Der Weg der gefallenen Sterne

Der Weg der gefallenen Sterne
13. Juni 2019 0 Von lara

Exodus oder Exitus?

Meine Juni-Rezension 2019

Mit einer doch etwas moderaten Erwartungshaltung bin ich an den letzten Band der „Gaia Stone-Trilogie“ von Caragh O‘Brien gegangen. „Der Weg der gefallenen Sterne“ aus dem Jahr 2013 schließt die dystopische Jugendbuchreihe ab. Viele Fragen stellten sich mir schon vor dem Lesen: Wird der letzte Band eine derbe Enttäuschung oder ein gutes Ende liefern? Wie werden die gesellschaftlichen Probleme gelöst? Gibt es ein Happy End oder vielleicht ein offenes Ende? Der dritte Band ist besonders in diesem Fall entscheidend für die Bewertung der gesamten Trilogie.

Inhalt

Nach dem Tod Lady Olivias ist die inzwischen 17-jährige Gaia Stone die neue Matrarch Sylums. Da sie das Heilmittel gegen die Schwellenkrankheit entdeckt hat, ist es den Bewohnern nun möglich das Dorf zu verlassen. Die Meisten entscheiden sich dafür, die Umgebung des giftigen Nipigonsumpfes gänzlich hinter sich zu lassen und mit Gaia zurück nach Wharfton zu ziehen. Nach wochenlangen Strapazen erreichen sie ihr Ziel und gründen im Bett des Trockensees die Gemeinde „New Sylum“. Dies bleibt von der Enklave nicht unbemerkt, weshalb Gaia prompt im Gefängnis landet und darum bangen muss, ob ihre Völkerwanderung wirklich die richtige Entscheidung zum Schutz ihrer Gefolgsleute und sich selbst war.

Cover

Auch dieses Cover ist nahezu identisch mit den Vorgängern. Die Profile des Mädchens oben und unten sind genauso wie beim ersten Band. Die Rauchschwaden verblassen, die silbernen Punkte sind exakt so positioniert wie beim Vorgänger. Hier ist der Hintergrund dunkelrot. Mein Lieblingscover dieser Trilogie bleibt das von „Die Stadt der verschwundenen Kinder“, da die silbernen Punkte mit dem dunkelblauen Hintergrund am besten harmonieren. Jedoch habe ich noch nie eine Buchreihe besessen, deren Cover sich so stark ähneln. Etwas mehr Abwechslung und Kreativität hätten ruhig sein können.

