Der Augensammler
Nur 45 Stunden
Meine Juli-Rezension 2018
Sebastian Fitzek gilt als der erfolgreichste deutsche Thrillerautor und gehört außerdem zu den fünf bekanntesten Autoren Deutschlands. Unter den Männern liegt er sogar auf dem ersten Platz. Umso schlimmer, dass ich bisher kein einziges Buch von ihm gelesen habe, obwohl es mir von vielen Freunden sehr empfohlen wurde. Mit dem Psychothriller „Der Augensammler“ aus dem Jahr 2010 habe ich nun endlich meinen allerersten Fitzek gelesen. Ich war richtig gespannt, ob die Lobpreisungen, die mir mehrfach zu Ohren gekommen sind, der Wahrheit entsprechen und ob ich mich danach selbst als Fan von Fitzeks Werken bezeichnen würde.
Inhalt
Alexander Zorbach arbeitete jahrelang als Polizeipsychologe in Berlin, bis ihn ein Vorfall, bei dem er aus Notwehr eine psychisch kranke Frau erschoss, zum Verhängnis wurde. Er musste seinen Beruf aufgeben und arbeitet seitdem als Journalist für die größte Tageszeitung Berlins, die für ihre reißerischen Artikel bekannt ist. Auch wenn es verboten ist, hört er den Polizeifunk ab, um über die neuesten und schlimmsten Verbrechen der Hauptstadt zu schreiben. Auch privat läuft es für ihn eher schlecht. Seine Frau Nicci will sich von ihm scheiden lassen und für seinen Sohn Julian hat er kaum noch Zeit.
Seit Monaten spielt in Berlin ein Psychopath, der als der „Augensammler“ bezeichnet wird, sein krankes Spiel, bei dem er Mütter ermordet, ihre Kinder entführt und einsperrt. Den Vätern gibt der Augensammler eine Frist von 45 Stunden, um ihre Kinder wiederzufinden. Ist die Zeit abgelaufen, werden die Kinder ertränkt und ihr linkes Auge amputiert. Drei Mal hat der Täter inzwischen schon erfolgreich zugeschlagen, eine vierte Mutter wurde bereits tot aufgefunden. Philipp Stoya, der Leiter der Mordkommission, findet nach kurzer Zeit einen Hauptverdächtigen und sein Name ist Alexander Zorbach.
Cover
Eine Nahaufnahme eines geschlossenen Auges, bei dem jede einzelne Wimper und Hautfalte zu erkennen ist. Die Fotografie wird in einem grünlich, gelblichen Sepiaton gehalten. Nach unten hin geht das Bild in eine tief dunkle Farbe über, eine Mischung aus wenig gelb und viel schwarz. Das Cover ist zwar düster, ist aber im Vergleich zum Inhalt absolut harmlos, wofür Fitzeks Werke allerdings auch bekannt sind. Er selbst sagte sogar einmal in einem Interview, dass je harmloser das Cover eines seiner Bücher sei, desto brutaler und heftiger sei der Inhalt, sodass man sich hier nicht täuschen lassen sollte.
Kritik
Noch vor den ersten Zeilen des Buches, steht direkt am Anfang ein „sachdienlicher Hinweis“ von Fitzek, in dem er erklärt, dass es Absicht sei, dass die Seitenzahlen und die Kapitel numerisch rückwärts laufen. „Sollten Sie dieses Buch umtauschen wollen, müssen Sie sich eine andere Ausrede einfallen lassen.“ Humor hat der Mann auf jeden Fall schon mal. Warum dies so ist, soll der Leser erst zum Schluss erfahren. „Der Augensammler“ beginnt also tatsächlich mit dem Epilog auf Seite 439, in dem der Protagonist den Leser dazu auffordert: „Lesen Sie nicht weiter!“. Eine gelungene paradoxe Intervention, denn natürlich habe ich weitergelesen. Danach kommt das letzte Kapitel, dann folgt Kapitel 83, sodass ein regelrechter Coundown erzeugt wird. Die Kapitel sind alle recht kurz gehalten, manche sind nur zwei Seiten lang, sodass man auch mal zwischendurch zum Buch greifen und es schnell wieder weglegen kann, zumindest wenn einem das gelingt, denn fast jedes Kapitel endet mit einer Phrase, die zum Weiterlesen animiert.
