Liebster Bösewicht

Liebster Bösewicht
24. Mai 2021 2 Von lara

Faktastischer Mai 2021

Inzwischen gehört die Bloggeraktion „Faktastisch durch das Jahr“ von Our Favorite Books zu meinem festen Repertoire. Seit 2020 veröffentlichen Blogger*innen jeden Monat zu einem bestimmten Thema Artikel. Oft geht es um das schönste oder das liebste Buch. Dieses Mal wird es dagegen etwas düsterer, denn auch im Mai wird ein Liebling gesucht, allerdings der liebste Bösewicht. Mir war schnell klar, über wen ich schreiben wollte. Da gab es nur leider ein kleines Problem.

Streng genommen stammt mein liebster Bösewicht nämlich nicht aus einem Buch, sondern aus einer Videospiel-Reihe und bisher konnten ihm tatsächlich nur zwei Antagonisten aus Büchern annähernd das Wasser reichen. Doch meine absolute Nummer 1 wird stets mit meinen Kindheitserinnerungen in Verbindung bleiben. Er war der erste Bösewicht, den ich in meinem Leben kennengelernt habe, noch bevor ich überhaupt lesen konnte, und für mich wird er immer der einzig wahre Bösewicht bleiben. Um das Thema aber nicht ganz zu verfehlen, muss ich zu meiner Verteidigung sagen, dass ich stolze Besitzerin von drei großen Fanbüchern bin, die zwischen 2013 und 2018 erschienen sind.

Die Rede ist von Ganondorf, dem bekanntesten Antagonisten aus „The Legend of Zelda“. Das gleichnamige und erste Spiel erschien 1986 auf dem Nintendo Entertainment System, kurz NES. Seitdem bietet allein die Hauptreihe 15 Teile, die zahlreichen Ableger und Remakes nicht miteinbezogen. Seinen ersten Auftritt hatte Ganondorf in „The Legend of Zelda – Ocarina of Time“ aus dem Jahr 1998, das für die Nintendo 64 erschien. Ganondorf ist dabei nicht zu verwechseln mit Ganon, den es schon seit dem ersten Spiel gibt. Das Universum von Zelda ist inzwischen recht komplex, aber um den Unterschied zwischen Ganon und Ganondorf genauer zu erklären, muss ich einen kurzen Abriss des Settings einwerfen.

„The Legend of Zelda“ spielt, bis auf wenige Ausnahmen, im fiktiven Königreich Hyrule, das von einem König, dessen Name je nach Teil variiert oder nicht genannt wird, regiert wird. Seine Tochter ist Prinzessin Zelda, nach der das Spiel benannt ist. Protagonist ist der Held Link, der charakteristisch meist ein grünes Gewand mit Zipfelmütze trägt. Auch der Antagonist variiert, es ist aber am häufigsten Ganon, beziehungsweise Ganondorf. In der Geschichte von Hyrule gibt es vier verschiedene Göttinnen, deren Existenz quasi als erwiesen gilt. Die ersten drei Göttinnen werden als Goldene Göttinnen bezeichnet und sollen laut einer Legende das Königreich Hyrule erschaffen haben. Diese drei Göttinnen heißen Nayru, Din und Farore. Sie repräsentieren jeweils die Tugenden Weisheit, Kraft und Mut. Nachdem sie Hyrule erschaffen hatten, formten sie gemeinsam das heilige Relikt Triforce, was ein Dreieck aus drei miteinander verbundenen goldenen Dreiecken ist. Behaltet das im Kopf, die Drei ist eine essenzielle Zahl bei „The Legend of Zelda“. Danach übergaben sie das Triforce der Göttin Hylia und verließen diese Welt. Berührt man das Triforce, erfüllen die Göttinnen einem jeden Wunsch. Damit dies nicht missbraucht werden kann, liegt der Schlüssel zum Triforce in drei Auserwählten: Link, Prinzessin Zelda und, ihr ahnt es, Ganon oder Ganondorf. Nur wenn alle drei aufeinander treffen, kann das Triforce beschworen werden. Ganon will das Triforce allerdings dazu verwenden, den König vom Thron zu stoßen und ein zerstörtes Hyrule regieren. In vielen Teilen der Spielereihe ist es also Links und Zeldas Aufgabe, ihn daran zu hindern und zu verbannen.

