Die Kane-Chroniken: Der Schatten der Schlange

Die Kane-Chroniken: Der Schatten der Schlange
24. Oktober 2021 0 Von lara

Von Sphinxen und Hieroglyphen

Meine Oktober-Rezension 2021

Im September konnte ich gerade mal ein Buch beenden, da ich zwei Monate lang für insgesamt fünf Klausuren lernen musste. Bis zum Beginn des Wintersemesters hatte ich dann noch ein paar Wochen, die ich meinen Büchern widmen durfte. So konnte ich „Die Kane Chroniken: Der Schatten der Schlange“ durchlesen, womit die Jugendbuch-Trilogie abschließt. Das Urban Fantasybuch von Rick Riordan erschien 2014 auf Deutsch. Neben den Kane-Chroniken und Percy Jackson gibt es noch drei weitere Jugendbuch-Reihen von Riordan, die ich noch nicht gelesen habe: „Helden des Olymp“, „Magnus Chase“ und „Die Abenteuer des Apollo“. Die nächsten Jahre bin ich also seitens Riordans gut mit Lesestoff versorgt.

Inhalt

Mithilfe des Opfers des Obersten Vorlesepriesters Michel Desjardins konnten der inzwischen 15-jährige Carter Kane und seine zwei Jahre jüngere Schwester Sadie die drohende Apokalypse durch den Schlangengott Apophis hinauszögern. Dass ihr Onkel Amos nach Desjardins Tod sein rechtmäßiger Nachfolger wurde, bleibt nicht ohne Widerstand seitens anderer altägyptischer Magier, die von Sarah Jacobi angeführt werden. Zu allem Übel ist der Magierschüler Walt Stone lebensbedrohlich verflucht, doch die Zeit für die Suche nach einem Heilmittel fehlt, denn Apophis wird pünktlich zum Herbstbeginn versuchen die Sonne zu verschlingen.

Cover

Möglicherweise ist dieses Cover mein Favorit der Jugendbuch-Trilogie. Die Illustration enthält die Grundfarben gelb, hell- und dunkelbraun. Allgemein sind die Nuancen also in einem erdigen Farbspektrum eingeordnet, wozu die abgebildeten Motive sehr gut passen. In der oberen Hälfte sticht vor allem die düstere Wolkenwand hervor, aus der Blitze schießen und aus der ein Wirbelsturm tost. Zudem sieht man im mittleren Bereich eine Sphinx und etwas weiter hinten die Muhammad-Ali-Moschee. Der Handlungsort hier ist demnach Kairo. Im Fokus steht hier eine ausgewachsene ägyptische Gottheit, die einen Menschenkörper, aber einen Schlangenkopf hat. Das ist Apophis, der eine Pharaonenkrone und in der linken Hand einen Äskulapstab mit glühenden Kobraaugen trägt. Bekleidet ist er mit Römersandalen, einem typisch ägyptischen Lendenschurz und Schmuck in Form von Römersandalen und einer Kette. Im Vordergrund hocken hinter einem flachen Felsen Carter und Sadie. Auf diesem Cover erkennt man sie besser als bisher. Carter trägt ein gelbes kurzes Hemd mit schwarzen Turnschuhen, die drei weiße Streifen haben. Über seine Schulter baumelt eine lederne Umhängetasche. Sadie trägt Jeans und ein weißes Top. Das Cover sieht klasse aus und verspricht einen spannenden Abschluss der Trilogie.

