Clockwork Princess
Das viktorianische London
Meine Dezember-Rezension 2018
Nach einem Monat halte ich schon den dritten und letzten Band der „Chroniken der Schattenjäger“ in den Händen. Die Vorgeschichte zu den „Chroniken der Unterwelt“ spielt vor circa 120 Jahren im viktorianischen London. Doch was genau definiert das viktorianische Zeitalter eigentlich? Anhand des Namens wird schon deutlich, dass es mit einer Viktoria zu tun haben muss. Genauer gesagt ist es Prinzessin Alexandrina Victoria von Kent, die von 1837 bis 1901, also ganze 64 Jahre, als Königin Victoria über Großbritannien und Irland herrschte. In diesem Zeitraum florierte Großbritanniens Wirtschaft, was vor allem am Beginn der Industrialisierung lag. Diese Atmosphäre fängt Cassandra Clare in „Clockwork Princess“ aus dem Jahr 2013 ein.
Inhalt
Das Institut der Schattenjäger in London kommt einfach nicht zur Ruhe. Nathaniel ist tot, Charlotte ist schwanger, Jessamine hat sich als Verräterin entpuppt und mit Gideon Lightwood sowie Cecily Herondale, Wills jüngerer Schwester, gibt es zwei neue Mitbewohner im Institut. Außerdem steckt Theresa Gray mitten in ihren Hochzeitsvorbereitungen mit James Carstairs, als Gabriel Lightwood, Gideons Bruder, behauptet, ihr Vater hätte sich in einen riesigen Wurm verwandelt. Dabei dürfen die Schattenjäger das nach wie vor größte Problem, Axel Mortmain, nicht vergessen. Denn dieser plant die Schattenjäger ein für allemal auszulöschen.
Cover
Auch dieses Mal reiht sich das Cover bei seinen Vorgängern ein. Der Hintergrund ist dieses Mal grün und in der Mitte ist die St. Pauls Cathedral in London abgebildet, um die Krähen schwirren. Davor ist rechts die Silhouette einer jungen Frau in einem Kleid zu sehen, die nach rechts schaut, wobei die rechte Hand dicht am Körper liegt und die linke sich am Rand abzustützen scheint. Dies ist das sogenannte alte Cover. Wer „Clockwork Princess“ heute in der Buchhandlung kaufen möchte, bekommt ein anderes Cover in die Hand gedrückt, vor dem ich schon fast warnen muss. Denn wer bei diesem in den Umschlag schaut, wird dort einen Stammbaum über die Familien Carstairs, Herondale und Lightwood von 1831 bis 2007 finden. Da „Die Chroniken der Schattenjäger“ aber Ende des 19. Jahrhunderts spielen, ist dies also der reinste Spoiler auf dem Präsentierteller. Denn ich dumme Nuss wusste dadurch leider schon vor dem Lesen des Buches, mit wem Theresa, kurz Tessa, Kinder zeugen wird.
Kritik
Mit knapp über 600 Seiten und 24 Kapiteln ist „Clockwork Princess“ der längste Band der Trilogie. Dieser beginnt mit einem Prolog, in dem einerseits beleuchtet wird, was 1847 mit Aloysius Starkweathers Enkeltochter Adele passierte, andererseits auch die erste Begegnung zwischen William und James zeigt. Im ersten Kapitel probiert Tessa dann ihr, nach Tradition der Schattenjäger, goldenes Hochzeitskleid an. Am Anfang jedes Kapitels finden sich wieder Zitate, die die jeweilige Stimmung gut einfangen oder die auf die Gefühlslage bestimmter Charaktere adaptierbar sind. Darunter sind Auszüge aus Werken von William Shakespeare, Victor Hugo oder häufig Alfred Lord Tennyson.
Tessa bleibt weiterhin die Protagonistin der Geschichte, bei der der personale Erzähler und das Präteritum verwendet wird. Aber auch andere Nebencharaktere berichten aus derselben Erzählperspektive, wie neuerdings Gabriel Lightwood und Cecily Herondale. Insgesamt sind mir das allerdings zu viele offene Erzählstränge. Es gibt, was man anhand der Inhaltsgabe schon erkennen kann, viele kleinere Stränge, in denen der rote Faden, nämlich die Suche nach dem Antagonisten Axel Mortmain, oft verloren geht. Interessant waren aber die Briefe, die hier neu angewendet werden und die noch einige aufschlussreiche Blicke hinter verschlossene Türen bieten, wie beispielsweise bei der Kongregation oder Konsul Wayland.
