Vergessene Helden – Nebencharaktere, die im Schatten stehen

Vergessene Helden – Nebencharaktere, die im Schatten stehen
28. Januar 2021 3 Von lara

Faktastischer Januar 2021

Das neue Jahr ist taufrisch und viele Menschen blicken hoffnungsvoll auf 2021. Anlässe zum vorsichtigen Optimismus sind vorhanden: Die ersten Menschen in Deutschland erhalten ihre COVID-19-Impfung und läuten damit das Ende der Pandemie ein. Außerdem hat Joe Biden das Amt als US-Präsident angetreten und lässt hoffen, dass die USA politisch deutlich bessere Zeiten erwarten. Auch ich möchte meinen kleinen Beitrag dazu leisten euch Buchliebhabern das Jahr zu versüßen. Denn die Bloggeraktion von Our Favorite Books geht in die nächste Runde und das monatliche Thema lautet „Vergessene Helden – Nebencharaktere, die im Schatten der Protagonisten stehen“. Ich musste nur kurz darüber nachdenken und habe mich schnell für zwei Charaktere entschieden, die zwar nicht für ihre Stärke, aber ihren Ehrgeiz und ihre Gutmütigkeit bekannt sind. Hier bekommen sie die Anerkennung, die sie verdienen!

Als Erstes fiel mir natürlich sofort ein Charakter aus der Harry Potter-Saga ein. In der Jugendbuchreihe rund um den Hogwarts-Schüler Harry Potter wird schnell klar, dass er seine Ziele und Träume ohne seine Freunde niemals erreichen kann. An Harrys Seite sind fast immer seine besten Freunde Ron Weasley und Hermine Granger. Sie sind ein eingeschworenes Trio, das in Hogwarts fast immer gemeinsam unterwegs ist. Doch für mich hat noch ein Anderer ebenfalls zu dieser Gruppe gehört. Harry hat im Verlauf der Geschichte viele Schulfreunde dazu gewonnen, sei es Luna Lovegood oder Rons Geschwister. Ein Junge jedoch hat eine stärkere Verbindung zu Harrys Schicksal und ist wahrhaft ein vergessener Held.

Die Rede ist natürlich von Neville Longbottom. Er wurde am 30. Juli 1980 geboren. Als Einzelkind von Alice und Frank Longbottom ist er ein reinblütiger Zauberer. Allerdings ist Neville bei seiner Großmutter Augusta aufgewachsen, da, wie man in „Harry Potter und der Feuerkelch“ erfährt, seine Eltern im St. Mungo Hospital in der Psychiatrie gelandet sind. Nevilles Eltern waren bekannte Auroren, was im Grunde genommen Zaubererpolizisten im Dienst des Zaubereiministeriums sind. Im ersten Zaubererkrieg kämpften sie gegen Lord Voldemort und wurden dabei gefangen genommen. Unter anderem von Bellatrix Lestrange und Barty Crouch Jr. wurden die beiden Auroren mit dem Cruciatus, einem Folterfluch, belegt und bis zum Wahnsinn gequält. Neville hat also eine unfassbar düstere Vergangenheit und ist dennoch stets ein wohlerzogener und liebenswürdiger Schüler, sodass ich ihn spätestens ab dem vierten Band ins Herz geschlossen habe.

1991 wurde er dann, gemeinsam mit Harry Potter, in Hogwarts eingeschult und genau wie Harry in das Haus Gryffindor eingeteilt. Harry und Neville teilen sich sogar ein Schlafzimmer zusammen mit Ron und Seamus. Neville tritt vor allem als tollpatschiger und vergesslicher Junge auf, der auch mal seine Kröte verliert. Bis auf ein großes Talent für Kräuterkunde, scheint Neville auch schulisch wenig Erfolg zu haben. Man unterschätzt ihn schlichtweg. Dabei war er oft das Zünglein an der Waage, das entscheidend zum Sieg beigetragen hat. Im ersten Schuljahr erhält er beispielsweise am Ende des Schuljahres von Albus Dumbledore zehn Hauspunkte, die den vorherigen Gleichstand mit dem Haus Slytherin übertrumpfen und so zum Sieg des Hauspokals führen. Ohne Neville wäre dies nicht möglich gewesen. Hier widmet Dumbledore ihm auch folgende Worte, die mir jedes Mal unter die Haut gehen: „‚Es verlangt einiges an Mut, sich seinen Feinden entgegenzustellen, doch genauso viel, den eigenen Freunden in den Weg zu treten.’“

Doch es gibt zwei Dinge, die Harrys Schicksal noch stärker mit Neville verbinden. Zum Einen wäre da die Prophezeihung. Sie beginnt mit den Worten: „,Der Eine mit der Macht, den Dunklen Lord zu besiegen, naht heran’“. Diese Prophezeiung, ausgesprochen von Professor Trelawney, soll voraussagen, wer der noch ungeborene Zauberer sein wird, der Lord Voldemort besiegen kann. Ferner heißt es dort, die Eltern des Auserwählten hätten dem Dunklen Lord dreimal die Stirn geboten und der Junge würde Ende Juli geboren werden. Beides trifft sowohl auf Neville als auch auf Harry zu, der einen Tag später zur Welt kam. Selbst Dumbledore wusste nicht, welchen der beiden Jungen die Prophezeiung betrifft, bis zu dem Zeitpunkt, an dem Harrys Eltern von Voldemort umgebracht wurden und Harry mit der Narbe überlebte. Der Triumph Harrys über Lord Voldemort wäre aber nicht möglich gewesen, hätte Neville nicht einen entscheidenden Teil dazu beigetragen. In „Harry Potter und der Orden des Phönix“ ist Neville der erste, der Harry gesteht, dass er ihm glaubt, dass der Dunkle Lord nach den Ereignissen am Ende von „Harry Potter und der Feuerkelch“ zurückgekehrt ist. Das Vertrauen zwischen Harry und Neville erreicht hier eine neue Ebene.

