City of Lost Souls

City of Lost Souls
26. Juni 2020 0 Von lara

Clary und Jace

Meine dritte Juni-Rezension 2020

Bergfest für die nachträgliche Trilogie, die die „Chroniken der Unterwelt“ zum Sechsteiler macht! Mit „City of Lost Souls“ von Cassandra Clare bin ich jetzt beim fünften Band der Saga angekommen. Damit ist dieser sozusagen der Wegweiser zum großen Finale, auf das ich jetzt schon gespannt bin. „City of Lost Souls“ erschien 2013 erstmals auf Deutsch und ist dem Urban Fantasy zuzuordnen. Die Fangemeinde der „Chroniken der Unterwelt“ ist übrigens so groß, dass es sogar ein recht umfangreiches Wiki darüber online gibt, in dem sich zahlreiche Informationen über die Bücher, Charaktere oder Artefakte finden lassen.

Inhalt

Nach dem Tod der Dämonenfürstin Lilith ist Jace Herondale plötzlich spurlos verschwunden, gemeinsam mit Clarys tot geglaubten Bruder Jonathan. Der Suchtrupp der Schattenjäger und auch die magischen Ortungsversuche von Magnus Bane bleiben ohne Erfolg. Nur Clary Fairchild gibt die Hoffnung nicht auf ihren Freund noch lebend zu finden.
Alec Lightwood hat währenddessen ganz andere Probleme. Als fester Freund des unsterblichen Hexenmeisters Magnus Bane hat er Angst, im Laufe der Zeit zu alt und unattraktiv für ihn zu werden. Die Vampirin Camille Belcourt bietet Alec ihre Hilfe an. Sie kann ihn zwar nicht unsterblich machen, aber dafür Magnus seine Unsterblichkeit nehmen.

Cover

In den letzten vier Rezensionen habe ich die gleichbleibende Grundstruktur der Cover ausführlich beschrieben, deshalb mache ich es jetzt kurz: Grundfarbe orange, Säulen außen, Statuen Pelikane, Goldring mittig mit Statuenkopf unten. In der Mitte des Rings ist erneut eine Skyline von New York mit dem Empire State Building und dem One World Trade Center. Letzteres ist das höchste Gebäude der Stadt und wurde 2004 neben der Stelle erbaut, an der 2001 das World Trade Center bei Terroranschlägen zerstört wurde. Insgesamt finde ich die Cover in Ordnung, die Reihe lebt aber vielmehr von ihrer aus den USA überschwappenden Popularität, als der besonderen Illustrationen der deutschen Cover.

