Ruf des Lebens
Ruf die Hebamme!
Meine November-Rezension 2017
Die BBC ist bekanntlich das britische Pendant zur ARD und zeigt, wie man es richtig macht. Zwar müssen auch die Briten ähnliche Gebühren wie GEZ bezahlen, jedoch bekommen sie am Jahresende das Geld zurück, dass die BBC nicht ausgegeben hat. Habt ihr schon einmal GEZ-Gebühren zurück bekommen? Natürlich nicht! Außerdem investiert die BBC ihr Geld sehr gut und produziert jährlich international erfolgreiche und preisgekrönte Serien wie Doctor Who, Sherlock oder Downton Abbey. Hat die ARD in letzter Zeit eigentlich etwas Nennenswertes produziert? Nicht, dass ich wüsste. Es gibt eine weitere sehr empfehlenswerte Serie, die in Großbritannien alle Rekorde brach, aber in Deutschland eher mittelmäßig erfolgreich war: Call The Midwife. Dank Netflix bin ich inzwischen bei der zweiten Staffel und als ich erfahren habe, dass die Geschichte auf einem autobiografischen Roman von Jennifer Worth basiert, musste ich mir das Buch unbedingt ausleihen. Seit 2013 ist „Ruf des Lebens“, der erste Band der Call The Midwife-Trilogie, auch hierzulande erhältlich und erzählt die Geschichte einer mutigen jungen Frau, die über sich selbst hinauswächst.
Inhalt
Die 23-jährige Jennifer Lee, damals noch ledig, kommt im Jahr 1958 als Krankenschwester und Hebamme zur Ausbildung in das Londoner East End, das zu der Zeit von Armut geprägt war. Unterkunft und Arbeit findet sie im von Nonnen geleiteten Kloster „Nonnatus House“. Zu ihrer Arbeit gehören sowohl Sprechstunden vor Ort als auch Pflegevisiten und Spontanentbindungen im Haus der Patienten, wozu sie zu jeder Tageszeit und bei jedem Wetter mit dem Fahrrad durch die Stadtteile fahren muss. Dabei erlebt sie unglaubliche Geschichten von Liebe, Verlust, Reue, Krankheit, Tod, Verzweiflung und Zusammenhalt. Außerdem erzählt sie von ihren privaten Träumen, Freundschaften und Enttäuschungen, die sie persönlich erfahren hat.
Cover
Das Cover ist dasselbe wie das der ersten Serienstaffel. Es ist ein Foto der Darstellerinnen Jessica Raine, Bryony Hannah und Helen George in ihren Rollen als Jennifer Lee, Cynthia Miller und Beatrix Franklin auf Fahrrädern in ihrer Schwesterntracht mit Mänteln und Häubchen. Hinter ihnen sind drei Kinder zu sehen, ein Junge und zwei Mädchen. Außerdem sind im Hintergrund Reihenhäuser aus Backsteinen zu sehen, zwischen denen Wäscheleinen gespannt sind. Ich persönlich bin kein Fan von Film- oder Seriencovern, deshalb finde ich es schade, dass das Buch kein individuelles Cover besitzt. Allerdings trifft dieses Foto die Atmosphäre des Buches schon sehr gut, deswegen ist es für mich trotzdem in Ordnung.
Kritik
Im Vorwort erklärt Worth, wodurch sie den Entschluss gefasst hat, die prägendste Zeit ihres Lebens niederzuschreiben. Im Prolog beschreibt sie dann das Londoner East End Ende der 50er-Jahre, seine Bewohner und die Umstände, unter denen sie leben mussten.
Da es sich hier um einen autobiografischen Roman handelt, schreibt sie selbstverständlich im Präteritum und der Ich-Perspektive. Die Kapitel sind in sich abgeschlossene Kurzgeschichten, deren Figuren jedoch später immer wieder in anderen Kapiteln auftauchen können.
Jennifer Lee, kurz Jenny, ist eine junge, emanzipierte und intelligente Frau. Während ich ihre Geschichte las, hatte ich die ganze Zeit die angenehme Stimme von Judy Winter im Ohr, die in der Serie auch die deutsche Stimme der Erzählerin übernimmt, sodass ich sehr schnell in die 50er-Jahre eintauchen konnte. Sie ist, obwohl sie im Kloster lebt und arbeitet nicht gänzlich ihrer Arbeit verfallen, sondern genießt auch gerne ihre Freizeit mit ihren Freundinnen und ist, laut eigener Aussage, nicht so bieder, wie es das Klischee vermuten lässt, allerdings in mancherlei Hinsicht auch noch unschuldig und naiv. So weiß sie beispielsweise nicht, was „anschaffen gehen“ bedeutet. Außerdem ist sie empathisch und engagiert, gesteht sich aber auch Fehler ein, wodurch sie sehr sympathisch wirkt.