Kritik

Wie immer kommt zu Beginn der Hinweis, dass die gedruckten Zeilen dieses Buches Abschriften aus Audioaufnahmen sind. Die Kassetten sollen in einem desolaten Zustand gewesen sein, die nahe legen, dass jemand vorsätzlich versucht habe sie zu zerstören. Durch diesen Disclaimer werden die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verwischt.
„Hier Sadie Kane.“, ist der erste Satz des ersten Kapitels mit dem Namen „Wir sprengen eine Party“. Der Satz ist fast identisch mit dem Anfangssatz aus „Der Feuerthron“, nur dass dieses Mal Sadie und nicht Carter einsetzt. Ebenfalls bekannt sollte die alternierende Ich-Perspektive im Präsens von Sadie und Carter sein, die sich nach je zwei Kapiteln mit dem Mikrofon für die Audioaufnahme abwechseln. Mit knapp über 450 Seiten und 22 Kapiteln ist „Der Schatten der Schlange“ der kürzeste Band der Trilogie. Die Kapitel tragen erneut merkwürdige und witzige Titel wie „Meine Schwester, der Blumentopf“, „Wir amüsieren uns mit gespaltenen Persönlichkeiten“ und „Ich werde von einem alten Freund erwürgt“.
Neben Carter und Sadie gibt es eine weitere Figur, die wohl zu den wichtigsten Charakteren gehört: Zia Rashid. Sie ist eine 14-jährige Magierin des Lebenshauses in Kairo. Carter und Sadie lernen sie erstmals im Metropolitan Museum of Arts in New York kennen, als diese vor der Skorpiongöttin Selket fliehen. Später stellt sich heraus, dass dieses Mädchen eigentlich gar nicht Zia war, sondern nur ein Uschebti. Als Uschebtis versteht man altägyptische magische Diener, die aus Knete, Wachs oder Ton geformt werden können und sich wie Lebewesen verhalten, obwohl sie keine sind. Wer sich mit der Erschaffen von Uschebti auskennt, kann sogar Menschenkörper erschaffen, die der echten Vorlage, in diesem Fall Zia, zum Verwechseln ähnlich sind. Zia hat arabische Wurzeln, soll schwarzes Haar bis zum Kinn und bernsteinfarbene Augen haben. Sie wird als sehr hübsch beschrieben, sodass es nicht lange dauert, bis Carter sich in sie verliebt. Zudem ist sie eine ausgezeichnete Magierin mit einem Talent für Feuerzauber. Zia ist intelligent und eine begabte Strategin, aber auch harsch, herrisch und temperamentvoll. Anfangs hatte ich meine Schwierigkeiten mit ihrer dickköpfigen und martialischen Art, mit der Zeit wird sie aber angenehmer.
Diese Trilogie gehört zweifellos zu den Jugendbüchern und ist vor allem für eine Zielgruppe zwischen 12-16 Jahren gedacht. Das Geschlecht ist dabei zweitrangig, denn sowohl Mädchen als auch Jungen können in Sadie oder Carter eine Identifikationsfigur finden. Typisch für ein Jugendbuch werden hier Themen wie die Loslösung von den Eltern, die erste große Liebe und das Tragen von Verantwortung behandelt. Die Charaktere wachsen über sich hinaus, werden stärker und erwachsener. Sie müssen wichtige Entscheidungen treffen, die nicht nur Auswirkungen auf sie selbst, sondern auf die ganze Welt haben.
Funfact: Der Entdecker des Grabs von Tutanchamun im Tal der Könige hieß Howard Carter, weshalb der männliche Protagonist nach dem Nachnamen des Ägyptologen benannt wurde. Wie immer ist Riordans Geschichte spannend. Es gibt gleich mehrere Probleme zu lösen. Götter müssen vor Dämonen bewahrt werden, Lebenshäuser vor abtrünnigen Magiern, Walt vor seinem Fluch, Re vor seiner eigenen Senilität, Mama Kane vor unheimlichen Schatten und für der Zwergengott Bes soll es eine Möglichkeit geben, ihn von seiner Apathie zu befreien. Obendrein müssen Sadie und Carter einen Weg finden Apophis zu besiegen, um die Apokalypse zu verhindern. Nebenbei mischt sich auch wieder Seth, der Gott