Interview mit M.D. Grand und S.M. Gruber

Interview mit M.D. Grand und S.M. Gruber
3. Februar 2022 0 Von lara

„Wir hatten genug von Vampiren, Werwölfen, Geistern und Hexen“

Seit Beginn meines Blogs wollte ich schon immer einmal ein Autoreninterview führen, und endlich ist es soweit! Mit großer Freude gibt es heute das Interview mit M. D. Grand und S. M. Gruber. Marlen und Sophie sind beide Rezensentinnen des Buchensembles, welches mit seinen wortgewandten und geistreichen Rezensionen immer wieder zu begeistern weiß. Für das Schreibkollektiv Nikas Erben haben sie im Oktober 2021 eine Sammlung von Kurzgeschichten über neue Phantasiegestalten herausgegeben. Sie heißt „Compendium Obscuritatis – Von Musen und Monstern“, und ist aufwändig illustriert. Ich wollte mit ihnen über diese Fantasy-Anthologie sprechen, und warum sie so außergewöhnlich ist.

Lara: Hallo, ihr beiden. Es freut mich, dass ihr euch die Zeit für das Interview nehmt. Dies ist mein erstes Autoreninterview, und ich bin tatsächlich ein bisschen aufgeregt. Stellt euch doch gerne für diejenigen, die euch noch nicht kennen, in ein paar Sätzen vor. Wie habt ihr euch kennengelernt?

Marlen: Wir haben uns im Germanistikstudium kennengelernt. Sophie ist mir mit ihren kurzen Haaren gleich in Erinnerung geblieben.
Sophie: Na das musst gerade du sagen! Marlen hatte damals knallblaue Haare, wenn das nicht auffällig ist, weiß ich auch nicht.
Marlen: Jedenfalls haben wir zusammen bis zum Masterabschluss studiert, dann ist Sophie nach Berlin gezogen, was unserer Freundschaft aber keinen Abbruch getan hat. 2017 haben wir außerdem angefangen, gemeinsam einen Roman zu schreiben.

Lara: In eurer Kurzgeschichten-Sammlung „Compendium Obscuritatis – Von Musen und Monstern“ geht es um Phantasiegestalten, die es in klassischen Fantasy-Werken nicht gibt. Welche Wesen kann man sich darunter vorstellen?

Sophie: Na, wenn wir das jetzt verraten, ist ja schon alles gespoilert!
Marlen: Also im Prinzip geht es einfach darum, kreative Wege zu finden, wie man Phantasiegestalten neu erfinden kann. Wir hatten genug von Vampiren, Werwölfen, Geistern und Hexen …
Sophie: Also von Hexen kann man ja eigentlich nie genug haben. Aber uns war vor allem wichtig, keine Klischees zu bedienen. Beim Lesen trifft man aber auch einige nicht ganz unbekannte Gestalten wie Bücherwürmer oder – nun ja, Wasser. Das ist halt nur sehr hungrig. Es gibt aber auch komplett neue Erfindungen wie Marlens Knarzlotterchen …
Marlen: Die klauen einzelne Socken!
Sophie: … es gibt gruselige Insektenwesen, Buchesser, mächtige Schattenwesen, Regengeister und ganz viele andere spannende Wesen. In meiner eher dystopischen Geschichte wird die Idee umgedreht und die Menschen sind die magischen Wesen im Gegensatz zu Maschinen.

Lara: Wie viele Kurzgeschichten sind in der Anthologie enthalten, und habt ihr dabei eine Lieblingsgeschichte?

Marlen: Es sind 23 Kurzgeschichten und natürlich haben wir offiziell keine Lieblingsgeschichte. Das wäre in etwa so als hätten wir ein Lieblingskind.
Sophie: So als Insidertipp können wir dir aber schon eine Sache verraten. Um herauszufinden, welche Texte die Herausgeber*innen für besonders halten, schau dir die erste und die letzte in einer Anthologie an. Die erste muss die Lesenden direkt überzeugen und die letzte muss sie mit einem guten Gefühl gehen lassen.
Marlen: Und in der Mitte sind auch immer sehr starke Texte eingestreut, sonst liest ja niemand bis zum Ende. Ach, lest einfach alle – und dann lasst uns wissen, welche eure Lieblingsgeschichte ist!

