Die Blutschule

Die Blutschule
10. Juli 2020 0 Von lara

Pseudonym eines Bestseller-Autors

Meine zweite Juli-Rezension 2020

Habt ihr schon einmal etwas von Max Rhode gehört? Manchen von euch geht bei dem Namen vielleicht ein Licht auf, denn Max Rhode ist sowohl der Protagonist aus Sebastian Fitzeks „Das Joshua-Profil“, als hier auch dessen Pseudonym. In „Das Joshua-Profil“ ist „Die Blutschule“ der Debütroman des Protagonisten, welcher immer wieder eine Rolle spielt. Die beiden Thriller wurden fast gleichzeitig veröffentlicht, sodass es dem Leser freigestellt wurde, welches Buch er als Erstes liest. Jedoch hat mir eine Freundin empfohlen, zuerst zu „Die Blutschule“ zu greifen, sollte ich „Das Joshua-Profil“ ebenfalls lesen wollen. Da ich Letzteres schon hatte, habe ich extra Ersteres als Mängelexemplar auf einem Bücher-Flohmarkt ergattert. Der Psychothriller erschien 2015 und war 19 Wochen lang auf der Spiegel-Bestsellerliste.

Inhalt

Der 13-jährige Simon Zambrovski zieht mit seinen Eltern und seinem ein Jahr älteren Bruder Mark im Juli 1993 von Berlin ins brandenburgische Rietz-Neuendorf. Doch die sommerliche Idylle trügt, denn schon am Ankunftstag haben Simon und seine Familie eine unangenehme Erfahrung mit einer gewaltbereiten Jugendclique. Außerdem erfahren sie, dass ihr direkter Nachbar ein verurteilter Pädophiler ist, der Peter Landenberg heißt. Als Simon und Mark dann tatsächlich „Stotter-Peter“ treffen, wie er im Dorf genannt wird, und dieser ihnen dann erzählt, dass sein Hund Gismo unsterblich sei, weil er in den Seelenspiegel geschaut habe, merken sie, dass an diesem Ort mehr als nur eine Sache nicht mit rechten Dingen zugeht.

Cover

Eine Schwarzweiß-Aufnahme eines hölzernen Pultes mit Stuhl unten im Cover. Auf diesem Pult sind vier tiefe, parallele Kratzspuren. Der Hintergrund liegt völlig im Schwarzen, nur hinter dem Stuhl lässt sich noch ein vertikal verlaufender Parkettboden erkennen. Aus Erfahrung weiß ich, dass Fitzeks Cover gerne mal etwas unscheinbarer wirken, der Inhalt es jedoch durchaus in sich hat.

