Zeit der Krähen

Zeit der Krähen
2. August 2018 0 Von lara

Ungezähmt, ungebeugt, ungebrochen

Meine Juni-Rezension 2018

 

Es ist soweit! Mit Band sieben von „Das Lied von Eis und Feuer“ endet das Blogspecial 2017/2018. Mit dem Abschluss von „Zeit der Krähen“ aus dem Jahr 2006 habe ich genau die erste Hälfte der High-Fantasysaga durchgelesen. Da die Reihe bisher noch nicht abgeschlossen ist, muss ich das Blogspecial zwangsläufig unterbrechen und wo wäre es angebrachter als genau in der Mitte? Ich hoffe nur, dass George R. R. Martin endlich die Fortsetzung veröffentlicht, denn inzwischen bin ich eindeutig ein großer Fan.

Inhalt

Viel Blut wurde inzwischen vergossen und ebenso viele mussten ihr Leben lassen. König Joffrey, Tywin Lennister, Shae, Lysa Arryn, Oberyn Martell, Catelyn und Robb Stark sind allesamt brutalen Ermordungen zum Opfer gefallen. Auf dem Eisernen Thron sitzt nun Tommen, Joffreys jüngerer Bruder, der mit der verwitweten Margaery Tyrell vermählt werden soll. Tyrion Lennister wird des Mordes an Joffrey und Tywin verdächtigt, doch er konnte dank seines Bruders Jaime und Varys fliehen und ist seitdem unauffindbar.
Auch Sansa Stark steht unter Verdacht etwas mit Joffreys Tod zu tun zu haben, doch sie konnte ebenfalls mithilfe von Lord Petyr Baelish flüchten und hält sich nun in Hohenehr auf, wo sie prompt mitansieht wie Kleinfinger ihre Tante Lysa durch die Himmelspforte stößt. Einerseits ist sie dankbar, da er ihr damit das Leben gerettet hat, andererseits wächst ihre Angst vor ihm weiter. Sie fühlt sich einsam und heimatlos, doch es gibt keinen Ort in Westeros, an dem sie in Sicherheit wäre.

Cover

Das Erste, was mir sofort aufgefallen ist, sind die beiden Drachen, die den Schild in der Mitte säumen. Diese sind erstmalig anthrazit anstatt in der Farbe des pergamentartigen Hintergrundes. Der Schild selbst ist rot und zeigt einen nach unter gerichteten Speer vor einer Sonne. Der gleichfarbige Helm darüber ist auffallend lang und hat neben den Augenschlitzen noch eine verbundene vertikale Öffnung, die vollständig bis an das untere Ende verläuft. Auf dem Banner zwischen Helm und Schild steht: „Ungezähmt, ungebeugt, ungebrochen“, der Wahlspruch des Hauses Martell. Das Haus spielt in diesem Band durch die sogenannten Sandschlangen eine größere Rolle als je zuvor.

