Die Bestimmung

Die Bestimmung
17. Februar 2020 0 Von lara

Die fünf Fraktionen

Meine Februar-Rezension 2020

Es ist schon fast Tradition, das ich jedes Jahr eine dystopische Jugendbuch-Trilogie lese. 2016 waren es „Die Tribute von Panem“, 2017 „Cassia & Ky“, 2018 die „Amor“-Trilogie und 2019 die „Gaia Stone“-Trilogie. Auch dieses Jahr ist eine weitere Reihe dran, nämlich „Die Bestimmung“ von Veronica Roth. Diese Trilogie wurde zudem mit Shailene Woodley und Kate Winslet in den Hauptrollen verfilmt. Zwar blieb der Film weit hinter dem Erfolg von „Die Tribute von Panem – The Hunger Games“, konnte aber insgesamt 600.000 deutsche Kinobesucher verzeichnen. Das muss natürlich nicht bedeuten, dass die literarische Vorlage aus dem Jahr 2012 im Vergleich ebenfalls schlechter abschneidet.

Inhalt

In einer unbestimmten Zukunft lebt die 16-jährige Beatrice Prior, kurz Tris, in der ehemaligen US-amerikanischen Großstadt Chicago. Der letzte große Krieg ist erst wenige Jahre her, weshalb die Stadt großräumig eingezäunt ist. Um den Ausbruch eines weiteren Krieges zu verhindern, hat sich die Gesellschaft in fünf Fraktionen aufgespalten, die für verschiedene Tugenden stehen. Diese heißen Amite, Altruan, Candor, Ferox und Ken. Wer keiner dieser Fraktionen angehört, ist ein Ausgestoßener. Die Fraktionen dürfen untereinander keinen Kontakt pflegen. Mit 16 Jahren müssen sich die Bewohner der Stadt in einer Zeremonie für eine der fünf Fraktionen entscheiden, zuvor wird ein Eignungstest durchgeführt. Bei Tris zeigt der Test jedoch kein eindeutiges Ergebnis, sie ist damit eine Unbestimmte. An der Zeremonie nimmt sie dennoch teil und muss nun die Wahl treffen, welche Fraktion sie wählt und ob sie dadurch den Kontakt zu ihrer Familie abbrechen muss.

Cover

Das Cover zeigt einen dunkelblauen Himmel mit der Skyline von Chicago am unteren Rand. Im Vordergrund ist ein kreisrundes Symbol aus Flammen zu sehen, das Zeichen der Ferox. Das Feuer gilt als Element dieser Fraktion, ihre Tugend ist die Furchtlosigkeit. Wie das Cover hier schon spoilert, spielen die Ferox eine wichtige Rolle in diesem Jugendbuch. Es ist zwar schön, dass hier mal kein Mädchengesicht abgebildet wurde, das Symbol erinnert mich aber zu sehr an die brennende Spotttölpel-Brosche aus „Die Tribute von Panem“.

