Interview mit Hanna Caspian

Interview mit Hanna Caspian
3. September 2022 0 Von lara

„Ich will zeigen, wie die Vergangenheit wirklich war.“

Nach einer kurzen Pause kommt heute das Format des Autoreninterviews wieder. Es ist mir eine besonders große Ehre, euch mein Interview mit der Spiegel Bestseller-Autorin Hanna Caspian zu präsentieren. Die deutsche Autorin schreibt überwiegend historische Romane in Verbindung mit Familiensagas. Ich habe mit ihr über den Auftakt ihrer neuen Trilogie „Schloss Liebenberg“, Downton Abbey, Löwenzahnsalat und was man aus der Geschichte lernen kann gesprochen. Das Interview ist das längste, das ich bisher veranstaltet habe, und es lohnt sich wirklich, diese sympathische Autorin näher kennenzulernen.

Lara: Hanna Caspian, es freut mich sehr, dass Du dir für das heutige Interview mit mir Zeit nimmst. Wie bei den anderen Autorinnen werde ich dich erst einmal für jene vorstellen, die dich vielleicht noch nicht kennen. Hanna Caspian ist eigentlich ein Pseudonym, unter deinem bürgerlichen Namen Regina Gärnter hast Du aber auch drei Bücher veröffentlicht. Du wurdest im Dezember 1964 in Dinslaken geboren, hast in Aachen Literaturwissenschaft, Sprachen und Politikwissenschaft studiert, und lebst heute mit deinem Mann in Köln. Unter dem Namen Hanna Caspian erschienen bereits acht historische Romane von dir, davon sieben bei Droemer Knaur. Mit „Hinter dem hellen Schein“ ist am 1. September der achte Roman bei diesem Verlag erschienen. Dies ist der Auftakt der Trilogie „Schloss Liebenberg“, die vor dem Hintergrund der Harden-Eulenburg-Affäre spielt. Wie viel Realbezug steckt in diesem Werk? Was ist wirklich so passiert und was ist fiktiv?

Hanna Caspian: Die Dienstboten sind alle fiktiv. Der Tafelherr von Schloss Liebenberg, Fürst von Eulenburg, ist real und derjenige, um den es in meinem Buch auch geht. Er war ein sehr enger Berater des Kaisers. Ihn lasse ich auch ein paar Mal auftreten, aber nicht allzu oft. Über die Fürstentöchter weiß man nicht viel, deshalb reduziere ich das stark. Aber dafür tobe ich mich bei meinen fiktiven Figuren aus und platziere sie so, wie ich sie brauche, um die Hintergrundgeschichte zu erzählen. Das Konzept der Harden-Eulenburg-Affäre ist eine wahre Geschichte von reichen, politisch einflussreichen Männern, die dem Kaiser nahestanden oder gegen ihn gearbeitet haben. Es ist historisch gesichert eine Geschichte von Homosexualität. Kuno von Moltke war der Liebhaber von Philipp von Eulenburg. Als dies öffentlich wurde, stürzte der Fürst als einer der gefragtesten Männer des deutschen Kaiserreiches ins Nichts. Das ganze Geschehen hat viele Jahre Vorlauf. In einer Männergesellschaft fällt es eben nicht so auf, wenn Männer sich nur mit Männern umgeben. Durch den Skandal wurde aber auch eine Hexenjagd auf schwule Männer losgetreten. Meine Motivation, historische Bücher zu schreiben, ist es auch das Leben der breiten Bevölkerung zu zeigen. In der Regel war diese arm bis sehr arm. Es gab eine dünne gebildetere Schicht und dieses eine Prozent Adelige, die das komplette Leben durch Gesetzgebung, Justiz, Finanzen und Besitz bestimmt haben. Ich will zeigen, wie die Vergangenheit wirklich war. Wenn man heute Filme guckt, sieht man oft nur die Oberschicht. Ich wollte sie aber mit der unteren Schicht zusammen bringen, weil das an sich ein Konflikt ist, in dem viel Zündstoff steckt. Deswegen erzähle ich meine Geschichte über diesen Skandal, der eine Stellschraube für den Ersten Weltkrieg war, aus der Perspektive der Dienstboten und lasse sie bei diesem luxuriösen Leben zugucken. Sie wohnen unter demselben Dach, aber ihr Leben könnte nicht unterschiedlicher sein.

