Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere
6. Dezember 2023 0 Von lara

Manchmal ist der Tod besser

Meine Dezember-Rezension 2023


Momentan hänge ich wieder mit der Lesechallenge hinterher und habe erst jetzt mein Buch für den Oktober beenden können. Das Motto lautet: „Hello Witchlings – Lies ein Buch, das in die Spooky Season passt“. Da ich ohnehin mal wieder einen Stephen King lesen wollte, war das für mich die perfekte Gelegenheit. Nachdem ich vor drei Jahren Es gelesen habe, war es nun Zeit für einen weiteren Klassiker des US-amerikanischen Autors: Friedhof der Kuscheltiere. Der Horrorroman erschien 1985 und gilt als Kings kommerziell erfolgreichstes Werk. Er selbst vertritt die Meinung, dass dies die furchtbarste Geschichte sei, die er je verfasst und damit eine persönliche Grenze überschritten habe. Ich habe das Buch im Rahmen der Blogtour als Rezensionsexemplar 2019 erhalten, aber da es keine Vorgabe war, das Buch bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gelesen zu haben, setzte es bei mir leider erst einmal Staub an. Nun bekommt es aber die Aufmerksamkeit, die es verdient hat. An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal herzlich bei Paramount sowie dem Heyne Verlag für das Exemplar bedanken!

Inhalt

Als der Familienvater Louis Creed 1983 eine leitende Stelle als Arzt an der University of Maine annimmt, zieht er mit seiner Frau Rachel, der fünfjährigen Tochter Eileen, kurz Ellie, dem zweijährigen Sohn Gage und dem Kater Winston Churchill, kurz Church, in den beschaulichen Ort Ludlow. Das neue Haus steht direkt an der Route 15, einer vielbefahrenen Hauptverkehrsstraße. Schnell freundet sich Louis mit dem gegenüber wohnendem Nachbarn Judson Crandall und seiner Frau Norma an. Eines Tages zeigt Jud ihm, wohin der Trampelpfad hinter seinem Haus führt. Auf dem sogenannten Haustier-Friedhof begraben die Kinder Ludlows seit Jahrzehnten ihre geliebten Gefährten. Doch ein paar Meilen hinter diesem Friedhof liegt etwas viel Unheimlicheres. Und Jud scheint darüber mehr zu wissen, als er zugibt.

Cover

Da der Horrorroman inzwischen schon fast 40 Jahre alt ist, gibt es zahlreiche Cover. Die meisten Cover zeigen eine schwarze Katze, vermutlich den Kater Church, entweder illustriert oder als Foto. Je nach Ausgabe blickt die Katze gen Himmel oder schaut mit ihren grünen Augen den Betrachter an. Teilweise faucht sie oder macht einen Buckel. Meine Ausgabe zeigt jedoch eines der Filmplakate, da ich das Exemplar im Rahmen der Neuverfilmung von 2019 erhalten habe. Es zeigt ein schiefes Holzkreuz vor einem grauen, wolkenverhangenen Himmel. Im Hintergrund sind zwei kahle Bäume zu sehen. Am Kreuz selbst hängen Spinnenweben und Ketten. Auf dem Querbalken ist „Friedhof der Kuscheltiere“ eingeritzt. Warum der Roman in der deutschen Übersetzung Friedhof der Kuscheltiere heißt, habe ich bis heute nicht verstanden. Im Original heißt er Pet Sematary, also Haustier-Friedhof, wobei die falsche Schreibweise von Cemetery eine Anlehnung daran ist, dass der Friedhof von Kindern errichtet wurde. Mit Kuscheltieren hat das hier rein gar nichts zu tun. In der deutschen Übersetzung ist vom „Haustier-Fritof“ die Rede. Einen Titledrop gibt es nicht. Vermutlich werde ich diesbezüglich ewig ahnungslos bleiben.

