Throne of Glass – Der verwundete Krieger

Throne of Glass – Der verwundete Krieger
23. August 2023 0 Von lara

Der ungewöhnlichste Band der Fantasy-Saga

Meine zweite August-Rezension 2023

Es ist August. Spätsommer. Semesterferien. Und ich lese immer noch an Throne of Glass von Sarah J. Maas, nicht zuletzt, weil ich für die Uni viel zu erledigen habe. Inzwischen habe ich Band 6 der siebenteiligen Reihe abgeschlossen, der 2018 erschienen ist. Der verwundete Krieger ist, wie mir schon vorher gesagt wurde, der ungewöhnlichste Band der High Fantasy-Saga. Er weicht vom eigentlichen Plot ab, da er seinen Fokus ganz auf Chaol Westfall und seinen Genesungsprozess lenkt. Dafür muss er auf einen anderen Kontinent reisen, weit weg von der Haupthandlung und ihre Figuren. Vermutlich deswegen ist der sechste Band auch der unbeliebteste der Reihe. Manche kritisieren ihn dafür, langatmig und nicht wirklich eine Fortsetzung zu sein, da die Handlung parallel zum fünften Band verläuft. Doch für mich war der Perspektivwechsel erfrischend und ich finde, dieser Band hat seine Daseinsberechtigung, auch wenn er nicht perfekt ist.

Inhalt

Der 23-jährige Chaol Westfall ist seit seinem Duell mit dem König Adarlans querschnittsgelähmt. Da ihm in Erilea niemand heilen kann, wird er auf den südlichen Kontinent in die Hauptstadt Antica geschickt. Dort steht die Torre Cesme, die größte Heiler-Akademie der bekannten Welt, in der Heilerinnen und Ärzte Hand in Hand arbeiten. In Begleitung von Nesryn Faliq wird er freundlich vom Großkhan Urus und seinen Kindern empfangen, doch der Tod der jüngsten Königstochter überschattet das Treffen. Chaol wird die fähigste Heilerin der Akademie, Yrene Towers, zugewiesen. Allerdings sträubt diese sich dagegen, einem Bediensteten des grausamen Königs von Adarlan zu helfen. Chaol muss nicht nur um seine Genesung kämpfen, sondern auch um Yrenes Akzeptanz. Zudem muss er untersuchen, ob der Tod der jungen Tumelun mehr als ein Unfall war.

Cover

So anders wie dieser Band im Allgemeinen ist, weicht auch das Cover ein wenig von den anderen Bänden ab. Während es ansonsten Ganzkörper-Illustrationen von Celaena bzw. Aelin waren, ist es hier eine Zeichnung eines jungen Mannes, der nur bis zur Hüfte gezeigt wird. Seine Kapuze ist tief ins Gesicht gezogen und wirft einen Schatten, sodass sich die Augen nur noch erahnen lassen. Die bartlose Mundpartie lässt sich allerdings gut erkennen. Er trägt eine schwarze Tunika mit einem dunklen Kapuzenumhang und zwei Gürtel übereinander. An seiner rechten Hüfte trägt er ein Schwert mit einem auffälligen Knauf, an dessen Spitze ein goldener Adler ist. Spätestens da war mir klar, dass es Chaol Westfall sein muss, der genau so ein Schwert besitzt. Die Liebe zum Detail ist bei den Illustrationen so groß. Das erklärt auch, warum Chaol nur bis zur Hüfte abgebildet ist: er ist querschnittsgelähmt. Den unteren Teil seines Körpers kann er nicht bewegen oder spüren. Es ist bewundernswert, wie sehr auch dieses Buch sich im Cover von den anderen Bänden hervorhebt und zeigt, dass es der ungewöhnlichste Band der Fantasy-Saga ist.

Kritik

„Chaol Westfall, ehemaliger Captain der königlichen Garde und jetzt rechte Hand des frisch gekrönten Königs von Adarlan, hasste ein Geräusch inzwischen mehr als jedes andere.“, ist der erste Satz des ersten Kapitels. Ein guter Hook, der den Leser schnell mit sich zieht auf den aufregenden, neuen Kontinent südlich von Erilea und Chaol als Dreh- und Angelpunkt dieses Buches vorstellt. Auf über 800 Seiten mit 68 Kapiteln plus einem Epilog werden wir vorerst nichts mehr von Aelin hören. Fast nichts.

Dafür rückt jetzt aber eine andere weibliche Figur wieder mehr in den Vordergrund: Nesryn Faliq. Von einer Rebellin ist sie inzwischen zum Captain der königlichen Garde Adarlans avanciert und damit Chaols Nachfolgerin. Sie hat schwarze Haare und Augen sowie einen gebräunten Hautton. Der südliche Kontinent ist Nesryns Herkunft. Während ihres Aufenthalts in Antica ist sie also nicht nur Chaols Begleitung, sondern auch auf der Suche nach ihren Wurzeln. Das Verhältnis zwischen den beiden ist schwierig. Sie waren nicht wirklich ein Paar, hatten aber eine Beziehung auf sexueller Ebene. Seitdem Chaol gelähmt und Nesryn Captain der Garde ist, sind die Fronten ungeklärt. Beide sind sich unsicher, wie sie sich dem anderen gegenüber verhalten sollen. Unter der Oberfläche brodelt das Konfliktpotenzial. Dadurch, dass Nesryn hier auch einen Erzählstrang übernimmt, ist sie eine wichtige Figur. Nicht nur Nesryn findet hier den Weg zu sich selbst, sondern der Leser auch mehr Zugang zu ihr. Anfangs wirkt sie kühl und verschlossen. Dahinter verbirgt sich aber eine mutige, loyale und humorvolle Kriegerin, eine wahre Powerfrau.