Kritik

Mit knapp über 500 Seiten ist „Zeit der Krähen“ erheblich kürzer als sein Vorgänger. Da es die erste Hälfte des vierten Originalbandes ist, findet sich hier wieder ein Prolog, in dem es dieses Mal um Pat, einen Novizen aus der Citadel von Altsass geht, der in die Tochter der Prostituierten Emma namens Rosi verliebt ist und davon träumt, sie entjungfern zu dürfen.
Anschließend fällt der große erzählerische Unterschied im Vergleich zu den vorherigen Werken auf. Wo man zuvor stets Protagonisten als personale Erzähler und im Präteritum verfolgte, gibt es nun auch vermehrt Nebencharaktere, die einzelne Kapitel haben, dabei steht jedoch nicht wie bei den Protagonisten der Name des Charakters am Anfang, sondern vielmehr ihre Position wie „Der Prophet“, „Der Hauptmann der Wache“ oder „Die Tochter des Kraken“. Mich persönlich hat es enttäuscht, dass Martin von seiner gewohnten Struktur abweicht und neue Erzählstränge eröffnet, die sich eher in die Länge ziehen, als zum Weiterspinnen des roten Fadens der Geschichte beizutragen. Der Plot verläuft sich dadurch, sodass über mehrere hundert Seiten kaum Fortschritt zu spüren ist, was die Saga zum allerersten Mal langatmig macht.
Doch wie gewohnt treten auch zwei neue Protagonisten auf, die die Frauenquote ausnahmsweise mal erhöhen: Cersei Lennister und Brienne von Tarth.
Cersei Lennister ist die Tochter von Lord Tywin und Joanna Lennister, die Zwillingsschwester von Jaime und die ältere Schwester von Tyrion. Sie war mit Robert Baratheon verheiratet, der Vater ihrer drei Kinder Joffrey, Myrcella und Tommen ist jedoch Jaime. Sie ist die Königinregentin, da Tommen mit seinen zehn Jahren noch zu jung zum Regieren ist. Cersei wird als hübsche Frau mit grünen Augen und langen goldenen Haaren beschrieben, doch ihr Charakter ist weniger schön. Sie ist machthungrig und träumt davon Königin zu sein, was ihr aber allein schon aufgrund ihres Geschlechts erschwert wird. Auf den Eisernen Thron hat sie keinerlei Anrechte, doch sie versucht durch ihre Söhne Joffrey und Tommen, die sie als Robert Baratheons Kinder ausgibt, Macht auszuüben. Ihr Wesen ist von Hass erfüllt und sie scheint nahezu jeden Mitmenschen zu verabscheuen, vor allem ihren Bruder Tyrion. Seitdem Jaime seine Schwerthand verloren hat, sinkt selbst er stark in ihrer Gunst und sogar ihre Kinder scheint sie nicht bedingungslos zu lieben. So denkt sie sich bei Tommens Anblick beispielsweise, dass er viel zu verweichlicht und zartbesaitet sei. Stattdessen wünscht sie sich, dass Tommen mehr wie sein älterer Bruder Joffrey wäre, den sie offensichtlich bevorzugt. Hinter jedem freundlichen Wort oder nettem Lächeln verbirgt sich ihr grausamer Charakter und sie schaut auf jeden herab, der ihr begegnet. Zwar ist Cersei eine interessante Protagonistin, es ist aber unglaublich ermüdend ihre egozentrischen und hasserfüllten Gedanken zu verfolgen. Sobald etwas nicht nach ihrem Plan verläuft, gerät sie in unaufhaltsame Rage. Sie ist definitiv eine Figur, die mir das Lesen erschwert hat, zumal sie in diesem Band sehr viele Kapitel erzählt.
In „Zeit der Krähen“ hebt sich mit der Religion ein Motiv besonders hervor, dass in der Saga immer wieder auftritt. Über die Kontinente und Länder verteilt gibt es einige Religionen und Götter, die Huldigung erfahren. Zum Beispiel der Glaube an die Alten Götter, an die Sieben, an den Ertrunkenen Gott, an den Herrn des Lichts oder an den Vielgesichtigen Gott, um nur die Wichtigsten zu nennen. Dabei sind Monotheismus und Polytheismus gleichermaßen vertreten. Im Gegensatz zur realen Welt, in der es zwar auch viele unterschiedliche Religionen gibt, die Existenz von Göttern aber stark umstritten ist, ist es bei Martins Werken sehr wahrscheinlich, dass es zumindest einige der Götter tatsächlich gibt. Am überzeugendsten ist für mich die Existenz von R‘hollor, dem Herrn des Lichts, dem vor allem Melisandre huldigt. Spätestens nach der Wiederbelebung von Beric Dondarrion ist klar, dass dazu übernatürliche Kräfte nötig waren. Auch andere Religionen wie der an die Alten Götter, den Ertrunkenen Gott oder die Sieben könnten auf einem wahren Kern begründet sein, auch wenn es dazu eher Hinweise als Beweise gibt. Meine persönliche Lieblingsreligion ist übrigens die des Vielgesichtigen Gottes, bei dem ich überzeugt bin, dass er existiert.
Das letzte Kapitel erzählt Arya, was mein Herz ohnehin höher schlagen lässt und mich für manch zähe Lesestunde ein wenig entschädigt. Abschließend folgt ein kurzes Statement von Martin persönlich, der berichtet, dass dieses Buch nur die erste Hälfte eines Gesamtwerkes ist, bei dem er sich überlegt hat jedem Teil bestimmten Charakteren zuzuordnen. Das bedeutet, dass die Figuren, die in diesem Band kein einziges Kapitel hatten, wie beispielsweise Tyrion, Bran oder Daenerys, im nächsten Band vermehrt auftreten werden. Da „Zeit der Krähen“ aber vorerst mein letztes Buch von Martin war, verzögert sich mein Wiedersehen mit diesen Charakteren auf unbestimmte Zeit.

Fazit

Wie ich bereits deutlich gemacht habe, ist Band sieben der Reihe „Das Lied von Eis und Feuer“ bisher der schlechteste. Insgesamt gab es mit den Nebencharakteren so viele Erzähler, dass einzelne Erzählstränge kaum voran kamen. Auch Cersei als Protagonistin trug erheblich zu meinem Unmut bei. Trotzdem ist das Meckern auf hohem Niveau und nur, weil es mir bisher am meisten missfallen hat, heißt es nicht, dass „Zeit der Krähen“ ein schlechtes Buch ist. Ich denke eher, dass es eine kurze Flaute in einem ansonsten grandiosen Höhenflug ist und dass die folgenden Bände vielversprechend sind. Deswegen erhält dieses Buch gute drei von fünf Federn von mir. Dennoch ist nun der perfekte Zeitpunkt für mich gekommen, um zu pausieren, gerade weil Band sieben und acht im selben Zeitraum mit verschiedenen Figuren spielen, sodass ich mir erhoffe schnell wieder anknüpfen zu können.