Stolz und Vorurteil

Stolz und Vorurteil
18. Februar 2022 0 Von lara

Elisabeth und Mr. Darcy

Meine Februar-Rezension 2022

Schon in meiner Schulzeit wollte ich unbedingt einmal „Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen lesen, war aber damals nicht einmal in Besitz des Buches. Als ich meinem Freund erzählte, dass ich diesen literarischen Klassiker haben möchte, schenkte er ihn mir vor ein paar Jahren ganz spontan. Die wohl berühmteste Liebesgeschichte der britischen Literatur erschien 1830 auf Deutsch und wurde nach Umfragen der BBC auf Platz 2 der wichtigsten Werke der Nationalliteratur gewählt, direkt hinter Tolkiens „Herr der Ringe“, den ich ebenfalls gelesen habe. Heute stelle ich euch heute also die Geschichte von Elisabeth Bennet und Fitzwilliam Darcy vor.

Inhalt

Die 20-jährige Elisabeth Bennet lebt Anfang des 19. Jahrhunderts auf dem Gut Longbourn in der englischen Grafschaft Hertfordshire mit ihren Eltern und vier Schwestern. Als das Nachbargut Netherfield Park, das lange leer stand, von einem gutaussehenden Junggesellen gemietet wird, geht es im Hause Bennet drunter und drüber. Schließlich sollte bestmöglich eine der fünf Töchter den wohlhabenden jungen Mann heiraten, um unter die Haube gebracht zu werden. Auf dem gemeinsamen Ball lernt Elisabeth dann Mr. Bingleys besten Freund Mr. Darcy kennen, und sie weiß von Anfang an, dass sie diesen arroganten Mann niemals leiden können wird. Zu allem Überfluss kündigt sich noch Mr. Collins in Longbourn an, der Neffe Mr. Bennets, der Alleinerbe des Anwesens ist. Auch dieser plant, sich mit einer der Bennet-Töchter zu verloben, doch auch an ihm hat Elisabeth kein Interesse. Von Stolz und Vorurteilen geblendet, will sie lange nicht erkennen, dass sie sich doch in jemanden verliebt.

Cover

„Stolz und Vorurteil“ gibt es in so vielen Auflagen von verschiedenen Verlagen, dass es den Rahmen sprengen würde, alle zu beschreiben. Die meisten Cover zeigen bunte Blumenmuster, wie auch meine Favoriten vom Penguin Verlag oder die illustrierte Ausgabe vom Coppenrath Verlag. Andere Cover zeigen Zeichnungen oder Gemälde eines Liebespaares im klassizistischen oder romantischen Stil. Das Cover vom Insel Verlag ist eher ein Negativbeispiel. Es zeigt ein schwarzweißes Foto einer jungen Frau mit Hochsteckfrisur vor einem hohen Fenster, aus dem sie blickt. An der Decke hängt ein prunkvoller Kerzenleuchter. So weit, so in Ordnung. Leider sieht man sowohl links, als auch rechts am Rand an den Wänden die Enden von modernen Heizkörpern, die die Illusion eines Bildes aus dem 19. Jahrhundert zerstören. Hätte man diese schlicht weggeschnitten, wäre das Cover weniger irritierend geworden.

Kritik

„Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, daß ein Junggeselle, der ein beachtliches Vermögen besitzt, zu seinem Glück nur noch einer Frau bedarf.“, ist der erste, vielzitierte Satz des ersten Kapitels. Dieser Satz ist durchaus ironisch zu verstehen, soll er doch unterschwellig vielmehr aussagen: Ein wohlhabender Junggeselle wird gar nicht die Gelegenheit haben, sich vor den Angeboten lediger Frauen zu retten, da diese sehr gerne reich einheiraten würden. Die Familien werden ihm also unbedingt ihre Töchter vorstellen wollen, ob er will oder nicht.

Auf über 350 Seiten und 61 Kapiteln wird hier die Geschichte von Elisabeth Bennet mit ihrem nächsten Umfeld aus Perspektive eines auktorialen Erzählers im Präteritum geschildert. Der auktoriale Erzähler, der auch als allwissender Erzähler bekannt ist, ist in der Lage die Gedanken aller Figuren wiederzugeben und auch an jeden Handlungsort zu springen, an dem etwas Erzählenswertes geschieht. Was ich aber vor allem an dieser Erzählperspektive liebe, ist dass der Erzähler oftmals dazu neigt, das Geschehen zu kommentieren und über Figuren zu urteilen. Dass dieser Erzähler hier spitzzüngig und doch bedacht seinen Senf dazu gibt, hat meinen Geschmack sehr getroffen. Er findet zwar meist verhältnismäßig höfliche Worte, was er damit aber eigentlich zum Ausdruck bringen möchte, wird dem aufmerksamen Leser nicht entgehen. Generell hat dieser Klassiker einen subtilen, aber doch erfrischenden ironischen Ton, der mich das ein oder andere Mal schmunzeln ließ. Die Beobachtungen werden scharfsichtig aufgezeigt und zeugen von Austens Geist und Humor.