Aber worin liegt jetzt genau der Unterschied zwischen Ganon und Ganondorf? Im Grunde genommen ist es derselbe Charakter, sogar ein und dieselbe Person, die sich immer wieder aus der Verbannung befreien kann. Im Gegensatz dazu sind Link und Zelda nur die Reinkarnationen aus vorangegangen Spielen. Dabei ist Ganondorf seine menschliche Gestalt und Ganon seine monströse Form, die am ehesten einem riesigen, dämonischen Eber gleicht. Ganon taucht in sechs Teilen der Spielereihe auf, Ganondorf nur in drei, wobei man ihn nur in zwei Teilen, nämlich „Ocarina of Time“ und „Twilight Princess“ in beiden Gestalten zu sehen bekommt. In „A Link to the Past“ wird allerdings erwähnt, dass sich Ganondorf, der König der Diebe, des Triforces bemächtigte, und dabei die Schattenwelt erschuf sowie in ein Monster, also Ganon, verwandelt wurde. Zu sehen bekommt man Ganondorf dort allerdings nicht.

Ganondorfs Optik variiert von Spiel zu Spiel leicht aufgrund von Grafik und Stil, es gibt jedoch eindeutige Wiedererkennungsmerkmale. Seine Haut ist grünlich, er hat rote Haare und bernsteinfarbene Augen. In „Ocarina of Time“, wo er erstmals als menschlicher Charakter zu sehen ist, ist er der König der Gerudo, einem Wüstenvolk, dessen typische Merkmale, wie eine lange, spitze Nase oder einem Topas als Schmuckstein auf der Stirn, er ebenfalls hat. Seine Herkunft verrät er auch durch seine Kleidung. Er trägt einen schwarzen Bodysuit mit einer Lederrüstung und einem Tuch, das mit Gerudo-Symbolen verziert ist. Er ist etwa 2,30m groß und sehr muskulös. Nicht umsonst repräsentiert er das Triforce der Kraft. Ein Faustschlag von Ganondorf bricht einem normalen Menschen mehrere Knochen auf einmal. Seine Stimme ist tief und kehlig, sein durch und durch böses Lachen hat mir als Kind richtig Angst gemacht.

Seine Persönlichkeit ist in erster Linie selbstverständlich böse. Er ist sozusagen das Böse in Person. Die Macht, die ihm die Göttin Din verliehen hat, macht ihn zum stärksten Menschen in ganz Hyrule. Zudem ist er ein Hexenmeister und beherrscht die schwarze Magie, sodass er sich vor niemandem fürchtet. Er ist ehrgeizig und machthungrig. Kommt ihm jemand auf dem Weg zum Thron Hyrules in die Quere, macht er mit ihm kurzen Prozess. Er ist jedoch nicht wirklich grausam und lässt seine Kraft nicht willkürlich an Menschen aus, die für ihn keine Bedrohung darstellen. Auch Folter interessiert ihn im Grunde nicht. Sollte jedoch jemand Unschuldiges zu Schaden kommen, interessiert ihn auch dies nicht.

Dass das Gefühl von Unbezwingbarkeit und das Geringschätzen seines Gegners jedoch ein Schwachpunkt sein kann, beweisen zwei Cutszenen in den Spielen sehr gut. Als Link in „Ocarina of Time“ mit den Drei Heiligen Steinen zu Schloss Hyrule zurückkehrt, um diese Zelda zu geben, kommt er zu spät. Mitten in den Nacht wird das Zugtor von Hyrule-Stadt herunter gelassen und Zelda reitet in Begleitung ihrer Leibwächterin Impa auf einem Pferd davon. Link schaut ihnen hinterher, bis sie außer Sichtweite sind. Als Link sich umdreht, sitzt dort Ganondorf auf seinem gespenstischen Pferd und fragt Link, ob er gesehen habe, wohin die beiden verschwunden seien. Link schweigt und zieht stattdessen sein Schwert. Dies entlockt Ganondorf jedoch nur ein müdes Lachen, und er schleudert Link mit einem Zauber beiseite, bevor er davon reitet. Ganondorf verschont hier Links Leben, sodass dieser sieben Jahre später erneut gegen ihn antreten und ihn besiegen kann.