Lara: In „Hinter dem hellen Schein“ geht es um die 18-jährige Adelheid, die 1906 eine Stelle als Stubenmädchen im Schloss Liebenberg antritt. Auch deine erfolgreiche Reihe „Gut Greifenau“ spielt im frühen 20. Jahrhundert in der Kaiserzeit. Was ist es, das dich an dieser Zeit so besonders fasziniert? Wo liegen für dich die größten Unterschiede zwischen den beiden Reihen, die, zumindest auf dem ersten Blick, viele Parallelen haben?

Hanna Caspian: Also erstens kenne ich mich gut mit dem Thema aus. Das macht beim Schreiben vieles einfacher. Thematisch muss mich einfach etwas anspringen, bei dem ich denke, dass ich das sehr spannend finde. Für mich ist es wichtig, dass ein Thema eine Relevanz hat. Das 20. Jahrhundert hat ja eine maßgebliche Relevanz. Nach 1945 kommt die Trennung der beiden deutschen Staaten, dann kam 1961 der Mauerbau, der zu einem krassen Systemwechsel führte. Die Mauer ist seit über 30 Jahren gefallen und die Leute sprechen heute noch von Ossis und Wessis. Dass das noch so stark in den Köpfen der Menschen steckt, kann ich nicht verstehen. Dennoch hallt dies alles bis heute nach. Wenn ich an meine Eltern oder Großeltern denke, die ihre Kindheit während des Zweiten Weltkriegs oder sogar der Weimarer Republik verbracht haben, dann weiß ich, dass dies vor allem die Leute sind, die mich mit ihren Ansichten am meisten beeinflusst haben. Ihre Lebensweisen, Erfahrungen und Geschichten haben auch mich geprägt. Sie haben mich als Kind, Jugendliche und jungen Menschen geformt. Dazu stelle ich mir immer die Frage: Wieso sind die Dinge letztendlich so gekommen, wie sie gekommen sind? Das alles zusammen führt unweigerlich zur Kaiserzeit. Der wichtigste Unterschied zwischen Gut Greifenau und Schloss Liebenberg ist, dass Schloss Liebenberg nur aus der Sicht der Dienstboten erzählt wird. Es kommen Fürsten und Fürstinnen vor, aber es gibt keine Herrschaftsperspektive, sondern nur die der Dienstboten. Bei Gut Greifenau war diese Perspektive nicht so stark. Ich wollte jetzt aber den Dienstboten mehr Aufmerksamkeit widmen. Man muss sich mal vorstellen, dass sie den ganzen Tag geackert haben. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ich, wenn ich von sechs Uhr morgens bis halb Zwölf nachts arbeiten muss, ich meine Herren für nette Kerle halte. Die schlafen länger, dann muss man ihnen hinterlaufen, den Abort leeren und zwischendurch wienern und dabei immer noch freundlich sein. Also ich hätte da keine Lust darauf gehabt. Das ist natürlich eine moderne Sichtweise, aber ich wollte eben zeigen, wie die Realität aussah. Schloss Liebenberg ist auch weniger idyllisch als Gut Greifenau. Außerdem bleibe ich deutlich mehr auf dem Schloss, da die Dienstboten natürlich nicht die Möglichkeit hatten zu reisen. Die hatten keinen Urlaub, nur Sonntag Nachmittag frei, da kommt man nicht weit. Ich wollte vor allem das Leben von unten zeigen, das mir in vielen Romanen und Filmen zu kurz kommt.

Lara: Die sechsteilige Reihe „Gut Greifenau“ war bisher deine erfolgreichste. Sie kletterte teilweise bis auf Platz 6 der Spiegel Bestsellerliste und wird häufig als das deutsche Downton Abbey gefeiert. Auch auf deinem Facebook-Profil gibst Du immer wieder zu, ein Fan der preisgekrönten BBC-Reihe zu sein. Hast Du den zweiten Film im Kino gesehen und wie hat er dir gefallen? Wer ist deine Lieblingsfigur bei Downton Abbey?