Kritik

War der Vorgänger noch in zwei Teile ohne Pro- oder Epilog unterteilt, ist „City of Lost Souls“ in drei Teile mit den Titeln „Kein böser Engel“, „Gewisse dunkle Dinge“ und „Alles wandelt sich“ aufgeteilt und besitzt sowohl Pro- als auch Epilog. Der zweite Teil ist der längste, der dritte der kürzeste. Mit fast 700 Seiten und 21 Kapiteln ist dieses Jugendbuch länger als sein Vorgänger. Das Hörbuch hat dagegen wieder eine Länge von siebeneinhalb Stunden, weshalb es logischerweise stärker gekürzt wurde.
Noch vor dem Prolog findet sich ein Zitat von Mary Wollstonecraft, einer englischen Schriftstellerin, Übersetzerin, Philosophin und Frauenrechtlerin, die im 18. Jahrhundert lebte. Sie war außerdem die Mutter der Schriftstellerin Mary Shelley, welche mit „Frankenstein“ bis heute einen großen Einfluss auf die Unterhaltungsliteratur hat und zu den wichtigsten Begründerinnen der Schauerliteratur gehört. Shelleys Erfolg konnte ihre Mutter jedoch nicht mehr miterleben. Sie starb nur elf Tage nach der Entbindung am Wochenbettfieber.
„Simon stand schweigend da und starrte wie betäubt auf die Eingangstür seines Elternhauses.“, ist der erste Satz des Prologs. Seitdem Simon seiner Mutter offenbart hat, dass er ein Vampir ist, hat er sein Elternhaus nicht mehr betreten und den Kontakt zu seiner Familie gezwungenermaßen abbrechen müssen. Dass er nun verschiedene Talismane und religiöse Symbole an der Haustür vorfindet, die böse Geistern vertreiben sollen, entmutigt ihn. Doch Simon ist hier leider nicht mehr der Protagonist, wie es bei „City of Fallen Angels“ der Fall war, sondern seine beste Freundin Clary rückt hier wieder in den Vordergrund, was für mich persönlich schon der erste kleine Dämpfer war. Einerseits, weil Simon mir sympathischer ist als Clary, andererseits aber auch weil ich zugunsten einer gewissen Kontinuität damit gerechnet habe, dass in der „zweiten“ Trilogie Simon der neue Protagonist bleibt. Diese Erwartungshaltung wurde jetzt leider gebrochen, Simon rückt wieder in die Position einer Nebenrolle.
Ein anderer Charakter, den ich in meinen Rezensionen bisher außen vor gelassen habe, der hier aber meines Erachtens nach die wichtigste Nebenfigur ist, ist Alexander Gideon Lightwood, kurz Alec. Er wurde 1989 geboren und ist der Sohn von Maryse und Robert Lightwood, sowie der ältere Bruder von Isabelle. Außerdem ist er Jaces Adoptivbruder. Alec ist ein schlanker junger Mann und mit 1,83m dazu noch recht groß. In den Büchern hat er schulterlanges schwarzes Haar und auffallend blaue Augen. All das in Kombination mit seinen feinen Gesichtszügen sorgt dafür, dass er gelegentlich mit William Herondale verglichen wird, dem männlichen Protagonist der „Chroniken der Schattenjäger“, der zum Zeitpunkt der „Chroniken der Unterwelt“ aber schon längst verstorben ist. Alec hat zudem seine Homosexualität lange geheim gehalten. Anfangs war er noch in seinen Parabatai Jace verliebt, später findet er im Hexenmeister Magnus dann einen festen Partner, der seine Gefühle erwidert. Mir hat es gut gefallen, dass Clare das Thema Homosexualität durch die beiden in die Geschichte mit einbaut. Es gibt nicht viele Romane, in denen ein homosexuelles Paar als Nebenfiguren auftaucht. Meist kommen sie gar nicht vor oder explizit in Liebesromanen, die für die LGBT-Szene gedacht sind. In anderen Genres tauchen sie für meinen Geschmack aber noch zu selten auf, deswegen bin ich froh, dass Clare hier mit gutem Beispiel voran geht und zeigt, dass Homosexualität völlig normal ist, auch wenn die Betroffenen es von ihrer Umwelt oft anders zu spüren bekommen. Eine Aussage von Alec hat mich dabei diesbezüglich sehr berührt: „‚Es geht hier nicht um einen einzigen, besonders negativen Vorfall, sondern um viele, beinahe unsichtbare Kleinigkeiten. […] Das alles ist nicht mit einem Messerstich zu vergleichen, vor dem du mich beschützen könntest – es sind eher eine Millionen kleiner Nadelstiche… Tag für Tag.‘“.
In „City of Lost Souls“ machen die Charaktere erneut einen Reifesprung, was sich vor allem darin äußert, dass die Beziehungen und Liebesszenen erstmals eine sexuelle Komponente erhalten. Bei mehreren Paaren bleibt es nicht mehr beim Knutschen. Es wird sich entkleidet und der Körper des anderen zunehmend erforscht. Für fast alle Charaktere sind das völlig neue Erfahrungen, die mit entsprechenden Fragen einhergehen: Wie weit darf ich gehen? Wie weit will ich gehen? Auch das erste Mal und die damit verbundene Überforderung und Sorgen davor werden thematisiert: Ist es der richtige Zeitpunkt und der richtige Partner? Bin ich überhaupt bereit dafür? Dabei überschreitet Clare aber nie die jugendfreie Grenze. Auch der Konsum von Drogen wird hier näher behandelt, als Clary einen Nachtclub betritt, in dem ein Nebel versprüht wird, der sie in einen euphorischen Rauschzustand versetzt. Diese Feendroge entfaltet aber im Lauf der Zeit eine paradoxe Wirkung, sodass sie schlussendlich auf einem Horrortrip ist, der eine Panikattacke auslöst. Die Intention in dieser Szene ist klar. Drogen haben auf den ersten Blick eine angenehme Wirkung, entspannen und machen glücklich, aber gerade halluzinogene Drogen können auch Angstzustände hervorrufen, aus denen der Konsument sich nicht mehr eigenständig befreien kann, weshalb man sich lieber zweimal überlegen sollte zu solchen Substanzen zu greifen.
Das Hörbuch kürzt hier deutlich mehr als beim Vorgänger und trotzdem gehen kausale Zusammenhänge dabei nicht verloren. Teilweise wird sogar ein ganzer Erzählstrang weg gelassen, dessen Inhalt aber später von einem Nebencharakter in zwei Sätzen zusammen gefasst wird, sodass man sich als Leser damit etwa 50 Seiten gespart hat, welche ich der Vollständigkeit halber aber trotzdem überflogen habe. Es ist und bleibt mein größtes Problem mit Clare: ihr Schreibstil. Sie schreibt zu viel, zu dialoglastig und die gesamte Mimik der Charaktere spielt sich gefühlt in ihren Augen ab, selbst wenn diese eigentlich vom Erzähler zu weit entfernt sind, um sie zu deuten. Auch der Erzählstil ist vereinzelt inkonsequent und tangiert die Grenzen eines anderen. Um es kurz zu fassen, ist Clare mehr Weltenschöpferin als begnadete Schriftstellerin.
Das Finale kommt dann ziemlich abrupt und überrumpelt einen fast, wird dann spannend, aber doch recht zügig abgehandelt. Der Epilog ist dagegen mit über 40 Seiten deutlich zu lang und ist vielmehr das eigentliche letzte Kapitel. Im Grunde genommen verfehlt dieser Epilog damit sogar seine ursprüngliche Definition.

Fazit

Es ist inzwischen kein Geheimnis mehr, dass mein Verhältnis zu Cassandra Clares Werken eher einer Hassliebe entspricht. Ihr Schreibstil ist repetitiv, holprig und besteht aus so vielen Dialogen, dass man den Roman fast schon für ein Drama halten könnte. Das Finale war hier, verglichen mit den Vorgängern, eher schwach. Außerdem hätte ich gerne Simon weiter als Protagonisten gesehen, schon allein wegen der Kontinuität. Nichtsdestotrotz schätze ich die „Chroniken der Unterwelt“ für ihren einzigartigen und detaillierten Aufbau einer Urban-Fantasywelt, sowie Clares Mut sensible Themen wie Homosexualität oder Drogenkonsum zu thematisieren. Deswegen werde ich auch noch den letzten Band der Reihe „City of Heavenly Fire“ lesen. „City of Lost Souls“ erhält von mir zwei von fünf Federn.