Der Protagonist ist Alexander Zorbach, der aus der Ich-Perspektive im Präteritum erzählt. Auch andere Charaktere fungieren als Erzähler, zum Beispiel Philipp Stoya oder Tobias Traunstein, ein Opfer des Augensammlers, wobei bei diesen Figuren der personale Erzähler verwendet wird.
Fitzek schreibt meist nüchtern und einfach, selten vulgär, was manch gewalttätige Szene aber umso brutaler wirken lässt. Besonders positiv ist mir seine Recherchearbeit aufgefallen, die sowohl in der Medizin, als auch in anderen Wissensbereichen, enorm gut ist und der man die investierte Zeit deutlich anmerkt. Nur einmal wird eine Matrjoschka, eine bemalte Holzpuppe, mit einer Babuschka, auf russisch „Oma“, verwechselt, was sich allerdings auch damit begründen ließe, dass der Erzähler der Passage ein neunjähriger Junge ist, der es vielleicht tatsächlich nicht besser weiß. Jedoch ist das ein häufiger Verwechslungsfehler, sodass sich Fitzek hier möglicherweise tatsächlich geirrt hat.
In nicht einmal einer Woche hatte ich das Buch beendet, weil es mich absolut gefesselt hat und ich in jeder freien Minute versucht habe, zumindest ein Kapitel zu lesen. Oder zwei oder drei. Die Handlung ist vollkommen unvorhersehbar, immer wieder werfen kleinere und größere Plottwists neue Fragen auf. Im Nachhinein haben mich besonders zwei Szenen geschockt, davon war aber keine so schlimm, dass ich danach nicht hätte schlafen können. Das ultimative Herzrasen und Gruseln blieb also aus, nichtsdestotrotz konnte ich mich für „Der Augensammler“ begeistern.
Eine Enttäuschung blieb aber neben aller Spannung. Nach etwa 100 Seiten hatte ich einen leichten Verdacht, wer der Augensammler sein könnte, der sich aufgrund manch ambivalenter Aussagen mit dem Fortschreiten der Geschichte immer mehr verhärtete und leider hatte ich recht. Leider, weil ich es liebe, wenn der Autor mich an der Nase herumführen kann, um mich bei der Enthüllung komplett zu verblüffen. Das ist hier nicht gelungen, auch wenn es nicht peinlich offensichtlich war.
Das Ende hat mich dagegen größtenteils überrascht und lässt den Leser mit einem extremen Cliffhanger zurück, der auch den Countdown der Seitenzahlen erklärt. Deswegen gibt es eine Fortsetzung mit dem Titel „Der Augenjäger“, die ich definitiv so bald wie möglich lesen werde.
Fazit
Wenn ich ein Buch innerhalb weniger Tage durchlese und mich auf die Fortsetzung freue, kann es nur sehr gut gewesen sein. „Der Augensammler“ ist spannend, oft unvorhersehbar und ein klassischer Pageturner. Leider hat sich mit der Matrjoscka ein kleiner Fehler eingeschlichen und ein wirklich heftiger Schockmoment blieb aus, vor allem, weil mich die Identität des Täters nicht überraschen konnte. Trotzdem bin ich sehr angetan und werde in Zukunft gerne mehr Bücher von Sebastian Fitzek verschlingen. Deshalb erhält „Der Augensammler“ vier von fünf Federn.
Huhu!
Vielen lieben Dank für die Rezi! Das Buch will ich diesen Monat auf jeden Fall noch lesen, nachdem ich festgestellt habe, dass „Augenjäger“ Teil zwei von der Reihe ist. Deine Rezi hat mich auf jeden Fall noch neugieriger auf das Buch gemacht. Ich bin gespannt wie es wird, es wird mein erster (Psycho)Thriller sein, da ich ja normalerweise nur Fantasy lesen.
Alles liebe und Danke nochmal!
Anjey
Hey,
vielen Dank für dein Feedback! Du hast definitiv eine gute Wahl getroffen. Ich selbst habe danach auch direkt mit dem Augenjäger weiter gemacht. Abwechslung macht das Lesen doch gerade erst spannend, deshalb wünsche ich dir viel Spaß bei deinem ersten Thriller.
Alles Liebe,
Lara