Hanna Caspian: Ich habe auch den zweiten Film gesehen. Und aus der Sicht einer Autorin würde ich sagen, dass die Drehbuchschreiber zu allem, was sie vorher gemacht haben, einen großen Unterschied gemacht haben. Zuvor gab es immer die großen Bögen. Jetzt gab es im Prinzip für alle Grüppchen nur kleine Bögen. Es gibt also keine Geschichte, die für alle drei Clustern trägt. Im ersten Kinofilm ging es ja um den König, der zu Besuch kommt. Das beeinflusste sowohl diejenigen oben, als auch die unten. Beide hatten einzelne Storys, die auch miteinander verwebt wurden. Das ist dieses Mal nicht passiert. Vielmehr ist für jeden ein endgültiger Abschluss gefunden worden. Tom heiratet, Edith schreibt wieder und so weiter. Da ist insgesamt nicht viel Dramatisches passiert. Es war so eine Aneinanderreihung von Idylle. Als eingefleischter Downton Abbey-Fan habe ich mich gerne noch einmal berieseln lassen, aber hätte Downton Abbey mit diesem Konzept begonnen, wäre die Reihe nicht erfolgreich gewesen. Ich fand es nett, aber mir hat etwas gefehlt. Am schönsten fand ich die Geschichte um Charles Carson, der immer so getan hat, als wüssten die Franzosen sich nicht so zu benehmen, wie man es in England tut. Ich finde es nicht schlimm, dass ein Teil des Plots in Frankreich spielt, aber man hätte dann konsequent die ganze Geschichte nach Frankreich verlegen müssen und jeder Figur eine eigene Story geben müssen. Man merkte, dass das ein endgültiger Abschluss sein sollte. Jeder bekommt sein eigenes Ende, aber mir persönlich war es zu wenig spannende Story. Eine Lieblingsfigur habe ich dagegen nicht. Das wirklich geniale Zusammenspiel des Ensembles ist mein Favorit. Wobei Violet natürlich die besten Sprüche klopft. Sie füllt sie mit ihrer Präsenz noch einmal anders aus. Dennoch habe ich nicht die eine Lieblingsfigur. Es ist vielmehr das ganze Konstrukt, das die Serie so genial macht.

Druckfrisch: Hinter dem hellen Schein, der neue Roman von Hanna Caspian. Seit dem 1. September ist der Auftakt der Trilogie im Handel erhältlich.
© Beitragsfoto: Hanna Caspian (privat)

Lara: Gerade die Arbeit an historischen Romanen bedeutet intensive Recherche. Wie und wo genau findest Du Informationen? Nimmst Du dir Tage nur zum Recherchieren, oder kommen dir die Fragen beim Schreibprozess spontan in den Sinn, die Du dann nachschlägst?

Hanna Caspian:Ich habe mehrere Stufen, in denen ich recherchiere. Als Erstes recherchiere ich über das Thema. Ich muss erst einmal wissen, ob das Thema das hält, was es verspricht. Manchmal vertieft man sich in ein Thema und stellt dann fest, dass es ganz nett ist, aber insgesamt nicht reicht. Bei der Harden-Eulenburg-Affäre dachte ich: Wow, was für ein Thema! Dann habe ich ganz viel dazu gelesen. Dabei kamen Fragen auf wie: Wer sind die eigentlichen Protagonisten? Wen kann ich weglassen? Wie kann ich dieses Thema aufbereiten? Wer blickt in diese Welt hinein? Wessen Perspektive wähle ich? Dabei kamen viele Themen auf, zu denen ich mich noch einmal tiefgründig informieren musste, wie zum Beispiel Gewerkschaften, Arbeitsrechte, Entlohnung, Gesindeverträge usw. Nach einem Vorkonstrukt fange ich dann an, Detailrecherche zu betreiben. Denn zuerst baue ich die Bücher, dann die Kapitel und dann die Szenen. Es geht an diesem Punkt also vor allem um historische Einzelereignisse, wie beispielsweise den Prozess Harden gegen Eulenburg, den ich dann in einem Kapitel einbaue. Das ist die intensivste Phase, die tatsächlich mehrere Monate dauert. Am Ende habe ich dann 50-55 Szenen mit Inhalt gefüllt. Erst dann fange ich an zu schreiben. Während des Schreibprozesses selbst kommt es dann oft vor, dass neue Fragen aufkommen, zum Beispiel: Was kostete damals denn ein Liter Milch? Oder wie ging eigentlich das Telefon mit der Kurbel? Für die spezielle Detailrecherche kann dann noch einmal gut ein halber Tag draufgehen. Ich habe also verschiedene Stufen, die unterschiedlich viel Zeit in Anspruch nehmen.