Auch Tessas Dreiecksbeziehung setzt sich weiterhin hemmungslos fort. Zwar ist sie mit James, kurz Jem, bereits verlobt, das ändert aber nichts an ihren Gefühlen für William. Sie ist sich bewusst, dass sie beide liebt und ihre Gedanken kreisen stets zwischen der pathetischen Frage, warum sie nicht beide lieben kann und geißelt sich im nächsten Moment dafür, solche Gedanken zu haben, beziehungsweise immer einen zu verletzen, während sie dem anderen ihre Zuneigung schenkt. Seitdem ich blogge, sind die „Chroniken der Schattenjäger“ bereits die vierte Trilogie, in der eine Dreiecksbeziehung vorkommt und so langsam kommt es mir aus den literarischen Ohren raus. Ich liebe Jugendliteratur, wünsche mir aber doch mal alternative Schemen. Zwar weichen die Dreiecksbeziehungen inhaltlich voneinander ab, aber sie sind auch häufig vorhersehbar. Mir ist aber bewusst, dass mich das an Clares Werk eben nur stört, weil ich so etwas zu oft gelesen habe. Hätte ich die „Chroniken der Schattenjäger“ früher gelesen, wäre mein Urteil vermutlich anders ausgefallen.
Und es geht mit den Beschwerden weiter, denn ich habe in dem Buch zwei Aussagen gefunden, die sehr widersprüchlich zueinander sind. Auf Seite 78 ist ein Dialog zwischen Tessa und Cecily, in dem beide über Will sprechen, Cecilys Bruder. Diese beklagt, dass Will als Kind ihre Familie verlassen und sich nie gemeldet hat. Tessa erinnert sie daran, dass Will damals dachte er sei verflucht und er müsste fliehen, um seine Familie zu schützen. Später, auf Seite 167 steht Cecily alleine im Fechtsaal und führt einen inneren Monolog, in dem sie sich Fragen über Will stellt wie: „Warum hatte er dem blauesten aller blauen Meere den Rücken gekehrt?“. Hatten wir das nicht schon fast 100 Seiten vorher geklärt? Ist Cecily senil oder hat sie Tessa einfach nicht zugehört? Hier schließt sich der Kreis wieder: Cecilys Verhältnis zu Will ist einer von vielen Aspekten der Geschichte, der sich lange im Kreis dreht, ohne dass es zu Entwicklungen kommt, ähnlich wie bei der Dreiecksbeziehung. Außerdem gibt es neben Tessas Liebesleben noch einige andere Paare, die mit überzogenem Drama zu kämpfen haben. Das macht sich auch dadurch bemerkbar, dass die erste Hälfte des Jugendbuchs äußerst dialoglastig ist. Spannend wird es dabei leider selten, sondern eher überemotional. Es wird gezittert, geweint und geflucht wie in einer Seifenoper. Setzt Clare aber doch mal gezielt auf Action, ist diese dann durchaus gelungen. Glücklicherweise gibt es etwa ab der zweiten Hälfte deutlich mehr spannende Szenen, die auch zur Weiterentwicklung des Plots beitragen. Von da an wird das Lesen, zumindest streckenweise, flüssiger und aufregender.
Das Finale an sich war spektakulär, aber nur teilweise unvorhersehbar. Danach folgen wieder ellenlange Dialoge, die nur Dinge auflösen, die ohnehin absehbar waren. Zum Schluss folgt ein Epilog, der anfangs wirklich schön ansetzt, sich aber im Verlauf weitestgehend verliert. Ehrlich gesagt bin ich froh, dass die Reihe nun abgeschlossen ist und ich mich vorerst Büchern von anderen Autoren widmen kann.
Fazit
Wirklich fesseln konnte „Clockwork Princess“ mich nicht. Das lag vor allem an der Dreiecksbeziehung, den vielen Nebencharakteren, die vom anfänglichen Plot stark ablenken und den sich immer wiederholenden melancholischen Dialogen, dass sogar die Charaktere selbst nicht mehr wirklich aufzupassen scheinen. Außerdem kann ich euch nur raten nicht in die Innenseite des Umschlags mit dem neuen Cover zu schauen, da dort ein spoilerreicher Stammbaum auf euch wartet. Damit hat sich das Buch grandios selbst ins eigene Fleisch geschnitten. Nicht zu vergessen sind allerdings die positiven Aspekte des letzten Bands der Trilogie. Die Figuren sind mittelmäßig bis sehr gut gezeichnet, allen voran mein Favorit Henry Branwell konnte punkten. Zudem kann die zweite Hälfte der Urban Fantasy-Geschichte wieder das Niveau erhöhen, wenn auch nicht alles ausbügeln. Außerdem hat Cassandra Clare bei der Beschreibung von London gut recherchiert. Insgesamt konnte mich der dritte Band der „Chroniken der Schattenjäger“ am wenigsten überzeugen. Es war in Ordnung, aber definitiv nicht mehr. Deswegen gebe ich „Clockwork Princess“ zwei von fünf Federn. Trotzdem kann ich mir vorstellen, Clare mit den „Chroniken der Unterwelt“ eines Tages noch eine Chance zu geben, denn unterm Strich fand ich die Trilogie gut, vor allem für die weibliche Zielgruppe von etwa 14 bis 18 Jahren.