Elisabeth Bennet ist eine Figur, die ich schnell ins Herz geschlossen habe. Sie ist die zweitälteste von insgesamt fünf Schwestern und gilt nach ihrer älteren Schwester Jane als die hübscheste der Mädchen. Sie soll dunkle Augen und eine zierliche Figur haben. Zudem ist sie intelligent und charmant, aber auch ein Wildfang. Als ihre Schwester sich eine recht schwere Erkältung zuzieht, da sie durch den Herbstregen geritten ist, läuft Elisabeth einfach zu Fuß durch Wald und Wiesen nach Netherfield Park, um sie zu besuchen. Mit dementsprechend verschmutzten Schuhen und Kleidern kommt Elisabeth dann bei den Adeligen an, die bei ihrem Anblick fast vom Glauben abfallen. Kurzum, Elisabeth ist eine liebenswürdige Figur mit einer sehr guten Beobachtungsgabe, der aber dennoch Fehler unterlaufen, durch die es zu Missverständnissen kommt.

Anfangs fiel es mir noch etwas schwer, in den Rhythmus der Sprache zu kommen, der doch recht entfernt von der heutigen Alltagssprache ist. So finden sich Worte wie „wundernehmen“ anstatt verwundern, „Base“ statt Cousine oder „obgleich“ statt obwohl. Doch mit der Zeit kommt man gut mit dem Stil zurecht und ich muss zugeben, dass dafür, dass „Stolz und Vorurteil“ über 200 Jahre alt ist, einen recht modernen und angenehmen Schreibstil hat. Es bleibt zwar eher minimalistisch, so gibt es kaum Beschreibungen über das Aussehen von Figuren oder nähere Details über Handlungsorte. Der Fokus liegt klar auf den Dialogen oder Erklärungen, wer mit wem verwandt ist oder woher jemand kommt. Zu Beginn kann auch die Menge an handelnden Figuren erschlagend sein. Neben den fünf Bennet-Schwestern und ihren Eltern gibt es noch Mr. Bingley, seine beiden Schwestern, den Mann der älteren Schwester, Mr. und Mrs. Gardiner, Lady Catherine de Bourgh und ihre Tochter Anne sowie Mr. Collins, Charlotte Lucas und ihre Schwester Maria, Mr. Darcy und seine Schwester Georgiana, Colonel Fitzwilliam, nicht zu verwechseln mit Fitzwilliam Darcy, der allerdings dessen Cousin ist, und viele mehr. Auf den ersten hundert Seiten führt dies noch zu Verwirrungen, irgendwann steigt man aber durch. Einen richtigen Spannungsbogen gibt es eigentlich nicht, es ist trotzdem eine unterhaltsame Geschichte, die mit ihrem Handlungsverlauf an das klassische Drama erinnert, in diesem Fall mit Mr. Darcys Heiratsantrag an Elisabeth als Höhepunkt mit Peripetie.

Für den üblichen Vergleich mit dem Film, habe ich kurz vor Abschluss des Buches die Verfilmung aus dem Jahr 2005 mit Keira Knightley und Matthew MacFadyen in den Hauptrollen sowie weiteren Größen wie Rosamund Pike, Donald Sutherland, Penelope Wilton oder Judi Dench in den Nebenrollen gesehen. Insgesamt muss ich sagen, dass der über zweistündige Film eine recht gute Buchverfilmung ist, der wenige Abweichungen hat. Trotzdem wirkt die Handlung in den zwei Stunden fast schon gequetscht. Wer den Film schaut ohne zuvor das Buch gelesen zu haben, kann schnell den Faden verlieren und Zusammenhänge nicht mehr begreifen. Auch die humorvolle, ironische Erzählweise geht im Film leider flöten und wird stattdessen von einem romantisierendem Kitsch überdeckt. So sieht man beispielsweise Knightley als Elisabeth in einer kurzen Szene an einer Steilküste mit wehendem Haar auf das Meer blicken, und zwar ohne jeden Kontext. Wenn man bedenkt, dass Elisabeth aus der Grafschaft Hertfordshire kommt, die nördlich von London liegt, aber nicht ans Meer grenzt, und für die ein Ausflug in die Hauptstadt schon viele Stunden Kutschfahrt bedeutet, wird einem die Sinnlosigkeit dieser Szene erst richtig bewusst. Auch die schauspielerischen Leistungen der Hauptdarsteller konnten mich nur bedingt überzeugen. Knightley schaut gefühlt die ganze Zeit wie ein Reh ins Scheinwerferlicht, nur um möglichst ästhetisch und fragil zu wirken. Auf Dauer hat dieser Gesichtsausdruck jedoch etwas dümmliches an sich. Auch wie MacFadyen Mr. Darcy gespielt hat, wird die Leser des Buches wohl eher enttäuschen. Im Film wirkt er bei Elisabeths Anblick stets etwas verloren und schüchtern, gar schon tollpatschig, was zwar etwas Liebenswürdiges an sich hat, aber vom ruhigen, leicht arroganten und stets sicher wirkenden Buch-Darcy weit entfernt ist. Der Film ist also vor allem für jene zu empfehlen, die eine gute Buchverfilmung sehen wollen, wenn sie fürs Lesen nicht zu begeistern sind. Der Film für sich alleine ist aber nur mäßig sehenswert.