Lara: Auf Facebook habe ich einen Beitrag von dir gesehen, den ich ganz besonders spannend fand. Dort hast Du Brennnesselsuppe und Löwenzahnsalat zubereitet, da diese Gerichte auch in deinem neuen Roman vorkommen. Wie hat es geschmeckt und wie oft kommt es dazu, dass deine Recherche praktische Ausmaße annehmen?

Hanna Caspian: Viel zu selten kommt es zu so etwas. Ich würde gerne noch einmal so etwas machen, wie mit einem Butterfass Butter zu stampfen. Viele Sachen kann man heute auch kaum noch selber machen. Klar, es gibt Mittelaltermärkte, aber die liegen dann zeitlich doch zu weit zurück. Wenn es sich anbietet und spaßig klingt, würde ich es schon gerne machen. Löwenzahn und Brennnesseln schmecken ziemlich bitter, weshalb man nicht wirklich einen ganzen Salat daraus machen kann, sondern man fügt sie vielmehr einem Blattsalat hinzu. Aber sie sind durchaus nährstoffreich. Wenn es gar nichts mehr zu essen gäbe, würde ich anfangen, alles mögliche zu probieren. Gänseblümchen zum Beispiel, oder ich habe auch Rosenknospen gegessen. Später habe ich dann auch noch einmal aufgeblühte Rosenblüten probiert. Die sind bitterer als die Knospen. Es ist wirklich eine interessante Erfahrung gewesen, zu lernen, dass die Knospen süßer schmecken. Vor Brennnesseln hatte ich großen Respekt, bis ich erfahren habe, dass die Brennhaare nach oben gerichtet sind. Wenn man dagegen von unten nach oben streicht, brechen die Köpfchen der Drüsenzelle nicht ab, sodass es nicht zu einer Hautreizung kommt. Man schlägt die Brennnesseln in ein Küchentuch und dann walgt man sie so lange, bis die Brennhaare sozusagen geköpft sind. Danach kann man sie problemlos essen. Sie schmecken nicht wirklich gut, eher bitter, aber sie sind ein sehr ballaststoffreiches Kraut, Man sollte eigentlich viel mehr Unkraut essen.

Lara: Auf deiner Homepage steht, dass Du 1983 bei einem Zugunglück in Portugal beinahe dein Leben verloren hättest. Das klingt ja äußerst dramatisch. Was ist damals geschehen?

Hanna Caspian: Das war wirklich dramatisch. Auf dem Hinweg sind wir schon an einem Zug vorbeigefahren, der halb über einer Brücke hing. Damals war die demokratische Revolution noch nicht so lange her. Das Land war noch bitterarm, was für uns damals praktisch war, weil wir blauäugig, wie wir waren, darin ein günstiges Urlaubsziel gesehen haben. Wir hatten also gerade ein Zugunglück gesehen und uns statistisch sicher gefühlt, haben aber nicht über die wirtschaftliche Lage des Landes nachgedacht. Auf dem Rückweg mit Interrail Richtung Paris ist dann tatsächlich unser Zug entgleist. Während der Fahrt ist der vordere Teil abgerissen, wodurch die letzten drei Personenwaggons aus den Schienen rutschten. Hinter uns waren noch Güterwaggons, die komplett umgefallen sind, und unser Waggon stand ganz schief. Das war eine ganz surreale Situation. Aber wir hatten wirklich Glück im Unglück. Ich war gerade auf dem Weg in die Hutablage, um dort zu schlafen. Dann kam aber eine Dame herein, der wir Platz machen mussten. Wir waren zu viert und hatten uns auf einem Platz für sechs Personen breit gemacht. Und während wir aufräumten, fing es plötzlich an zu rattern. Ich verlor mein Gleichgewicht und klatschte gegen die Scheibe. In dem Moment dachte ich: Okay, das war es jetzt mit mir. Gott sei Dank waren wir alle aber nur leicht verletzt und zum Glück gab es bei diesem Unfall auch keine Toten. Erst in Paris habe ich gemerkt, dass ich eine riesige blutende Wunde am Bein hatte, die bis dahin schon längst verkrustet war. Wir standen natürlich alle unter Schock. Irgendwann mussten wir dann aus den Schiebefenstern klettern, da die Türen sich nicht mehr öffnen ließen. Dann saßen wir erst einmal auf einem Feld und warteten einige Zeit. Nach ein paar Stunden mussten wir tatsächlich noch mit dem vorderen Teil des Zuges bis zur nächsten Station in ein winziges Dörfchen fahren. Der Zug war dann natürlich sehr voll und wir mussten auf dem Gang stehen. Als wir in dem Dörfchen ankamen, hatten sich alle Bewohner in Pyjama und Pantoffeln versammelt, um das Spektakel zu sehen. Wir haben uns dann alle in eine kleine Bar gequetscht, dort war es zumindest warm und es gab kalte oder heiße Getränke. Mitten in der Nacht kamen dann Busse, wir dachten erst einmal, dass wir ab jetzt glücklicherweise mit dem Bus weiterfahren. Aber tatsächlich wurde nur der Zug geräumt und wir mussten wieder in den kaputten Zug steigen. Ich war hundemüde, konnte aber nach der ganzen Aufregung kein Auge mehr zumachen. Das war ein einmaliges Erlebnis, das ich wirklich nie wieder so brauche.