Zwar folgt die Geschichte grob einem chronologischen Ablauf, zwischendurch gibt es jedoch kleinere Zeitsprünge. So handelt das erste Kapitel von einer Frau, die zuhause mit Jenny als Hebamme ihr viertes Kind entbindet, während es im zweiten um Jennys ersten Tag im Nonnatus House und ihrer Begegnung mit der demenzkranken Nonne Schwester Monica Joan geht. Das zweite Kapitel spielt also wenige Tage vor dem ersten. Jennys Begegnungen mit den Menschen aller Art lassen sie menschlich reifen und geben ihr eine völlig neue Weltanschauung. Sie trifft Frauen, die nicht von ihrem Mann, sondern von einer Affäre geschwängert wurden und panische Angst vor der Entbindung haben. Unverheiratete Mädchen, die die Schwangerschaft verheimlichen wollen. Junge Frauen, die zur Prostitution und anschließend zur Abtreibung mit rostigen Klingen gezwungen wurden. Verheiratete Mütter, die nicht wissen, wie sie ihr achtes Kind noch ernähren sollen. Menschen, die die Arbeitshäuser überlebt haben und noch viele andere berührende Kurzgeschichten. Außerdem ist „Ruf des Lebens“ sowohl in Allgemein- als auch in Geburtsmedizin sehr informativ und so kann der Leser einerseits etwas über physiologische und andererseits pathologische Ereignisse und ihre Maßnahmen erlernen. Falls irgendwelche Fachtermini überfordern sollten, kann man jederzeit im Glossar nachschlagen. Dort wird alles von „Albuminurie“ bis „Zangengeburt“ gut erläutert. Die Kurzgeschichten sind mir fast alle nah gegangen. Manche waren traurig, andere gingen unverhofft noch gut aus und wieder andere lösten in mir eine Mischung aus Erstaunen und Belustigung aus. Die Serie ist nah an der Buchvorlage orientiert, deswegen waren mir die meisten Geschichten schon bekannt, aber das änderte nichts daran, dass ich beim Lesen mitgefiebert habe. Außerdem gab es im Buch noch zusätzliche interessante Informationen und Details, die aus der Serie nicht hervor gehen. Allerdings hat mir persönlich noch die eine Geschichte gefehlt, die mir die Tränen in die Augen treibt, oder mich noch nachträglich beschäftigt. Aber leider blieb das dieses Mal aus. Trotzdem habe ich eine Lieblingsgeschichte gefunden, die im Buch noch emotionaler war als in der Serie und das war die von Mrs Jenkins.
Ein kleines Manko war, dass im Buch die einzelnen Schicksale, egal ob beruflich oder privat, wirklich Kapitel für Kapitel vorgestellt werden. In der Serie dagegen sind meist zwei berufliche Schicksale mit einem privaten Ereignis verknüpft, sodass die Geschichte fließende Übergänge hat und die Erzählung lebhafter wird, anstatt von einem einzelnen Fall von Anfang bis Ende zu berichten.
Apropos Ende: Dieses war kein richtiges Ende, sondern eine Anekdote über eine Nonne aus dem „Nonnatus House“, die vor allem für Worth einen bleibenden Eindruck hinterließ.
Da es sich hier um einen autobiografischen Roman handelt, schreibt sie selbstverständlich im Präteritum und der Ich-Perspektive. Die Kapitel sind in sich abgeschlossene Kurzgeschichten, deren Figuren jedoch später immer wieder in anderen Kapiteln auftauchen können.
Jennifer Lee, kurz Jenny, ist eine junge, emanzipierte und intelligente Frau. Während ich ihre Geschichte las, hatte ich die ganze Zeit die angenehme Stimme von Judy Winter im Ohr, die in der Serie auch die deutsche Stimme der Erzählerin übernimmt, sodass ich sehr schnell in die 50er-Jahre eintauchen konnte. Sie ist, obwohl sie im Kloster lebt und arbeitet nicht gänzlich ihrer Arbeit verfallen, sondern genießt auch gerne ihre Freizeit mit ihren Freundinnen und ist, laut eigener Aussage, nicht so bieder, wie es das Klischee vermuten lässt, allerdings in mancherlei Hinsicht auch noch unschuldig und naiv. So weiß sie beispielsweise nicht, was „anschaffen gehen“ bedeutet. Außerdem ist sie empathisch und engagiert, gesteht sich aber auch Fehler ein, wodurch sie sehr sympathisch wirkt.