Kurz darauf wird Neville Mitglied in der von Harry gegründeten „Dumbledores Armee“, kämpft gemeinsam mit dem Protagonisten am Ende des fünften Bandes im Zaubereiministerium gegen Bellatrix Lestrange, die seine Eltern gefoltert hat. Bis dahin hatte ich ihn für einen Angsthasen gehalten, doch sein Mut sitzt in Wahrheit nur tief verwurzelt. In der Schlacht von Hogwarts am 2. Mai 1998 ist Neville einer der wichtigsten Kämpfer. Er organisiert die Widerstandsbewegung gegen Lord Voldemort, transportiert Heilpflanzen zum Kampf, birgt Verletzte und ruft zum Widerstand auf, als die Moral zu sinken droht. Nicht zu vergessen ist jene Szene, in der Neville das Schwert von Gryffindor aus dem sprechenden Hut zieht und die Schlange Nagini damit köpft. Dadurch zerstört er den letzten Horkrux Voldemorts in einem Moment, der hoffnungsloser nicht hätte sein können. Viele andere Taten Nevilles verblassen neben dieser, doch für Harry war er mehrmals der Befreiungsschlag. Nach der erzählten Zeit der Harry Potter-Saga soll Neville Professor für Kräuterkunde in Hogwarts geworden sein und Hannah Abbott geheiratet haben. Hannah war im selben Jahrgang wie Harry im Haus Hufflepuff und ebenfalls Kämpferin bei der Schlacht von Hogwarts. Später soll sie die Wirtin des Tropfenden Kessels sein. Es freut mich, dass Rowling meinem vergessenen Helden ein kleines Happy End geschenkt hat.

Mein zweiter vergessener Held ist aber nicht weniger liebenswürdig oder entscheidend für den Triumph über das Böse: Samweis Gamdschie aus „Der Herr der Ringe“ von J. R. R. Tolkien. Samweis, kurz Sam, wurde am 6. April 2980 des Dritten Zeitalters geboren und wuchs als Hobbit und Sohn des Gärtners Hamfast Gamdschie auf. Sein Vater war lange Zeit der Gärtner von Bilbo Beutlin, wodurch Sam auch Frodo kennenlernte. Von Bilbo lernte Sam außerdem das Lesen und Schreiben. Später wird Sam dann zu Frodos Gärtner. Als Gandalf eines Tages Frodo im Auenland besucht, belauscht Sam die beiden während sie über den Einen Ring sprechen. Gandalf erwischt ihn jedoch und verdonnert ihn dazu, Frodo auf seiner Reise zu begleiten. Unterwegs treffen sie auf Meriadock Brandybock und Peregrin Tuck sowie in Bree auf Aragorn. In Bruchtal kommt es dann zum Bündnis mit neun Gefährten, die Frodo bei seinem Ziel den Einen Ring zu zerstören, unterstützen sollen. Doch nur Samweis begleitet Frodo tatsächlich vom Anfang bis zum Ende. Von Frodos Haus bis zum Schicksalsberg ist Sam immer an Frodos Seite. Als Frodo in „Die Rückkehr des Königs“ von Kankra gebissen und vergiftet wird, nimmt Sam ihm dem Ring ab und befreit Frodo später aus der Gefangenschaft der Orks. Außerdem war Frodo in Begleitung von Gollum wahrscheinlich nur sicher, weil auch Sam bei ihnen war.

Auf den ersten Blick mag Sam kein richtiger Held sein, doch seine Loyalität und sein Mut sind ohnegleichen. Als die Gefährten vor den Toren Morias Sams Pony Lutz zurücklassen müssen, bricht Sam in Tränen aus, weil ihm das Tier sehr ans Herz gewachsen ist. Zwar ist Sam nicht so stark oder kampferfahren wie Aragorn oder Legolas, dafür stürzt er sich aber genauso beherzt in den Kampf, was beweist wie mutig er eigentlich ist. Er hat keine großen Ambitionen, ist aber ein treuer und tapferer Freund. Nicht umsonst bezeichnete Tolkien ihn als „‚interessanter als Frodo’“. Nach der Geschichte von „Der Herr der Ringe“ kehrt Sam zurück ins Auenland und heiratet dort seine Jugendfreundin Rose Hüttinger. Sie bekommen zusammen 13 Kinder. Die arme Frau! Viele der Kinder heißen wie die bekannten Hobbits der Geschichte, beispielsweise Frodo, Merry, Pippin oder Bilbo. Schön, dass es für Samweis ebenfalls ein Happy End gibt.

Vergessene Helden gibt es allerdings nicht nur in Büchern oder Filmen. Unser Alltag ist voll von Menschen, die mehr Lob und Anerkennung verdient haben, als sie bekommen. Man sollte sich jeden Tag bewusst machen, dass die Welt ohne vergessene Helden überhaupt nicht funktionieren würde. Seien es Krankenpfleger*innen, Mütter und Väter oder einfach Menschen, die jeden Tag ihr Bestes geben. Danke, dass es euch alle gibt!