Die Schöpferin

Die Schöpferin
17. September 2022 0 Von lara

Nur aus dem Halbvollen geschöpft

Meine September-Rezension 2022


Mit Die Schöpferin endet die vierteilige Fantasy-Reihe Die Magie der 1000 Welten von Trudi Canavan. Insgesamt ist das bereits das 14. Buch von der australischen Autorin, das ich gelesen habe. Angefangen habe ich mit der Trilogie Die Gilde der schwarzen Magier, in der es um eine junge Frau aus armen Verhältnissen geht, die plötzlich entdeckt, dass sie Magie anwenden kann. Danach habe ich die Trilogie Das Zeitalter der Fünf gelesen, in der sich eine Priesterin verbotenerweise in einen ihrer Götter verliebt. Anschließend folgte der Einzelband Magie, der die Vorgeschichte von Die Gilde der schwarzen Magier erzählt, allerdings Jahrhunderte zuvor mit einer anderen Protagonistin. Einige Jahre später, als ich gerade mein Abitur machte, folgte dann noch die Sonea-Trilogie, die ein Sequel der Gilde der schwarzen Magier ist und die Geschichte des Sohnes der vorherigen Hauptfigur fortsetzt. Somit habe ich alle Romane von Canavan gelesen, die es gibt. Der aktuellste ist Die Schöpferin, der 2020 erschien.

Inhalt

Fünf Jahre, nachdem Qall sich als Valhans Nachfolger behaupten konnte und sich in Rielles Heimatwelt zurückgezogen hat, bereist Rielle Lazuli als Schöpferin die tausend Welten und stellt die sogenannten toten Welten, jene ohne Magie, wieder her. Als Rielle den Weltenherrscher nach einem Jahr wieder besuchen möchte, ist seine Tarnung als vermeintlicher Engel aufgeflogen. Zur Strafe soll er hingerichtet werden. Rielle versucht, ihn aus der Gefangenschaft zu befreien, doch eigentlich hat sie ganz andere Sorgen. Sie befürchtet, für den sogenannten Schöpferfluch verantwortlich sein, eine uralte Prophezeiung, die den Untergang aller Welten vorhersagt. Um dieses Geheimnis zu lüften, braucht sie die Hilfe ihres ehemaligen Geliebten Tyen Eisenschmelzer.

Cover

Dieses Cover ist meiner Meinung nach eines der schönsten aus der Reihe. Eine Illustration zeigt eine junge Frau vor schwarzem Hintergrund. Sie trägt ein langes, blaues Kleid mit Korsage und Ärmeln bis zu den Ellbogen, wobei der Stoff von dort weiter nach unten fließt. Die Frau, vermutlich Rielle, trägt eine blaue Kapuze, durch die man nur die untere Hälfte ihres Gesichts erkennen kann. Dass sie helle Haut und braune Haare hat, spricht allerdings eher dagegen, dass es sich hier um Rielle handelt, da diese im Buch als etwas dunklerer Typ beschrieben wird. Sie hält beide Hände auf Schulterhöhe nach oben. Über ihren Handflächen bildet sich jeweils ein helles, magisches Licht. Um ihren Körper liegen weiße, senkrechte Lichtstreifen, die den Anschein erwecken, die junge Frau hätte sich gerade her teleportiert. Es handelt sich höchstwahrscheinlich um Rielle, wie der Titel schon erahnen lässt, deswegen ist es schade, dass sie nicht auf ihre Beschreibung im Buch passt.

Kritik

„Der Ankunftsort war kreisförmig von drei niedrigen Mauern umgeben, von innen nach außen ansteigend, als wären es Sitzreihen um eine Bühne.“, ist der erste Satz des ersten Kapitels. Erneut ist das Buch in zehn Teile unterteilt, in denen sich die Protagonisten Rielle und Tyen mit ihrer personalen Erzählperspektive im Präteritum abwechseln. Mit fast 700 Seiten ist Die Schöpferin nur unwesentlich kürzer als der direkte Vorgänger und insgesamt ähnlich lang wie alle anderen Werke dieser Reihe. Das erste Kapitel sowie der erste Teil allgemein ist aus Rielles Perspektive geschildert, die gerade eine Welt betritt, der sie die Magie zurückgeben will. Schnell stellt sich heraus, dass sie schon einmal in dieser Welt war, nämlich vor fünf Jahren, als Qall sie dort zurückgelassen hatte, weil er sich Dahlis Gefolgschaft angeschlossen hat. Für diejenigen, die also die ersten drei Bände gelesen haben, wird dies ein Wiedersehen mit alten Bekannten.