Zwar folgt die Geschichte grob einem chronologischen Ablauf, zwischendurch gibt es jedoch kleinere Zeitsprünge. So handelt das erste Kapitel von einer Frau, die zuhause mit Jenny als Hebamme ihr viertes Kind entbindet, während es im zweiten um Jennys ersten Tag im Nonnatus House und ihrer Begegnung mit der demenzkranken Nonne Schwester Monica Joan geht. Das zweite Kapitel spielt also wenige Tage vor dem ersten. Jennys Begegnungen mit den Menschen aller Art lassen sie menschlich reifen und geben ihr eine völlig neue Weltanschauung. Sie trifft Frauen, die nicht von ihrem Mann, sondern von einer Affäre geschwängert wurden und panische Angst vor der Entbindung haben. Unverheiratete Mädchen, die die Schwangerschaft verheimlichen wollen. Junge Frauen, die zur Prostitution und anschließend zur Abtreibung mit rostigen Klingen gezwungen wurden. Verheiratete Mütter, die nicht wissen, wie sie ihr achtes Kind noch ernähren sollen. Menschen, die die Arbeitshäuser überlebt haben und noch viele andere berührende Kurzgeschichten. Außerdem ist „Ruf des Lebens“ sowohl in Allgemein- als auch in Geburtsmedizin sehr informativ und so kann der Leser einerseits etwas über physiologische und andererseits pathologische Ereignisse und ihre Maßnahmen erlernen. Falls irgendwelche Fachtermini überfordern sollten, kann man jederzeit im Glossar nachschlagen. Dort wird alles von „Albuminurie“ bis „Zangengeburt“ gut erläutert. Die Kurzgeschichten sind mir fast alle nah gegangen. Manche waren traurig, andere gingen unverhofft noch gut aus und wieder andere lösten in mir eine Mischung aus Erstaunen und Belustigung aus. Die Serie ist nah an der Buchvorlage orientiert, deswegen waren mir die meisten Geschichten schon bekannt, aber das änderte nichts daran, dass ich beim Lesen mitgefiebert habe. Außerdem gab es im Buch noch zusätzliche interessante Informationen und Details, die aus der Serie nicht hervor gehen. Allerdings hat mir persönlich noch die eine Geschichte gefehlt, die mir die Tränen in die Augen treibt, oder mich noch nachträglich beschäftigt. Aber leider blieb das dieses Mal aus. Trotzdem habe ich eine Lieblingsgeschichte gefunden, die im Buch noch emotionaler war als in der Serie und das war die von Mrs Jenkins.
Ein kleines Manko war, dass im Buch die einzelnen Schicksale, egal ob beruflich oder privat, wirklich Kapitel für Kapitel vorgestellt werden. In der Serie dagegen sind meist zwei berufliche Schicksale mit einem privaten Ereignis verknüpft, sodass die Geschichte fließende Übergänge hat und die Erzählung lebhafter wird, anstatt von einem einzelnen Fall von Anfang bis Ende zu berichten.
Apropos Ende: Dieses war kein richtiges Ende, sondern eine Anekdote über eine Nonne aus dem „Nonnatus House“, die vor allem für Worth einen bleibenden Eindruck hinterließ.
Fazit
Die Frage, ob nun die Serie oder das Buch zu „Call The Midwife“ besser ist, ist für mich schwierig zu beantworten. Das Buch enthält mehr Details und beleuchtet manche Geschichten besser. Die Serie erschafft mit ihren authentischen Settings, Kostümen und Musik eine sehr bunte Atmosphäre und ein lebhaftes Bild der 1950er-Jahre. Letztendlich kann ich die Serie tatsächlich noch ein wenig mehr empfehlen, als den Roman, da sie einfach toll besetzt und liebevoll gemacht ist, auch wenn es leichte Abweichungen vom Buch gibt. Aus diesem Grund gebe ich „Ruf des Lebens“ von Jennifer Worth vier von fünf Federn und ich werde direkt mit der Fortsetzung „Im Schatten der Armenhäuser“ weitermachen.