Gerade, da ich den letzten Band weniger mochte, ist der neue Kontinent mit seiner orientalischen Atmosphäre eine angenehme Abwechslung. Es werden neue Figuren eingeführt und das Worldbuilding erweitert. Für eine High Fantasy-Welt ist Throne of Glass zwar wenig innovativ, so sind Flora und Fauna fast identisch zu unserer Welt, und Drachen sind auch keine neue Erfindung. Aber der sechste Band tut der Reihe wirklich gut. Es gibt ein neues Königshaus mit einer außergewöhnlichen Erbfolge, mehrere Clans von Reitern fantastischer Wesen sowie eine andere polytheistische Religion. Alles in allem habe ich den Ausflug auf den neuen Kontinent sehr genossen.

Maas‘ Schreibstil ist in diesem Band auch angenehmer. Es gelingt ihr mithilfe detaillierter Beschreibungen der Handlungsorte, Leben in die Geschichte einzuhauchen. Auch wenn die Sprache allgemein einfach und modern ist, hat sie damit eine gewisse Leichtigkeit. Die Handlung ist insgesamt temporeich, es gibt aber immer wieder Durststrecken. So sehr ich die Atmosphäre auch mag, man hätte gut 100 Seiten aus diesem Schinken streichen können. Unter der Länge hat auch der Spannungsbogen zwischendurch zu leiden. Er wird aber immer wieder von gut platzierten Wendungen angehoben. Auch die Diversität der Figuren und das subtile Einbetten von Homosexualität, ohne es dabei in den Mittelpunkt zu stellen, sind wunderbar umgesetzt. Ich kann also immer wieder betonen: der sechste Band ist besser als der fünfte.

Allerdings gibt es einen Fehler, über den ich als angehende Biologin heftigst gestolpert bin. Sowohl am Anfang als auch am Ende des Buches wird bei Chaos Heilungsprozess beschrieben, wie Yrene mithilfe von Magie die „Keimzellen“ in seinem Rücken stimuliert, um die gekappten Nervenbahnen wieder miteinander zu verbinden. Allerdings sind Keimzellen nicht im Rücken von Menschen zu finden, sondern in den Geschlechtsorganen. Denn Keimzellen sind synonym zu den haploiden Gameten, die der Fortpflanzung dienen, also Eizellen und Spermien. Die Vorstellung, dass sich in Chaols Rückenmark Spermien befinden sollen, ist unfreiwillig komisch. Vermutlich meinte Maas eigentlich Stammzellen. Es ist schwierig zu beurteilen, ob der Fehler jetzt bei Maas, der Übersetzung oder dem Lektorat liegt. Einmal googlen hätte das Problem aber definitiv gelöst. Für eine Bestseller-Reihe ist dies meines Erachtens nach ein peinlicher Fehler.

Zwischendurch habe ich auch das ungekürzte Hörbuch mit einer Länge von fast 25 Stunden gehört. Gelesen wird dieser Band von Oliver Kube und nicht von Ann Vielhaben wie die anderen sechs Bände. Auch das zeigt noch einmal, wie sehr sich Der verwundete Krieger vom Rest der Reihe abhebt. Kube hat ein recht langsames Lesetempo, woran ich mich erst einmal gewöhnen musste. Mit der Zeit habe ich seine Stimme aber als angenehm empfunden. Wie er Namen oder Orte ausspricht bzw. grundsätzlich betont, hat mir sogar besser gefallen als bei der Sprecherin. Gerade bei besonders dicken Büchern liebe ich die Möglichkeit, das Hörbuch hybrid zu nutzen.

Das Finale ist wahnsinnig emotional. Natürlich gibt es auch einen Kampf, aber ganz besonders gut an diesem Ende sind die Dialoge, die noch einmal die Magie, Leidenschaft und Intrigen aufweisen, für die Throne of Glass so bekannt ist. Chaols Geschichte hat mir den erhofften Aufschwung und die Vorfreude auf den letzten Band der Reihe gegeben.

Fazit

Ich kann nur wiederholen, dass Der verwundete Krieger von Sarah J. Maas der ungewöhnlichste Band der Reihe, aber nicht der schlechteste ist. Im Vergleich zum fünften Band ist er spürbar besser, auch wenn das eine Unpopular Opinion ist. Chaol ist nahbarer geworden, das Worldbuilding wird erweitert und diese orientalische Atmosphäre passt perfekt zum Sommer. Das kann aber nicht über die Überlänge und die Spermien in Chaols Rücken hinweg täuschen (das klingt so komisch). Insgesamt ist der sechste Band von Throne of Glass aus dem Jahr 2018 also ein guter, aber nicht überragender High Fantasy-Roman. Deswegen erhält er von mir drei von fünf Federn. Ich bin jetzt sehr motiviert, den letzten Band Herrscherin über Asche und Zorn zu lesen.