat eine Haut wie ein Babypopo. Und auch Olivia Cooke bzw. ihr Avatar Art3mis ist bei Weitem nicht so füllig, wie es im Buch beschrieben wird. Kurzum, in diesem Hollywood-Film wurden die Protagonisten ordentlich verschönert, was die Message, dass Außenseiter zu Helden werden können, leicht entschärft. Der zweite Unterschied ist, dass Wades Avatar Parzival im Film nicht nur Aech bereits kennt, sondern auch die Avatare Daito und Shoto, die er im Buch erst durch ihr Erscheinen auf dem Scoreboard kennenlernt. Ein weiterer Unterschied ist Wades Verhältnis zu seiner Tante Alice, das bei Weitem nicht so schlecht ist wie im Buch. Im Film gibt es auch keine Hinweise darauf, dass sie drogenabhängig sein könnte. Generell weicht der Film inhaltlich immer mehr vom Buch ab, je weiter er fortschreitet. Die Fundorte der drei Schlüssel, die für das Finden des Easter Eggs notwendig sind, haben absolut nichts mit dem Buch zu tun. Die popkulturellen Referenzen im Film sind sowohl moderner (Minecraft, Batman, Shining, WoW, Overwatch) als auch weniger als im Buch. Der Film wurde für ein Mainstream-Publikum also ordentlich glatt gebügelt. Bei Rotten Tomatoes hat „Ready Player One“ zwar solide 72%, eine gute Buchverfilmung ist er aber auf keinen Fall. Schaut ihn euch also nur an, wenn ihr Lust auf einen unterhaltsamen Actionfilm habt, der seine Buchvorlage sehr frei interpretiert.

Das Ende ist sehr spannend geschrieben und bietet ein gigantisches Action-Feuerwerk. Inhaltlich ist der Abschluss aber nicht sonderlich überraschend. Es wird allerdings eine kleine Hintertür offen gehalten, die Lust auf die Fortsetzung „Ready Player Two“ machen soll. An sich ist die Geschichte aber rund abgeschlossen, weshalb sich das Buch auch gut als Einzelband lesen lässt.

Fazit

Bei „Ready Player One“ hatte ich schon von Anfang an eine hohe Erwartungshaltung. Diese wurde auch in vielerlei Hinsicht erfüllt. Die paradiesisch wirkende virtuelle Realität neben der trostlosen echten Welt erschafft ein wunderbares Setting. Die Geschichte des liebenswürdigen Losers, der versucht, seinem traurigen Leben zu entfliehen, indem er das geheimnisvolle Easter Egg findet, macht unheimlich Spaß. Gerade Nerds und Kinder der 1980er werden mit diesem dystopischen Science Fiction-Roman voller popkultureller Anspielungen hier auf ihre Kosten kommen. Doch es geht nicht nur um Fandom, sondern auch um Freundschaft, soziale Probleme und die erste große Liebe. Abgesehen davon, dass Wades unendlicher Pool an Nerdwissen sehr unrealistisch und nicht glaubwürdig ist, gibt es nicht viel an dem Werk von Ernest Cline zu kritisieren. Deswegen erhält der 2017 erschienene Roman von mir vier von fünf Federn. Da die Rezensionen, die ich bisher zu „Ready Player Two“ gelesen habe, mehrheitlich meinten, dass es prinzipiell nur die Wiederholung des Plots des ersten Bandes wäre, habe ich aktuell kein Interesse daran.

Ihr braucht eine Zweitmeinung? Kia vom „Buchensemble“ hat ebenfalls eine sehr lesenswerte Rezension über dieses Buch verfasst:
Buchensemble: Ready Player One