Qall sollte ursprünglich nur den Körper bieten, der die Hülle für Valhans Seele sein sollte. Dadurch hätte der Raen, der Herrscher aller Welten, wiederbelebt werden können. Dies hätte aber auch den Tod des Jungen bedeutet, weshalb Rielle ihn in letzter Sekunde gerettet hat. Doch der sogenannte Musterwandel, eine bestimmte Form der Magie, hat bei Qall einen bleibenden Schaden hinterlassen. Er hat sein Gedächtnis verloren und sieht haargenau so aus wie Valhan mit seiner blassen Haut und seinen schwarzen Haaren. Deswegen versteckte Rielle ihn bei der Familie ihres ehemaligen Verlobten Baluka. Auch wenn Qall in seiner Persönlichkeit immer wieder als das Gegenteil von Valhan beschrieben wird, ist er doch schwer zu fassen. Er ist der mächtigste Zauberer der Welt, sehr intelligent, aber teilweise auch egoistisch, frech und unüberlegt. Ich persönlich bin mit ihm nicht wirklich warm geworden. Durch die magische Prägung auf Valhan steckt immer noch ein Teil des Bewusstseins des alten Raen in Qall, weshalb ich ihm nie trauen wollte.

Interessant ist aber, dass Canavan mit Qall den ersten bisexuellen Charakter eröffnet, wie man bereits früh im Buch erfährt. Homosexuelle Figuren hat die Autorin schon früher eingebaut, bspw. Dannyl in Die Meisterin oder hier Dahli und Zeke. Ich finde es gelungen, wie sie diese Beziehungen selbstverständlich mit einbaut ohne das Thema zu sehr aufzublasen. Die Pärchen sind einfach da, ohne dass es hinterfragt oder politisiert wird, zumindest in dieser Reihe. Das zeigt auf ganz unaufgeregte Weise, wie Canavan zu dieser Thematik steht. Ganz großes Lob dafür!

Weniger Lob gibt es wieder für ihren Stil. Ich habe mich in der Rezension zu Die Mächtige bereits zu genüge darüber aufgeregt, dass Canavan viel zu viele wiederholende Floskeln der Gestik und Mimik verwendet. Das hat sie schon immer getan, aber ich denke, dass ich inzwischen erfahrener und kritischer bin, um darüber noch hinwegzusehen. In diesem Band wendet sie diese Floskeln zwar etwas weniger an, trotzdem ist es auf Dauer ermüdend. Früher war Canavan eine meiner liebsten Autorinnen. Das muss ich inzwischen jedoch etwas revidieren, da sie eindeutig nicht den besten Schreibstil hat. Auch das Tempo ist einer der größten Kritikpunkte, der regelmäßig an ihr kritisiert wird. Zwar hat Die Schöpferin nicht mehr so viele Längen wie der direkte Vorgänger, bei fast 700 Seiten lassen sich diese aber auch nicht völlig vermeiden. Spannung kommt bei Canavan vor allem im Finale auf, dann aber gewaltig und entschädigt für so manche Durststrecken.

Vorher aber noch ein paar Anmerkungen zum Worldbuilding, denn das ist auf den zweiten Blick leider nicht lupenrein. Das Konzept der Geschichte ist, dass die Hauptfiguren in der Lage sind, durch die zahllosen Parallelwelten zu reisen. Sie können sich mithilfe von Magie in eine Zwischendimension bewegen, um von dort aus in eine benachbarte Welt zu reisen. Dabei werden diese Welten jedoch viel mehr behandelt wie Planeten, auf die man sich sozusagen teleportieren kann. Zwar wird auch immer wieder angerissen, dass manche Welten mehrere Monde oder sogar Sonnen haben, das Prinzip eines Sonnensystems liegt also vor, dennoch gibt es in jedem Paralleluniversum immer nur eine Welt, belebt oder unbelebt, die bereist wird. Auch die physikalischen Gesetze werden mal eben auf nichtmagische Weise aufgehoben, scheint die Gravitation doch, egal wie groß oder klein der Planet sein mag, stets gleich zu sein. Die Konstruktion schier unendlicher Parallelwelten bietet viele Entfaltungsmöglichkeiten, weist jedoch eher auf, wie oberflächlich und behelfsmäßig Canavan hier bleibt. Mal besteht eine Welt nur aus einem Volk mit einer Stadt, mal gibt es mehrere Länder mit politischen Zwistigkeiten, so wie es in den Plot passt. Deswegen gelingt es der Autorin mit dieser Reihe auch nicht wirklich, eine komplexe Fantasy-Welt aufzubauen. Rielle ist Schöpferin, Canavan schöpft leider nur aus dem Halbvollen und verschenkt ihr vorhandenes Potenzial. Zu allem Überfluss heißt eine der Welt Affen. Affen! Auf Englisch mag dieses Wort keine Bedeutung haben, aber die deutschsprachige Leserschaft wird unwillkürlich an behaarte Primaten denken müssen. Warum hat die Übersetzerin sich hier nicht einen anderen Namen überlegt, um diese mitschwingende Lächerlichkeit des Namens zu verhindern? Sie hat doch schließlich schon Vella Pergama getauft, ein wahnsinnig dämliches Wortspiel dafür, dass die Frau jetzt aus Pergament ist. Aber Affen? Das passt so!