Kritik

„Gaia legte einen Pfeil ein und spannte den Bogen.“, ist der erste Satz des ersten Kapitels. Wie gewohnt ist die Protagonistin Gaia die personale Erzählerin im Präteritum. Die Geschichte setzt an einem Zeitpunkt ein, an dem die Völkerwanderung schon recht weit fortgeschritten ist, sodass der Leser auch hier nur einen knappen Einblick in das Ödland bekommt, was klug gewählt ist.
Gaias Charakterwandel ist auch hier wieder sprunghaft fortgeschritten. War sie zuvor noch ein rebellisches und halsstarriges Mädchen, ist sie nun eine autoritäre und selbstbewusste junge Frau, wie sie auch selbst feststellt. Trotzdem hat sie manchmal Probleme, sich gegen ihre Gefolgsleute durchzusetzen, da sie teilweise mit ihrer Position überfordert ist. Auch in puncto Sexualität hat sich bei ihr Einiges getan. Fand im ersten Band noch ihr erster Kuss statt, wird hier bereits erwähnt, dass sie schon häufiger mit ihrem Freund Leon geschlafen habe. Zwar verstehe ich, dass O‘Brien dieses Mittel einsetzt, um Gaias Erwachsen sein zu untermauern, ich empfinde es dennoch als unpassend, da Gaia immer wieder Zweifel an ihrer Beziehung zu Leon hat und seine Heiratsanträge mehrfach abgelehnt hat. Aber Sex ist kein Problem? So Eine ist Gaia nun wirklich nicht.
Subjekt ihrer Begierde ist Leon, den sie in „Die Stadt der verschwundenen Kinder“ als Leon Grey kennenlernte, als dieser sie in ihrem Elternhaus erwartet, um ihr mitzuteilen, dass ihre Eltern von ihm und weiteren Soldaten der Enklave verhaftet wurden. Kein besonders guter Start für eine Beziehung sollte man meinen. Konnte ich ihn anfangs noch gut leiden, nahm die Sympathie bei mir in jedem Band ein wenig ab. Inzwischen bin ich soweit zu sagen, dass Leon der schlimmste „Book Boyfriend“ seit Langem ist. Er ist impulsiv, aggressiv, egoistisch und provokant. Mit seinem Verhalten legt er Gaia häufig Steine in den Weg und macht ihr die diplomatischen Verhandlungen zusätzlich unnötig schwer. Deshalb haben mir die romantischen Szenen zwischen den Beiden auch nicht gefallen, die aber glücklicherweise hier mehr in den Hintergrund rücken, was aber nicht bedeutet, dass die Dreiecksbeziehung damit völlig beendet wäre. Denn auch wenn Gaia sich für Leon entschieden hat, heißt das für sie ja nicht, dass ihre weiteren Verehrer sich anderweitig umschauen dürfen. Darauf reagiert sie prompt mit Eifersucht. Es tut mir schon fast leid, es so zu formulieren, aber diese Liebesgeschichte ringt mir von vorne bis hinten nur Augenrollen ab.
Was mir allerdings in der gesamten Trilogie gefallen hat, ist die Darstellung von Gaia als Hebamme. O‘Brien hat hier gut recherchiert und thematisiert verschiedene Aspekte von Schwangerschaft und Entbindungen, beispielsweise Beckenendlagen, Kaiserschnitte, Plazentaretenzionen oder Abtreibungen. Auch andere medizinische Bereiche wie Genetik oder Hämatologie sind korrekt umschrieben. Was Transfusionen betrifft, stolpert die Autorin dann letztendlich doch. In einer Szene findet eine Übertragung von Mensch zu Mensch statt. Beide sind in sitzender Position, die behandelnde Ärztin verlässt das Geschehen kurz nach dem Verbinden beider Venen. Die Transfusion soll plötzlich ganz automatisch laufen, aber wie soll denn das Blut fließen, wenn es nur eine Verbindung gibt? Dafür bräuchte man eine Spritze von Jubé, die kontinuierlich betätigt werden müsste, was hier nicht der Fall ist. Selbst wenn der Rest medizinisch nicht zu beanstanden ist, ist knapp vorbei eben trotzdem daneben.
Hat mir der Schreibstil im Auftakt noch sehr gefallen, konnte er mich zunehmend weniger überzeugen. Das Ganze wirkt letztendlich nur noch hektisch und ungeschliffen, gerade so, als würde ein eigentlich guter Koch in der Eile vergessen sein Gericht zu salzen. Es ist fad und muss, trotz allem Bedauern, bemängelt werden. Der Plot verläuft sich erst und verstrickt sich dann in Ungereimtheiten. Auch wenn es schon fast böse klingt, ist es wirklich gut, dass „Der Weg der gefallenen Sterne“ mit 350 Seiten und 24 Kapiteln kürzer als sein direkter Vorgänger ist. Die Länge ist nämlich angemessen und der Fehler von „Das Land der verlorenen Träume“ wurde damit nicht wiederholt. Mit dem Ende bin ich einigermaßen zufrieden. Die größten Fragen wurden beantwortet, ein kleiner Teil bleibt offen. Allerdings hätte das Finale doch etwas spannender sein können, denn der richtig aufregende Teil beschränkt sich auf zwei, drei Seiten, was für den Abschluss einer Trilogie eindeutig zu wenig ist. Ich bin einfach froh, die Trilogie abgeschlossen zu haben und zu etwas Neuem greifen zu können.

Fazit

„Der Weg der gefallenen Sterne“ konnte mich leider nicht mitreißen. Zwar mochte ich Gaia als Charakter nach wie vor sehr und die entsprechende Kürze hat dem Werk gut getan. Das alles kann aber nicht über Leon als Antipathieträger, eine missglückte Liebesgeschichte, mittelmäßige Recherche, einen abflachenden Stil und ein unspektakuläres Ende hinweg täuschen. Deswegen kann ich für diesen Band von Caragh O‘Brien maximal zwei von fünf Federn vergeben. Ob ich die „Gaia Stone-Trilogie“ im Allgemeinen empfehlen kann, ist schwierig zu beantworten. Wer sich mit einem starken Auftakt in einer grundsätzlich schön inszenierten dystopischen Welt zufrieden geben, in anderen Punkten aber auch Abstriche machen kann und wer gleichzeitig ein Fan des Genres mit weiblichen Protagonistinnen und Dreiecksbeziehungen ist, ist hier noch recht gut beraten. Allen anderen kann ich ans Herz legen, erst einmal andere dystopische Jugendbücher zu lesen und hier lediglich ergänzend zuzuschlagen.