Lara: Die Veröffentlichung für den zweiten Band der Trilogie „Schloss Liebenberg“ ist aktuell für den 1. März 2023 geplant. Wie weit bist Du aktuell mit diesem Projekt? Kannst Du deinen Fans vielleicht jetzt schon einen kleinen Ausblick geben, was sie erwarten wird?

Hanna Caspian: Wenn man eine Reihe anlegt, dann hat man mehr Figuren, die eingeführt werden müssen. Im zweiten Teil kann man dann schön in die Vollen gehen. Da braucht man auch kaum noch etwas zu erklären. Man weiß jetzt, wo bei den Figuren die Stärken und die Schwächen liegen, was sie sich wünschen, was sie angestellt haben, und man kann ab da so richtig durchstarten. Der erste Teil ist hoffentlich spannend, aber im zweiten Teil nimmt es dann noch mehr an Fahrt auf. Das Manuskript dazu habe ich vor zwei Wochen abgegeben. Jetzt liegt es bei der Lektorin, auf deren Rückmeldung ich aktuell warte. Im Anschluss geht es an den Verlag, wo dann noch einmal die letzten Änderungen einfließen können. Damit will ich einfach sagen, dass der Großteil für mich geschafft ist, wobei das Lektorat immer noch viel Arbeit ist. Ich habe eine sehr gute, gründliche und unnachgiebige Lektorin, die den Finger in die Wunde legt. Egal, ob es Fakten sind, Rechtschreibung, Stil oder Logik. Nach dem Lektorat gibt es immer viel zu tun.

Lara: Wird es für deine Fans die Möglichkeit geben, dich im Zuge der neuen Veröffentlichung bei einer Lesung sehen zu können? Falls ja, wo und wann wird man dich antreffen können?

Hanna Caspian: Ich habe am 1. September eine Premierenlesung in Balve im Sauerland gehalten, also genau am Erscheinungsdatum des Buches. Das war aber auch vorerst das Einzige, das geplant war. Was das betrifft, bin ich ein bisschen faul, denn ich organisiere mir selbst nie Lesungen. Wenn mich jemand einlädt, und das zeitlich gerade passt, dann nehme ich gerne solche Dinge an und mache das gerne. Ehrlich gesagt bin ich auch gar nicht so scharf auf eine Lesereise. Ich empfinde es als relativ anstrengend, in einem Hotel einzuchecken, Koffer auspacken, wieder einpacken und ab ins nächste Hotel zu fahren. Das ist nicht unbedingt etwas für mich, auch wenn ich es nicht total ungerne mache. Mir fehlt einfach die Zeit, mir so etwas zu organisieren. Außerdem hängt da auch viel Vorbereitung dran. Ich muss eine gute Stelle finden, die Länge der Lesung an den Text anpassen und mich auf das Publikum einstellen. Für diesen Aufwand fehlt mir leider oft die Zeit.

Lara: Welche Autor:innen haben dich im Bereich historischer Romane am meisten geprägt und inspiriert?