Kritik

Noch vor dem Prolog findet sich ein fiktiver „Auszug aus einem Interview, das der Autor vor Erscheinen seines Debütromans gegeben hat.“. Speziell der letzte Satz dieses Interviews deutet latent darauf hin, dass Max Rhode selbst psychische Probleme haben könnte. Er soll sogar autobiografische Erlebnisse abgewandelt in diesem Thriller eingebracht haben. Da er selbst der Protagonist in „Das Joshua-Profil“ ist, wird dieser Aspekt wahrscheinlich darin weiter beleuchtet.
„Na schön, dann beginne ich mal damit, den ganzen Irrsinn aufzuschreiben, so wie Dr. Frobes es mir empfohlen hat, obwohl ich bezweifle, dass es irgendeinen therapeutischen Nutzen haben wird, noch einmal dorthin zurück zu kehren, wo die Angst wohnt, wenn auch nur gedanklich; zurück in das Baumhaus etwa oder in das Klassenzimmer, ach herrje, das Klassenzimmer, verdammt.“, ist der erste Satz des Prologs, welcher der Anfang eines Patienten-Tagebuchs ist. Außerdem ist es der wahrscheinlich längste erste Satz, den ich seit langem gelesen habe. Besitzer dieses Tagebuches ist Simon Zambrovski, ein junger Mann, der in der geschlossenen Psychiatrie sitzt. Er erzählt aus der Ich-Perspektive und im Präsens, allerdings retrospektiv, was ihn seiner Meinung nach zu dem psychisch labilen Menschen gemacht hat, der er nun ist. Sein Einstieg in die Geschichte ist wirr, er kommt von einem Thema zum nächsten, nennt Namen ohne Kontext und schweift dann schnell ab. Manchmal spricht er den Leser sogar direkt an, als wüsste er, dass sein Tagebuch nicht in den vier Wänden der Psychiatrie verbleiben wird. Dieser gewollt unprofessionelle Erzählstil untermauert seinen Charakter perfekt. Simon wirkt in seinen Berichten über einen Teil seiner Kindheit zwar wie ein Junge, der aus der einfachen Arbeiterschicht kommt, der aber immer wieder Köpfchen mit seiner eigenen Bauernschläue beweist. Zudem erscheint er wie ein ganz normaler Teenager-Junge, aber inzwischen wie ein schwer traumatisierter und wesensveränderter Mann.
Auf dem Weg dahin verschwimmen durch die subjektive Perspektive Realität und Wahnsinn langsam aber sicher. „Die Blutschule“ ist primär dem Subgenre Psychothriller zuzuordnen, welche sich dadurch auszeichnen, dass das Unheimliche plötzlich in ein ursprünglich normales Leben eintritt. Meist spielen Psychothriller, so wie hier, aus der Opfersicht. Allerdings finden sich auch Elemente aus Horror- und Mysterythrillern, so gibt es beispielsweise Szenen, bei denen man sich nicht gänzlich sicher sein kann, ob der Protagonist halluziniert oder ob er eine Begegnung mit etwas Übernatürlichem hat.
Generell fällt sehr auf, dass Fitzek hier einen anderen Schreibstil anwendet, als würde er nun mal in die Rolle seines Pseudonyms schlüpfen. In einem Interview gab er selbst an, eine neue Art zu schreiben ausprobiert zu haben, die ihm so viel Spaß bereitete, dass er das Buch sogar beendete. Auch vor sensiblen Themen wie Kindesmisshandlung oder Tierquälerei schreckt er nicht zurück. Allgemein gab es zwischendurch relativ harte und heftige Schockmomente, die aber von kurzen Verschnaufpausen abgelöst wurden.
Leider sind mir auch ein paar Fehler aufgefallen, die die Lesefreude ein wenig gehemmt haben. Zum Einen wird im zweiten Kapitel eine Spinne als Insekt bezeichnet, was schlichtweg falsch ist. Spinnen gehören zwar wie Insekten zu den Gliederfüßlern, aber allein, dass sie acht Beine haben anstatt sechs, ist schon Beweis genug. Zudem haben Spinnen keine Fühler, welche ebenfalls Merkmale für Insekten sind. Zum Anderen spielt Simon im achten Kapitel mit einem Mädchen Karten. Sie zeigt ihm eine Reihe von Karten, welche sowohl im Buch abgedruckt sind, allerdings auch von Simon aufgezählt werden: „‚Kreuzbube, Herzkönig, Karobube, Pikdame, Herzdame und Pikkönig.‘“. Etwas später, als das Mädchen ihn bittet sich eine Karte auszusuchen, erklärt er: „Ich hatte erst den Karokönig ausgesucht, war dann aber in allerletzter Sekunde auf die Herzdame umgeschwenkt.“. Blöd nur, dass es in dem Blatt gar keinen Karokönig gibt. Es gibt zwar einen Karobuben und einen Herzkönig, aber eben keinen Karokönig. Wie es zu diesem Fehler kommen konnte, ist mir nicht klar. Mir ist nur klar, dass dies ein absolut vermeidbarer Fehler ist.
Generell finde ich den Plot nicht sonderlich stringent. Vor allem in der zweiten Hälfte des Psychothrillers gibt es Ereignisse, die sich in ihrem Ablauf ähneln, aber trotzdem unterschiedliche Ausgänge haben. Da ich nicht spoilern möchte, halte ich mich mit Details zurück. Allerdings fallen selbst den Charakteren diese Ungereimtheiten auf, wobei dies mit einem fadenscheinigen „Ist halt so.“ vom Tisch gewischt wird.
Nach über 250 Seiten und 49 Kapiteln mit Epilog war das Ende dann noch einmal überraschend schockierend. Mit diesem Ausgang der Geschichte habe ich in vielerlei Hinsicht nicht gerechnet, was noch einmal Pluspunkte sammeln konnte.

Fazit

Tatsächlich habe ich bisher noch keinen vergleichbaren Psychothriller wie „Die Blutschule“ gelesen. Vermutlich hat es mir gerade deshalb gut gefallen, dass sich verschiedene Subgenres vermischen und thematisch peripher die Horrorromane von Stephen King streifen. Dennoch kann ich nicht über die zwei kleineren Fehler und die mangelnde Stringenz hinwegsehen. Deshalb kann ich dem Debütroman von Max Rhode „nur“ drei von fünf Federn geben. Als nächstes werde ich „Das Joshua-Profil“ von Sebastian Fitzek lesen und hoffe, dass es mir von Nützen sein wird „Die Blutschule“ vorher gelesen zu haben.