In „The Legend of Zelda – The Wind Waker“ lässt Ganondorf für seine Verhältnisse ebenfalls Gnade walten. Als Link in die Verwunschene Bastion, Ganondorfs Quartier, eindringt, um seine Schwester Aril zu befreien, wird er dort vom sogenannten Maskenkönig erwischt. Dieser Riesenvogel trägt Link in seinem Schnabel zu Ganondorf. Er betrachtet den Jungen kurz und macht dann eine kurze, ruckartige Kopfbewegung zur Seite, was für den Maskenkönig ein Befehl ist, Link aufs Meer hinaus zu schleudern. Zwar wäre Link wahrscheinlich ertrunken, hätte der Rote Leuenkönig ihn nicht an Bord gezogen, aber Ganondorf hat es nicht völlig darauf abgesehen, den Jungen zu töten, was ihm später noch zum Verhängnis wird. Jeder Antagonist hat bekannterweise auch seinen Schwachpunkt. Bei Ganondorf ist dieser nicht nur seine Selbstüberschätzung, sondern vor allem zwei bestimmte Waffen. Einmal das Master-Schwert, das auch als das heilige Bannschwert bezeichnet wird, und einmal Lichtpfeile, die manchmal auch mit dem Lichtbogen kombiniert werden. Je nach Spiel verwenden entweder Link oder Zelda die Lichtpfeile. Das Master-Schwert wird dagegen immer mit Link in Verbindung gebracht.

Auch wenn es in den Spielen immer möglich ist, Ganondorf zu bezwingen, gibt es verschiedene Zeitlinien, die die einzelnen Teile von „The Legend of Zelda“ in einen chronologischen Zusammenhang bringen sollen. Die ursprüngliche Zeitlinie spaltet sich ab „Ocarina of Time“ in zwei Linien, je nachdem, ob Link gegen Ganondorf siegt, oder nicht. Gewinnt Link, wird Ganondorf verbannt und Hyrule bleibt vorerst beschützt. In der Zeitlinie „Der Held triumphiert“ liegen Spiele wie „Majora’s Mask“ oder „Twilight Princess“. Verliert Link jedoch, bemächtigt sich Ganondorf des Triforces, verwandelt sich dauerhaft in Ganon und erschafft die Schattenwelt. In der Zeitlinie „Der Held wird besiegt“ liegen Spiele wie „A Link to the Past“ oder „Link’s Awakening“. Außerdem taucht Ganon in dieser Zeitlinie niemals in seiner menschlichen Gestalt auf.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ganondorf mir damals als Kind mit seinem Auftreten immer etwas Angst eingejagt hat. Seine bestialische Kraft und sein kehliges Lachen untermalen seine düstere Aura. Vor dem finalen Kampf wurden meine Hände schwitzig, mein Herz raste. Die Musik verursacht bei mir immer noch Gänsehaut. Letztendlich konnte ich ihn aber stets besiegen. Heutzutage freue ich mich eher auf den finalen Kampf, weil Nintendo sich extrem viel Mühe gibt, einen epischen Abschluss der Geschichte zu kreieren. Die Botschaft aus „The Legend of Zelda“ ist für mich: Unterschätze deinen Gegner nicht, verbünde dich mit deinen Freunden, sei gut zu deinen Mitmenschen, trage Mut in deinem Herzen und schärfe stets deinen Verstand. Nur dann kannst du siegreich sein.