Letztendlich hat sich mir die Frage gestellt, inwiefern „Stolz und Vorurteil“ heute noch als emanzipiertes Werk gilt. Für die damaligen Verhältnisse war es geradezu revolutionär. Eine weibliche Protagonistin, die sich aus Liebe vermählt, da sie einen extrem liberalen Vater hat, war ein absolutes Novum. Dennoch: Nach heutigen Verständnissen ist dieses Werk alles andere als feministisch. Nur aufgrund ihres gütigen Vaters darf Elisabeth Anträge ablehnen. Trotzdem ist sie davon völlig abhängig. Hätte sie einen Vater, der es bevorzugt hätte, dass das Anwesen in Hand der Familie bleibt, oder wäre Elisabeth in eine armen Familie geboren worden, hätte Elisabeths Schicksal ganz anders ausgesehen. Auch dass Elisabeth sich letztendlich verheiratet, anstatt ledig zu bleiben, wird heute teilweise kritisiert. Im 19. Jahrhundert gab es für Frauen aufgrund des gängigen Fideikomisses keine andere Wahl, wenn sie eine Existenzgrundlage behalten wollen. Also ja, nach heutiger Auffassung ist „Stolz und Vorurteil“ aus der feministischen Perspektive veraltet, aber der Roman spiegelt nun einmal die vergangene Realität wieder. Dafür, dass die Umstände einst tatsächlich so waren, kann man Austen jedoch eindeutig keinen Vorwurf machen.

Das Ende kam so, wie es zu erwarten war. Da dieser Roman inzwischen über 200 Jahre alt ist und als Klassiker gilt, nehme ich ein grobes Vorwissen als bekannt an. Es kommt so, wie es für die Moral kommen muss, oder wie Jane Austen selbst einmal schrieb „Einmal im Leben sollte jeder das Recht haben, aus Liebe zu heiraten.“

Fazit

Jane Austen hat mit „Stolz und Vorurteil“ ihren bekanntesten und erfolgreichsten Roman verfasst. Der Klassiker aus dem Jahr 1830 erfreut sich bis heute großer Popularität. Das mag vor allem an der zeitlosen Sprache liegen, die bis heute noch gut verständlich ist, und am ironischen Witz des Erzählers. Zudem sind die Dialoge, vor allem zwischen Elisabeth und Mr. Darcy geschliffen scharfsinnig. Eine weibliche Protagonistin, die sich gegen Standesregeln auflehnt und eine Liebesheirat wählt, noch bevor diese erfunden war, hat damals gewiss einige Männer empört. Außerdem ist Mr. Darcy eine großartig umgesetzte sowie liebenswürdige Figur. Trotzdem merkt man dem Stoff an, dass er antiquiert ist. Der starke Fokus auf die Gedankenwelt und Dialoge zeigt, dass das Werk im Großen und Ganzen recht einseitig ist, auch wenn die präsentierte Seite durchaus vorzeigbar ist. Das Ende ist vorhersehbar, einen richtigen Spannungsbogen gibt es nicht. Ich habe das Buch gerne gelesen, konnte es aber auch gut beiseite legen. Kurzum, „Stolz und Vorurteil“ ist ein Klassiker, der das literarische Allgemeinwissen erweitert, ohne schwere oder trockene Kost zu sein. Deshalb gebe ich der berühmtesten Liebesgeschichte von Jane Austen vier von fünf Federn.