Onyx
Katy und Daemon
Meine zweite März-Rezension 2022
Die Nachrichten der letzten Wochen sind alles andere als schön. Wir befinden uns gerade in der sechsten Corona-Welle, Australien stand halb unter Wasser, aber vor allem der Krieg in der Ukraine überschattet die Nachrichten pausenlos. Es ist völlig in Ordnung, dass wir uns dabei hilflos fühlen. Vielmehr als Geld spenden, Hilfe anbieten oder protestieren kann man kaum tun. Trotzdem ist es auch in Ordnung, sich nicht jede freie Minute mit diesem Thema zu beschäftigen. Eskapismus ist wichtig für unsere psychische Gesundheit, deshalb sollten wir uns nicht schämen, wenn wir einen guten Tag hatten und mit Freunden gelacht haben. Manchmal muss man den Kopf abschalten und einen witzigen Film gucken oder ein spannendes Buch lesen, gerade in Zeiten wie diesen. Deshalb habe ich viel Zeit mit Lesen verbracht und „Onyx“ von Jennifer L. Armentrout, dem zweiten Band der Lux-Reihe, beendet. Das Jugendbuch erschien 2014 auf Deutsch und setzt die Liebesgeschichte um Katy und Daemon fort.
Inhalt
Nach dem Tod der vier Arum, die die Lux in Ketterham bedrohten, kehrt in dem US-amerikanischen Städtchen vermeintlich wieder Ruhe ein. Doch für die fast 18-jährige Katy Swartz ist nichts wie zuvor. Sie weiß nun, dass in ihrer Nachbarschaft Aliens wohnen. Schlimmer noch, sie fühlt sich zu einem von ihnen hingezogen: Daemon Black. Dieser möchte sogar, dass Katy seine feste Freundin wird, doch sie zweifelt. Dabei haben sie, seitdem Daemon sie geheilt hat, eine überirdische Verbindung zueinander. Die Normalität kann für Katy aber vor allem nicht einkehren, weil sie immer mehr das Gefühl beschleicht, dass sie seit Kurzem übernatürliche Fähigkeiten besitzt, eine Art Telekinese. Und da wäre auch noch der neue Mitschüler Blake Saunders, mit dem Katy viel gemeinsam zu haben scheint.
Cover
Das Cover hat denselben schönen Stil, den ich schon beim ersten Band sehr mochte. Der Grundton ist in einem rotgoldenen Farbton gehalten, über dem unterschiedlich große und helle Lichtpunkte liegen. Im Vordergrund sind wieder die scharf gestochenen Gräser, die sich im Wind etwas nach rechts wiegen. Im Hintergrund sind die dunklen Silhouetten von Bäumen und Schwalben zu sehen, sowie die eines Mädchens in einem kurzen Kleid und Turnschuhen, die nach links läuft. Dabei wehen ihre langen Haare im Wind. Insgesamt sind die Cover der Lux-Reihe alle zauberhaft, mein Favorit bleibt aber der erste Band.
Kritik
„Zehn Sekunden saß Daemon Black auf seinem Platz, als er mir auch schon zuverlässig den Stift in den Rücken bohrte.“, ist der erste Satz des ersten von insgesamt 36 Kapiteln. Der Leser wird eine Situation geworfen, an die er sich schon aus dem Vorgänger erinnert. Katy sitzt in ihrer Highschool im Biologie-Unterricht. Hinter ihr sitzt Daemon, der ihr regelmäßig mit einem Stift in den Rücken bohrt, um so auf sich aufmerksam zu machen. Weiterhin erzählt Katy die Geschichte aus der Ich-Perspektive im Präteritum. Mit über 450 Seiten ist der zweite Band länger als der erste.
War Katy im ersten Band noch ein süßes, wenn auch etwas profilloses Mädchen, ist sie hier ein wenig schwieriger. Viele ihre Handlungen sind nicht länger nachvollziehbar. Ihre vorherigen Ansichten scheint sie über Bord geworfen zu haben. Gedanken und Reaktion sind oft nicht kohärent. So fühlt sie sich andauernd zu Daemon körperlich hingezogen, schmachtet ihn förmlich an, weigert sich aber seine Freundin zu werden. Ihre Begründungen dafür wechseln, sind aber allesamt nicht sonderlich glaubhaft. Dieser unglaubwürdiger Wesenswechsel, der nur dazu da ist, um ein Beziehungsdrama zu provozieren, nervt auf Dauer gehörig. Zudem ist Katy manchmal etwas schwer von Begriff. Vor allem in naturwissenschaftlichen Kontexten, zum Beispiel beim Unterschied zwischen Photonen und Atomen, scheint sie für eine Oberstufenschülerin recht ungebildet zu sein.