Wer sich noch überlegt, sich die Bücher zuzulegen, sollte sich übrigens selbst einen Gefallen tun und die Klappentexte möglichst nicht lesen. Die sind nämlich entweder falsch, lückenhaft oder Spoiler. Bei Die Begabte heißt es zum Beispiel, Tyen hätte sich unsterblich in Pergama verliebt, obwohl diese Liebe in Wahrheit rein platonisch ist, aber weit weg von der Lovestory, die hier versprochen wird. Dass es hier einen genauso großen Erzählstrang von Rielle gibt, wird dagegen völlig ignoriert. Noch schlimmer ist der Klappentext zu Der Wanderer, der einfach mal das gesamte Buch spoilert. Achtung, Spoiler zu Der Wanderer! Dort wird verraten, dass es den Rebellen gelingt Valhan zu töten, aber dass es eine Möglichkeit gibt ihn wiederzubeleben. Das passiert aber erst auf den letzten 100 Seiten des Schinkens. Wer den Klappentext gelesen hat, kann sich das Buch also schon fast sparen. Und wenn man denkt, es könnte nicht schlimmer kommen, liest man dann den Klappentext zu Die Mächtige, in dem es heißt, dass Valhans Seele im Körper des jungen Hanari gefangen sei. Doch wer zum Geier ist Hanari? Es gibt in der gesamten Reihe keine einzige Figur mit diesem Namen. Nur in Canavans Prequel Magie gibt es einen Sklaven namens Hanara. Hier ist dem deutschen Verlag also ein Fehler unterlaufen, denn die Rede ist eigentlich von Qall. Hinzu kommt, dass unter dem Text noch der Kommentar steht, dass der dritte Band der packende Abschluss der Reihe sei, dabei hat Die Magie der 1000 Welten inzwischen vier Bände. Auch der Klappentext zu Die Schöpferin ist zwar in vielerlei Hinsicht besser, aber nicht optimal. So wird in den ersten Sätzen behauptet, die Magie würde aus den Welten verschwinden. In Wahrheit verschwindet nur aus vereinzelten Welten die Magie und es ist auch nicht die große Apokalypse, die das Finale bestimmt.

Das wichtigste am Abschluss einer Reihe ist natürlich das spektakuläre Ende. Das gibt es hier nur bedingt. Es ist irgendwie nur ein halbes Finale, da man die andere Hälfte bereits in Die Mächtige findet. Man merkt einfach, dass die Reihe ursprünglich als Trilogie angedacht war und das eher unrunde Ende des dritten Bandes noch einmal zu einem richtigen Abschluss geführt wurde. Das durchaus spannende, aber sehr kurze Finale ist hier mehr Mittel zum Zweck. Es hat nicht diese atemberaubende Wirkung, die andere Abschlüsse von Canavans Reihen haben. Erwartungshaltungen wurden kaum gebrochen, überraschende Wendungen sind rar. Dennoch kann man mit dem letzten Band einigermaßen zufrieden sein.

Fazit

Insgesamt ist Die Schöpferin besser als der dritte Band. Auch Die Magie der 1000 Welten ist im Allgemeinen ganz gut, kommt aber nicht an andere Reihen wie Das Zeitalter der Fünf oder Die Gilde der schwarzen Magier heran. Daran tragen eine ungeschickte Übersetzung sowie fehlerhafte oder spoilernde Klappentexte eine Mitschuld, für die die Autorin nichts kann. Deswegen sehe ich über diese Makel größtenteils hinweg. Zu kritisieren sind trotzdem Trudi Canavans monotoner Schreibstil, ein oberflächliches Worldbuilding, vereinzelte Längen sowie ein zu knappes Ende. Dennoch gibt es liebenswürdige Protagonisten, magische Szenen und atmosphärische Momente. Wer Fan von Trudi Canavan ist, sollte der vierteiligen Reihe eine Chance geben, denn sie hat durchaus ihre Stärken. Wer noch kein Buch der Fantasy-Autorin gelesen hat, sollte besser erst mit der Gilde der schwarzen Magier beginnen, deren Ende unfassbar mitreißend ist. Trotz allen Minuspunkten möchte ich dem letzten Band der Reihe aus dem Jahr 2020 drei von fünf Federn geben. Meine Haltung zu Canavan hat unter der Reihe etwas gelitten und nach gut 2800 Seiten und drei Monaten bin ich froh, etwas anderes lesen zu können.