Lara: Als Selfpublisherinnen einer Kurzgeschichten-Sammlung gibt es einige Hürden zu überwinden: Lektorat, Illustrationen, Struktur oder auch das Marketing. Woran hattet ihr am meisten Spaß? Was war für euch der schwierigste Part?

Sophie: Wir haben beide schon sehr viel lektoriert. Das war zwar bei so vielen ganz unterschiedlichen Stilen relativ anstrengend, hat aber am Ende Spaß gemacht.
Marlen: Die Illustrationen hat die wahnsinnig talentierte Esther Wagner für uns gemacht. Damit hatten wir selbst also sehr wenig Arbeit.
Sophie: Dafür hat es umso mehr Spaß gemacht, den Illustrationen beim Entstehen zuzusehen. Ohne die Kunstwerke von Esther wäre die Anthologie nicht mal halb so toll! Die Struktur, also die Reihenfolge der Texte festzulegen, finde ich persönlich auch immer sehr cool. Da hat man dann die fertigen oder fast fertigen Texte und überlegt sich, wie diese zueinander passen – wie ein Puzzle.
Marlen: Ich glaube, das Marketing fällt uns am schwersten. Nach so einer langen, aufwendigen Arbeit ist man einfach nur froh, wenn das Buch erscheint und dann war bei uns beiden schon ein bisschen die Luft raus, als es ums Marketing ging.

Das aktuelle Werk, das Marlen und Sophie herausgegeben haben: Compendium Obscuritas
© Fotos: David McIntyre

Lara: 2018 habt ihr für „Heart Beat“ schon einmal zusammen gearbeitet. Kann man sagen, dass das ursprünglich eine Schnapsidee war?

Sophie: Im wahrsten Sinne des Wortes. Wir saßen irgendwann in den Weihnachtsferien beim „Bierbaron“ in Graz zusammen und haben uns eigentlich über diese eine Fummelszene in Marlens Debütroman „Schatten“ lustig gemacht – die übrigens gar nicht so schlecht ist.
Marlen: Ja, Sophie hat dann versucht, die Szene umzuschreiben und wir hatten so viel Spaß dabei, Romance-Klischees aufs Korn zu nehmen, dass die Idee für „Heart Beat“ entstanden ist. Und schwupps, weniger als ein Jahr später war das Manuskript fertig.

Lara: Wann kommt die Fortsetzung zu „Heart Beat“? Wird es ein Verlagsbuch oder doch ein Selfpublishing-Projekt werden?

Sophie: Das werden wir tatsächlich sehr oft gefragt. Dem Buchmarkt ging es während der Corona-Zeit nicht so gut und es war alles auch privat sehr holprig bei uns – vor allem bei mir.
Marlen: Das Manuskript ist allerdings bereit fürs Lektorat und erscheint voraussichtlich 2022 oder 2023, wieder im Eisermann Verlag. Wir hoffen einfach, dass wir es zu einer der Buchmessen rausbringen können und das ist aktuell alles sehr unsicher.
Sophie: Wir haben zum Glück einen großartigen Verleger, der uns bei diesen Entscheidungen sehr viel Freiheiten lässt und immer hinter uns steht.

Lara: Ihr habt beide Germanistik studiert. Was macht oder plant ihr mit dem Abschluss beruflich? Deutschlehrerin, Verlagsmitarbeiterin, oder doch eine ganz andere Richtung?

Sophie: Joa, also Marlen hat noch während ihres Masterstudiums auch noch ein Medizinstudium begonnen, das sie jetzt im März abschließen wird.
Marlen: Ja, was soll ich sagen – wer weiß was ich als nächstes studiere! Nein, aber im Ernst, mit Germanistik mache ich eigentlich fast nichts mehr, meine Leidenschaft ist die Medizin. Auch wenn mir das Studium für mein Schreiben und vor allem die Lektoratsarbeit viel mitgegeben hat.
Sophie: Ich habe nach meinem Masterabschluss einige Jahre zuerst im Marketing und dann im Sales gearbeitet. Im Herbst 2021 habe ich nochmal ein neues Studium angefangen und studiere jetzt nebenbei Kunst auf Lehramt. Freiberuflich lektoriere ich auch für Selfpublisher und Kleinverlage.

Lara: Welche Autor:innen haben euch in euren Leben am meisten geprägt, vor allem im Bereich Fantasy?