Hanna Caspian: Also vorab, ich bin eine totale Querleserin. Ich bin nicht auf ein Genre fixiert, sondern eher auf gute Geschichten. Eine gute Geschichte ist für mich überraschend, komplex und zeigt mir neue Aspekte des Lebens. Das kann bei Fantasy genauso gut sein, wie bei einem Liebesroman, einem historischen Roman, einem Thriller, einem Krimi oder bei humoristischen Büchern. Das ist im Prinzip egal. Geprägt hat mich am ehesten Ken Follett. Er hat, im Gegensatz zu vielen US-amerikanischen Schriftstellern, diese Kombination aus vielen verschiedenen Perspektiven. Egal ob Mann oder Frau, arm oder reich, Russen, Deutsche, Engländer oder Franzosen. Er bietet dieses Potpourri, bei dem ich ihm abkaufe, dass er einen gesamtheitlichen Blick auf eine Gesellschaft gut darstellen kann. Klar, es gibt historische Themen, die kaum aus einer Frauenperspektive geschildert werden können, weil die Welt nun einmal so war, wie sie war. Aber Follett beweist, dass das nicht unmöglich ist und das gefällt mir besonders gut. Als ich angefangen habe, historische Romane zu schreiben, das war so ab 2016, gab es viele Mittelalterromane mit einer rein weiblichen Zielgruppe. Und so uninteressant, wie ich Romane aus reiner Männerperspektive finde, genauso uninteressant fand ich es, Romane aus reiner Frauenperspektive zu lesen. Das Leben findet überall statt und es werden so viele Konflikte verschenkt, wenn ich nur eine einseitige Perspektive zeige. Von daher war Follett für mich schriftstellerisch immer ein Vorbild. Viel beeinflusst haben mich auch Rebecca Gablé, Patricia Shaw und Elizabeth Haran. Bei ihnen hat mir besonders gut gefallen, dass sie das Setting selber als eigenen Protagonisten nehmen, der eine Einfluss nehmende Rolle spielt, Davon habe ich mir auch viel abgeguckt, insbesondere bei Gut Greifenau. Dort gibt es den Gutshof mit allem, was dazu gehört, wie Ställe, Tiere und Felder, die bewirtschaftet werden müssen. Das gibt neue Impulse, die die Geschichte lebhafter erscheinen lassen. Schloss Liebenberg war innerhalb der Dorfgemeinschaft das Zentrum und für die damaligen Verhältnisse natürlich gigantisch, was den Unterschied zwischen Adel und Tagelöhnern auch noch einmal gut untermalt.

Lara: Du arbeitest als freie Autorin. Wie kann man sich deinen Arbeitsalltag vorstellen? Arbeitest Du nach einem festen Zeitplan oder entscheidest Du spontan, wie Du den Tag am besten produktiv nutzen kannst?

Hanna Caspian: In der Regel sitze ich spätestens um neun Uhr, manchmal aber auch schon um kurz vor acht Uhr am Schreibtisch. Ich arbeite gerne abgeschottet für mich. Ich gehe in keine Cafés und höre keine Musik. Was ich genau mache, ist natürlich immer abhängig davon, in welcher Phase ich bin. Momentan bin ich in der Veröffentlichungsphase. Da geht es um Interviews, Clips drehen, Social Media und Kontakt mit dem Verlag. Da kann ich nicht in Ruhe schreiben. Ich kann aber schon einmal recherchieren, mir neue Ideen einfallen lassen und diese Ideen überprüfen. Die Veröffentlichungsphase dauert ein paar Wochen und ist besonders arbeitsintensiv. Dann gibt es eine Recherchephase, die mehrere Monate dauert. Zwischendurch habe ich da auch Zeit für andere Dinge, wie abends ein Buch zu lesen. Wenn ich jedoch in der Schreibphase bin, ist es jedoch ganz unheilig, wenn man mich dabei stört. Wenn ich in meinem Fokus einmal unterbrochen werde, dann muss ich wieder ganz neu anfangen, mich einzuschreiben. Ich weiß, dass es vielen da so geht. Die Ruhe ist mir dabei sehr wichtig.

An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal herzlich bei Hanna Caspian für die Zeit und das spannende Gespräch bedanken. Mir wären noch viele Fragen und Gesprächsthemen eingefallen, aber wir haben auch so schon gute zwei Stunden miteinander geplaudert. Wenn euer Interesse an „Hinter dem hellen Schein“ geweckt wurde, könnt ihr es hier bestellen, denn es ist seit zwei Tagen offiziell erhältlich:
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