Daemon Black ist ein 19-jähriger Lux, der in seiner menschlichen Gestalt schwarze Haare und grüne Augen hat. Er ist etwa 1,90m groß und sehr muskulös. Daemon gilt allgemein als gutaussehender junger Mann mit langen Wimpern und vollen Lippen. Zudem ist er ein richtiger Bad Boy. Er wirkt auf andere arrogant und großspurig. Hinter der Fassade ist er jedoch ein gutmütiger und sensibler junger Mann. Harte Schale, weicher Kern. Daemon bedient also alle Klischees, die die abgegriffene Teenie-Romance-Kiste so hergibt. Er ist keine Vollkatastrophe, aber eben so stereotyp, dass er nicht sonderlich interessant ist.
Doch damit nicht genug: auch die obligatorische Dreiecksbeziehung, die in keinem schlechten Jugendbuch fehlen darf, wird nicht ausgelassen. Mit Blake Saunders kommt ein neuer Mitschüler aus Kalifornien in Katys Jahrgang. Von Anfang an ist klar, dass Katy sich zwar für ihn interessiert, sie sich aber eigentlich schon in Daemon verliebt hat und Blake letztendlich chancenlos ist. Immer wenn sie Zeit mit Blake verbringt, denkt sie an Daemon oder vergleicht ihn mit Blake. Der Plot ist hier leider vorhersehbar und langweilig. Dass es überhaupt zur Dreiecksbeziehung kommt, liegt vor allem an Katys nicht nachvollziehbarem Verhalten. An dieser Stelle hätte ich mir einfach mal einen Bruch mit alten Klischees gewünscht, aber leider werden sie auch hier wieder bedient.
Dennoch gibt es auch Aspekte, die mir gefallen haben. So ist Katys Beziehung zu ihrem Mitschüler Simon problembehaftet. Sie hat ihn in „Obsidian“ auf den Homecoming-Ball begleitet, wobei er sich erst betrunken und Katy anschließend sexuell belästigt hat. Dabei drückte er sie gegen einen Baum und hielt sie so fest, dass sie sich nicht mehr gegen seine Küsse wehren konnte. Er reagierte nicht auf Katys Aufforderung damit aufzuhören. Erst als Daemon Katy zu Hilfe kam, ließ Simon von ihr ab. Dieses Drama setzt sich in „Onyx“ fort, als Simon vor seinen Freunden damit prahlt, in jener Nacht mit Katy geschlafen zu haben, womit sie in der Schule plötzlich den Ruf hat, ein leichtes Mädchen zu sein. Diese schwierige Situation, in der sich Katy hier befindet, ist sehr ernst und weit weg von dem klischeebeladenen Plot, der einem ansonsten hiermit aufgetischt wird. Tatsächlich bin ich sehr beeindruckt, dass Armentrout den Mut hat, auf Probleme aufmerksam zu machen, die es nach wie vor an Schulen gibt. Nach der Demütigung, die Katy durch die sexuelle Belästigung durchleben musste, wird sie von manchen Mitschülerinnen nun auch noch als Schlampe bezeichnet. Sie geht also emotional durch die Hölle. Dafür dass dieses wichtige Thema in „Onyx“ Raum findet, bin ich Armentrout dankbar.
Der Schreibstil ist einfach, schnörkellos und lässt sich leicht lesen. Leider ist er auch ein wenig unscheinbar. Armentrouts Stil hat nur wenig Wiedererkennungswert. Selten eckt er auch einmal an, beispielsweise durch Begriffe wie „ausrasten“ oder das unnötige Setzen dreifacher Punkte anstelle von Gedankenstrichen.