Kritik

Noch bevor die eigentliche Geschichte beginnt, gibt es eine Einleitung, in der Stephen King ein wenig über die Entstehungsgeschichte des Romans schreibt. Der Horrorroman hat viele autobiografische Bezüge, denn King hat selbst kurzzeitig an der University of Maine gearbeitet und dabei in einer Kleinstadt an einer Hauptverkehrsstraße gewohnt, auf der die Katze seiner Tochter überfahren wurde. Der Satz „Die Straße hat schon viele Tiere verbraucht“ wurde zu King tatsächlich so gesagt und hat es auch in den Roman geschafft. Einige Meilen hinter dem Haus gab es auch wirklich den Haustier-Friedhof. Er ist also keine Erfindung des Autors. Die Reaktion Ellies auf die Vorstellung, ihr Kater werde eines Tages sterben, ist identisch mit der Reaktion von Kings Tochter Naomi, als ihr Kater Smucky starb, welcher übrigens im Roman auf dem Haustier-Friedhof einen Grabstein hat. Beinahe wäre auch Kings Sohn auf der Straße verunfallt, hätte er ihn nicht in letzter Sekunde gerettet. Die Angst vor dem Tod seines Sohnes war der Schlüsselmoment, der ihn zu Friedhof der Kuscheltiere inspirierte.

„Louis Creed, der als Dreijähriger seinen Vater verloren und der seinen Großvater nie gekannt hatte, wäre niemals auf den Gedanken gekommen, in seinen mittleren Jahren einen Vater zu finden; aber genau das geschah – auch wenn er diesen Mann seinen Freund nannte, was ein Erwachsener im Allgemeinen tun musste, wenn er den Mann, der eigentlich sein Vater sollte, relativ spät im Leben fand.“, ist der erste, sehr ausufernde Satz des ersten Kapitels. Hieraus lässt sich bereits Einiges deuten: Louis Creed ist hier klar der Protagonist. Mit der Erwähnung des Todes seines Vaters wird hier schon das Todesmotiv eingeleitet, das sich durch den gesamten Horrorroman zieht. Außerdem porträtiert es kurz das Verhältnis zwischen Louis und Jud: Sie sind im engeren Sinne Freunde, aber Louis sieht in ihm vor allem eine Vaterfigur. Friedhof der Kuscheltiere ist in drei Teile (Griechische Tragödie lässt grüßen) und einen Epilog unterteilt. Mit über 600 Seiten und 62 Kapiteln ist dieses Buch für Kings Verhältnisse eher mittleren Umfangs.

Protagonist ist der 31-jährige Louis Creed. Über sein Erscheinungsbild erfährt man nur wenig. Was man weiß, ist dass er Arzt und Familienvater ist. Kurzum, ein Vorzeigemann aus dem Bilderbuch. Doch die Fassade bröckelt schnell, denn mit der Zeit werden Eheprobleme offenbart und auch erwähnt, dass Louis vor Jahren mit einer Prostituierten fremdgegangen ist. Zudem hat er ein sehr schlechtes Verhältnis zu seinen Schwiegereltern und ist eher schlecht als recht durchs Medizinstudium gekommen. Er ist ein liebender Vater, der mit allen Kräften versucht, seine Kinder von Unheil zu schützen, wobei er jedoch manchmal zu vergessen scheint, dass auch negative Emotionen Teil des Lebens sind. Louis ist im Gegensatz zu Rachel Realist. Er ist nachdenklich und reflektiert, kann aber auch aufbrausend werden. Außerdem kann er nur schlecht lügen und entwickelt im Lauf der Zeit eine Paranoia, wobei diese nicht unbedingt unberechtigt ist.

Kings Schreibstil ist wahnsinnig einnehmend. Die einfache Alltagssprache gemischt mit bildhaften Vergleichen kreiert eine mysteriöse und teils unheimliche Atmosphäre des Familienhauses mit der gefährlichen Route 15 davor und dem geheimnisvollen Wald dahinter. Das Tempo des Romans variiert. Mal strecken sich Dialoge über dutzend Seiten, dann vergehen wieder zwei Monate in einem kurzen Kapitel. Der mystische Horror, für den King so berühmt ist, ist jedoch nur ein Teil des Romans, der anfangs nur unterschwellig erscheint, und im Verlauf immer mehr an Fahrt aufnimmt. Der wahre Horror liegt, wie schon bei Es, in der realen Welt. Der Tod als omnipräsentes Leitmotiv, der zum Leben stets dazu gehört, liegt wie ein Schatten über der Geschichte. Es gibt nicht verarbeitete Todesfälle, extreme Trauer und selbstverständlich Begräbnisse. Schnell wird klar: Egal, wie sehr man versucht, dem Tod zu entkommen, letztendlich holt er doch jeden von uns. Die Moral der Geschichte ist glasklar: Manchmal ist der Tod besser. Besser als eine Hölle auf Erden. Wer die Toten nicht in Frieden ruhen lässt, wird einen hohen Preis dafür zahlen.