des Bösen ein, sodass man nicht weiß, wem zu trauen ist. Die zu bewältigenden Probleme sind dabei so mannigfaltig, dass man schnell der Überblick verliert. Wie zuvor erstreckt sich der Plot über wenige Tage, der letzte Tag wird in über 200 Seiten beschrieben. Umso gestreckter ist hier das Tempo. Anderenfalls hätte man dieses Knäuel von Themen gepaart mit plötzlichen Monsterbegegnungen und aufkeimenden Liebesbeziehungen auch nicht unterbringen können. Dieses Gewirr ist aber leider zu viel des Guten. Die Spannung geht zwar nicht verloren, doch fühlt sich das Lesen oft an wie eine Kiste, bei der einem beim Öffnen alles entgegen fällt, weil sie zum Bersten voll mit Dingen ist, die nicht alle notwendig gewesen wären. Und obwohl der Sprachstil wie gewohnt ironisch und lässig ist, habe ich wegen des Wirrwarrs meist nicht mehr als ein oder zwei Kapitel pro Tag gelesen, weshalb ich entsprechend schleppend voran kam.
Gerade weil man in Riordans Jugendbüchern so viel über Mythologien lernt, schätze ich sie dennoch ganz besonders. Dieses Mal habe ich beispielsweise erfahren, dass nach altägyptischen Glauben die Seele eines Menschen in fünf Elemente aufgeteilt wird: den Ba, den Ka, den Ib, den Ren und den Schut. Man kann diese grob unterteilen in den Geist, die Kraft, das Herz, den Namen und den Schatten, wobei Schatten eine unpräzise Bezeichnung ist. Aber auch Gottheiten wie Osiris, Nephthys und Anubis werden als Figuren mit ihren Funktionen vorgestellt. Mithilfe dieser Jugendbuch-Trilogie habe ich also definitiv neues Wissen erwerben können.
In der vorherigen Rezension hatte ich ja schon die Qualität der Übersetzung bemängelt, und auch dieses Mal sind mir kleinere Schnitzer aufgefallen. So ist in Kapitel 18 die Rede von „Blitzen auf einen Steinsphinx und verwandelte ihn zu Staub.“ Aber wieso einen und ihn? Heißt es nicht DIE Sphinx, also mit femininem Artikel? Ein kurzer Blick in den Duden verrät: „Sphinx, die (Substantiv, feminin)“. Da es im Englischen nur einen Artikel gibt, ist dies also ein Übersetzungsfehler, und respektive des Vorgängers leider nicht der erste.
Dem Ende gegenüber hatte ich eine große Erwartungshaltung, wurde aber leicht enttäuscht. Manche Ausgänge waren abzusehen, manche überraschend. Die Kämpfe bleiben aber erstaunlich unblutig und hatten für meinen Geschmack zwischendurch zu viel von einem Slapstick-Charakter, der die eigentlich fesselnde Atmosphäre gebrochen hat, wie beispielsweise ein Magier, der versucht einen Gott mit Käse zu schlagen. Insgesamt war es dennoch ein würdiger Abschluss der Fantasy-Trilogie.

Fazit

Abschließend lässt sich sagen, dass „Die Kane-Chroniken“ eine tolle Jugendbuch-Reihe ist, mit der vor allem die Zielgruppe viel Spaß haben wird. Durch die ägyptische Mythologie wird außerdem das Allgemeinwissen erweitert. Dennoch kommt die Trilogie insgesamt nicht an „Percy Jackson“ heran. Auch „Der Schatten der Schlange“ selbst ist ganz gut, erleidet aber wie schon „Der Feuerthron“ Punktabzüge. Es gibt wieder Übersetzungsfehler und erneut habe ich für ein Buch dieses Umfangs relativ lange Zeit gebraucht, was belegt, dass es mich nicht nachhaltig fesseln konnte. Hinzu kommt das Slapstick-Finale, das der apokalyptischen Bedrohung nicht wirklich gerecht wird. Trotzdem ist der dritte Band aus dem Jahr 2014 unterhaltsam und magisch genug, um sich drei von fünf Federn verdient zu haben. Nächstes Jahr möchte ich von Rick Riordan „Helden des Olymp“ lesen, in dem die griechische Mythologie auf die römische trifft. Ich hoffe, dass diese Reihe wieder mehr den Esprit von Percy Jackson versprüht.