Schon in „Obsidian“ erfährt der Leser, dass Daemon und Dee zu den Luxen gehören. Diese sind außerirdische Wesen vom Planeten Lux, der Millionen von Lichtjahre entfernt von der Erde ist. Luxen werden immer als Drillinge mit zwei Jungen und einem Mädchen geboren, weshalb die Mädchen besonders stark beschützt werden und bei männlichen Artgenossen begehrt sind, da die Frauenquote aus natürlichen Gründen niedrig ist. Sie sind Lichtgestalten mit übernatürlichen Fähigkeiten, so können sie sich beispielsweise in Lichtgeschwindigkeit bewegen, Formenwandeln, Heilen, Raum und Zeit manipulieren, Feuer und Hitze beeinflussen oder Telekinese betreiben. Dabei hat aber jeder Lux seine individuellen Talente und kann nicht jede diese aufgezählten Fähigkeiten besonders gut. Manche können bestimmte Dinge, beispielsweise Heilen auch gar nicht. Formenwandeln kann dagegen jeder Lux. Was mich am Konzept der Lux jedoch besonders gestört hat, war der verzweifelte Versuch Armentrouts die fantastischen Sachverhalte naturwissenschaftlich zu erklären. So erklärt Blake Katy zum Beispiel in Kapitel 20, dass Lux nur „‚eine Art von DNA’“ haben, während Menschen zwei hätten. Als Biologie-Studentin kann ich hier klar betonen, dass das völlig falsch ist. Der Mensch hat nur eine DNA, deren identischen Kopien in jeder Zelle genau einmal vorkommt, nämlich im Zellkern. Möglicherweise meint Blake damit auch die Chromosomen, aber dann ist fraglich, warum er diese nicht benennt. Auch Mr. Garrison, der ausgerechnet Biologielehrer ist, erklärt in Kapitel 23, dass es möglich ist, dass menschliche DNA mit der eines Lux‘ verschmelzen kann, was erstaunlich ist, da durch die unüberwindbare Distanz der Planeten Lux und Erde keine Artverwandtschaft zwischen Mensch und Lux bestehen kann. Dass diese beiden DNA also so ähnlich sind, dass sie sich verbinden können, ist viel unwahrscheinlicher als ein Sechser im Lotto. Obendrein ist es überhaupt unlogisch, dass Lux DNA und Zellen besitzen, da sie ja eigentlich Lichtgestalten sind, die aus Photonen bestehen. Was genau vererbt wird, bleibt auch unklar, da Lux ihr Aussehen durch das Formenwandeln erwerben und nicht durch Genetik. Es kommt aber noch merkwürdiger: Wenn diese Verschmelzung geschehe, seien Lux und Mensch aneinander gebunden. Stirbt der eine, stirbt auch der andere. Dies erklärt der äußerst inkompetente Mr. Garrison mit „‚zelltechnisch[en]’“ Ursachen. Das macht auch absolut keinen Sinn. Sonst könnten ja keine eineiigen Zwillinge ohne den jeweils anderen überleben, da sie quasi die gleiche DNA haben. Womit man diese Beeinflussung vielleicht fadenscheinig erklären könnte, wäre die Quantenverschränkung, da Lux aus Photonen bestehen. Doch das tut Armentrout einfach nicht. Abschließend kann ich nur Katys Gedanken zitieren: „Sehr wissenschaftlich klang das nicht.“ Natürlich sind Fantasy-Elemente nicht logisch, das steht außer Frage. Aber wenn man schon versucht diese in einen wissenschaftlichen Kontext zu bringen, sollte man sich eben wenigstens die Mühe machen zu recherchieren, um zumindest eine ansatzweise glaubwürdige Erklärung bieten zu können. Oder man lässt es eben ganz bleiben.
Das Ende ist wiederum spannend und unterhaltsam. Während mich „Onyx“ allgemein nicht fesseln konnte, zieht das Finale den Spannungsbogen abschließend gut an. Es gibt überraschende und tragische Tode. Bisher tut sich die Reihe eher schwer damit, einen eindeutigen Antagonisten aufzuweisen. Deswegen bin ich gespannt, was in den nächsten Bänden noch folgt. Die Bonusgeschichten aus der Perspektive von Daemon sind ein nettes Extra und machen Spaß zu lesen.
Fazit
„Onyx“ von Jennifer L. Armentrout kann leider nicht ganz mit dem Vorgänger mithalten. Katy ist nerviger, Daemon ein klischeehafter Bad Boy und eine vorhersehbare Dreiecksbeziehung tragen insgesamt zu einem etwas negativeren Wertung bei. Armentrouts Schreibstil ist eher mittelmäßig. Zudem hätte sie vor allem im naturwissenschaftlichen Bereich besser recherchieren können. Trotzdem ist der zweite Band der Lux-Reihe nicht überwiegend schlecht. Es gibt immer wieder Überraschungsmomente und gute Szenen, auch wenn ich das Buch leicht beiseite legen konnte. Alles in allem ist „Onyx“ aus dem Jahr 2014 ein Fantasy-Jugendbuch mit viel verschenktem Potenzial und letztendlich nur in Ordnung. Deshalb erhält es von mir zwei von fünf Federn. Dennoch werde ich als Nächstes den dritten Band „Opal“ lesen, da ich diesen und den nächsten Band bereits zuhause habe.