Marlen: Christoph Marzi (Lycidas-Reihe) und Neil Gaiman (Neverwhere) mit ihrem schrägen Ideenreichtum und ihrem schönen Schreibstil, und auch Jonathan Stroud (Bartimäus, Lockwood) mit seinem Humor und seiner düsteren Note. Ralf Isau (Chroniken von Mirad) und natürlich Michael Ende (Die unendliche Geschichte), als klassische Fantasyautoren, und auch JK Rowling … Aber auch die weniger bekannte Jenny Nimmo (Charlie Bone), weil sie mit ihren Geschichten eine ganze Generation verändert haben.
Sophie: Ich habe früher viel Fantasy gelesen und lese auch heute noch gerne gut geschriebene, originelle Fantasybücher, aber eigentlich ist es nicht so mein Genre, da mir mittlerweile zu viel Einheitsbrei produziert wird. Ich schreibe halt auch kein Fantasy, im Normalfall zumindest. Geprägt hat mich im Fantasy-Bereich aber Trudi Canavan, „Die Nebel von Avalon“ von Marion Zimmer Bradley, die Tintenherz-Reihe bzw. Cornelia Funke ganz allgemein und – wie bei Marlen – Harry Potter. Außerdem bin ich großer Fan von Haruki Murakamis Art zu schreiben, aber das ist ja eher Surrealismus. Obwohl ich mal mit jemandem auf einem Date war, der Murakami als seinen Lieblingsfantasyautor bezeichnet hat …

Lara: Seit einigen Tagen sind wir im Jahr 2022 angekommen. Welches Buch war 2021 euer Lesehighlight ?

Marlen: „Herbst“ von Ali Smith.
Sophie: Darf ich nur eins? Dann „Miroloi“ von Karen Köhler. Oder „Shuggie Bain“ von Douglas Stuart. Oder „Girl, Woman, Other“ von Bernardine Evaristo. Ich kann mich nicht entscheiden!

Lara: Wo holt ihr euch eure Inspirationen fürs Schreiben? Schreibt ihr zu festen Zeiten oder nach Lust und Laune? Habt ihr währenddessen spezielle Rituale wie Musik hören oder ein bestimmtes Getränk schlürfen?

Sophie: Puh, also Marlen kann eigentlich immer schreiben, habe ich so das Gefühl. Ich erinnere mich daran, wie sie in den Uni-Seminaren ihre Romane geschrieben hat und dann immer wie wild auf die Tastatur gehämmert hat, obwohl die Dozentin nicht mal was gesagt hat, das man hätte mitschreiben können. Wieso ist das eigentlich nie jemandem aufgefallen?
Marlen: Keine Ahnung. Vielleicht weil ich trotzdem immer alles rundherum mitbekommen habe – Multitasking und so. Meinen letzten Roman habe ich auf dem Handy geschrieben. So zwischendurch. Das hätte ich mir auch nie gedacht, dass ich jemals ein ganzes Buch auf dem Handy schreibe und plötzlich war es fertig. Es ist eine Dystopie, in der meine Protas sehr viel unterwegs sind und es hat sich einfach richtig angefühlt, das auf diese Weise zu schreiben. Ich schreibe ansonsten aber schon gerne an meinem Schreibtisch oder in meinem Ohrensessel und höre Musik dabei. Ich habe dafür auch immer eigene Playlists, je nach Projekt, an dem ich arbeite.
Sophie: Ich schreibe am liebsten in Gesellschaft. Ich habe immer zu viel zu tun und dadurch, dass ich für meinen Brotjob den ganzen Tag am Computer arbeiten muss, habe ich in meiner Freizeit oft keine Energie fürs Schreiben. Dann hilft es mir, zu gemeinsamen Schreibtreffen zu gehen, entweder in ein Café oder online. Es gibt Produktivphasen, in denen alle schreiben und dann „muss“ ich auch. Hinterher tut es mir immer gut, geschrieben zu haben, aber das Aufraffen fällt mir allein oft schwer.

Lara: Damit sind wir auch schon am Ende des Interviews. Ich hoffe, es hat euch ein bisschen Spaß gemacht.

Marlen: Wow, vielen Dank für dein großes Interesse. Das waren ganz schön viele Fragen!
Sophie: Hat richtig Spaß gemacht, wieder mal ein Interview zu geben!

Wenn Marlen und Sophie euer Interesse an ihrem neuen Werk geweckt haben, könnt ihr es euch hier genauer ansehen und auch direkt herunterladen:
Compendium obscuritas: Von Musen und Monstern