Kritik

„In unserem Haus gibt es nur einen einzigen Spiegel.“, ist der erste Satz des ersten von insgesamt 39 Kapiteln. Auf über 450 Seiten erzählt die Protagonistin Beatrice Prior ihre Geschichte aus der Ich-Perspektive im Präsens, die optimale Perspektive um eine starke Identifikation mit dem Erzähler zu bieten, weshalb die Vielfalt dieses Charakters hier besonders wichtig ist.
Tris ist die Tochter von Natalie und Andrew Prior und die Schwester von Caleb. Sie hat große blaugraue Augen, kinnlanges blondes Haar, eine dünne Nase und schmale Lippen. Ihre Eltern sind Altruan, deren Tugend die Selbstlosigkeit ist. Deshalb hängt im Haus ihrer Eltern auch nur ein Spiegel, in den sie nur kurz schauen darf, nachdem ihr die Haare von ihrer Mutter geschnitten wurden. Eitelkeit wird von den Altruan abgelehnt. Tris merkt allerdings früh, dass sie sich mit dem Regelwerk ihrer gebürtigen Fraktion nur schlecht anfreunden kann. Von Anfang an ist sie ein willensstarker, mutiger aber auch mitfühlender und neugieriger Charakter. Sie ist schlicht ein Individuum. Ihr fällt es schwer, sich für eine Fraktion zu entscheiden und sich damit in eine Schublade stecken zu lassen.
Gebürtig gehört sie zu den Altruan, den Selbstlosen, die Egoismus ablehnen. Die Fraktion gilt als unbestechlich, weshalb sie die politische Führung über Chicago haben. Sie setzen sich außerdem für eine gerechte Versorgung der knappen Ressourcen ein. Außerdem sind sie strikt gegen Gier, Neid, Müßiggang, Genusssucht, Eitelkeit, Neugier oder Sarkasmus. Sie feiern keine Geburtstage, halten keine Haustiere, trinken keinen Alkohol, rauchen nicht und essen nur ungewürzte Speisen. Zur Begrüßung reichen sie sich, auch unter Freunden, nur die Hand. Es ist ihnen wichtig leise und unscheinbar zu sein. Klatschen oder Schreien wird bei ihnen verpönt, sie tragen nur graue, weite Kleidung und keinen Schmuck außer manchmal einer Armbanduhr aus pragmatischen Zwecken. Kurzum führen sie ein sehr asketisches Leben. Altruan ist hier ein sprechender Name, denn Altruismus bedeutet Uneigennützigkeit.
Schnell schreitet der Plot voran, denn im ersten Kapitel ist bereits der Tag des Eignungstests, weshalb der Leser nur wenig Zeit hat, Tris‘ Leben und ihre Familie kennenzulernen, bevor sie sich für eine Fraktion entscheiden muss. Alles passiert Schlag auf Schlag, das Tempo reißt den Leser an sich, der Spannungsbogen ist fast kontinuierlich hoch.
Roths Schreibstil ist einem Jugendbuch entsprechend einfach, aber präzise. Auch vor brutaleren Szenen mit spritzendem Blut wird nicht zurück geschreckt. Die dystopischen Elemente werden mal mehr, mal weniger glaubhaft inszeniert.
Ein dystopisches Leitmotiv, das ich so schon in vielen vergleichbaren Werken gefunden habe, ist ein Zaun oder eine Mauer, wie beispielsweise bei „Die Tribute von Panem“, der „Amor“-Trilogie oder der „Gaia Stone“-Trilogie. Schon recht früh fragt sich Tris, ob der Stacheldrahtzaun eigentlich ihrer Sicherheit oder ihrer Gefangenschaft dienen soll. Außerdem wird versteckt das faschistische Regime gezeigt, das zwar keiner Rassenideologie entspricht, aber seine Gesellschaft durch Fraktionen und deren Isolierung voneinander bewusst spaltet. Ob dieses Konzept wirklich der Konfliktprävention dienen soll, ist überaus fraglich.
Auch klassische Leitmotive von Jugendbüchern finden hier Anklang. Zum Beispiel würde der Wechsel in eine andere Fraktion den völligen Kontaktverlust der eigenen Familie bedeuten. Zwar hat Tris schon länger das Gefühl, nicht wirklich zu den Altruan zu passen, möchte ihr Leben aber gleichzeitig nicht ohne ihre Eltern verbringen müssen. Dieser innere Konflikt bestimmt Tris‘ Handeln und Denken enorm und selbst nach der Entscheidung hat sie Zweifel, ob sie sich richtig entschieden hat und ihrer wahren Bestimmung folgt. In abgeschwächter Form macht auch jeder Heranwachsende eine Phase durch, in der die Loslösung von den Eltern, vor allem durch den Auszug, ein wichtiges, aber manchmal auch schmerzhaftes Thema ist.
Das Ende ist unglaublich spannend, gewalttätig und rasant. Bereits hier lassen einige Charaktere ihr Leben. Ich bin sehr gespannt, worauf dieses fesselnde Finale mit seinen Wendungen noch hinausläuft.

Fazit

Obwohl ich wirklich schon viele dystopische Jugendbücher gelesen habe, konnte mich „Die Bestimmung“ von Veronica Roth positiv überraschen. Das dystopische Setting ist interessant, wenn auch nicht unbedingt das beste, das ich kenne. Was darauf gebaut wird, ist allerdings beachtlich. Die Protagonistin ist sympathisch ohne perfekt zu sein, der Plot ist mitreißend und unvorhersehbar. Kleines Manko bleibt die Liebesgeschichte, die mir anfangs noch gefallen hat, die fortschreitend aber immer mehr in das typische Teenager-Drama abrutscht. Das reicht jedoch nicht, um die Wertung stark negativ zu beeinflussen. Deshalb erhält der Auftakt der Trilogie aus dem Jahr 2012 vier von fünf Federn. Als nächstes werde ich die Fortsetzung „Die Bestimmung – Tödliche Wahrheit“ lesen.