Inzwischen gibt es schon zwei Verfilmungen von Friedhof der Kuscheltiere, eine von 1989 sowie eine modernere von 2019. Beide Filme sind bei Rotten Tomatoes allerdings schlecht bewertet und erreichen lediglich einen Score von 54% bzw. 57%, wobei zumindest die ältere Fassung bei den Zuschauern noch einigermaßen gut ankam. In der älteren Verfilmung gibt es als kleinen Bonus einen Gastauftritt von King als Pfarrer. Kritisiert wird dort vor allem die schauspielerische Leistung und das Herunterbrechen der Handlung auf das Minimum. Denn wie schon angemerkt ist nicht das Erschreckendste, was passiert, sondern warum es passiert. Die neue Verfilmung kann mit einem besseren Cast und einem atmosphärischen Setting punkten, jedoch weicht der Film, wie sich bereits am Trailer erkennen lässt, zu weit von der Romanvorlage ab und verstrickt sich in Widersprüchen, aus denen sich die Drehbuchautoren nicht mehr herauswinden können. Außerdem misslingt es auch diesem Film den psychologischen Horror herauszuarbeiten, der einen rationalen Mann dazu bringt, Rechtfertigungen dafür zu finden, sich entgegen all seiner Überzeugungen zu verhalten. Mich persönlichen schrecken die überwiegend schlechten Kritiken der Filme zu sehr ab, um sie mir ansehen. Deswegen bleibe ich lieber beim Buch.

Allgemein gibt es am Horrorroman wenig auszusetzen. Lediglich die zweite Hälfte hängt im Plot dann doch ein wenig durch. Man kann dies jedoch als klassischen retardierenden Moment verschmerzen. Völlig fesseln konnte mich Friedhof der Kuscheltiere jedoch nicht, auch wenn ich nicht konkret benennen kann, warum der letzte Funke nicht überspringen wollte. Das Finale übertrifft sich selbst und ist mit Abstand der unheimlichste Part des Buches. Zudem gibt es ein offenes Ende, das die Leserschaft mit ihrer Fantasie alleine zurück lässt. Ich bin kein großer Fan von offenen Enden, denn auch wenn ich eine Theorie habe, wie es weitergeht, habe ich stets den Drang, den Autor fragen zu können, welchen Fortgang er sich für seine Figuren überlegt hat. Ohne zu spoilern kann ich euch aber verraten, dass der letzte Satz euch einen Schauer über den Rücken jagen lassen wird.

Fazit

Auch wenn Stephen King der Meinung ist, mit diesem Buch eine Grenze überschritten zu haben, ist es meiner Ansicht nach nicht sein unheimlichstes Werk. Es hat mich damals mehr gegruselt und mich mit seinem Horror gepackt. Trotz Längen in der zweiten Hälfte ist Friedhof der Kuscheltiere aber ein sehr guter Horrorroman. Der Tod ist ein omnipräsentes Motiv, das sich selbst in kleinsten Details durch das Buch zieht. Die Moral der Geschichte ist klar: Manchmal ist der Tod besser. Und wer den Tod einer geliebten Person nicht akzeptieren kann, richtet sich damit auf Dauer nur selbst zugrunde. Der Horrorroman aus dem Jahr 1985 ist absolut lesenswert und stilistisch sogar besser als Es, weshalb ich diesem Buch vier von fünf Federn gebe. In den nächsten Jahren möchte ich unbedingt weitere Bücher von King lesen, wie zum Beispiel Carrie, Shining oder The Green Mile.