Für immer vielleicht
Rosie und Alex
Meine zweite August-Rezension 2021
Letztes Jahr habe ich bereits „P.S. Ich liebe dich“, den Debütroman von Cecelia Ahern gelesen und rezensiert. Ich war letztendlich ernüchtert, auch weil meine Erwartungshaltung, nachdem ich die Verfilmung gesehen hatte, eine ganz andere war. Dennoch wollte ich der Autorin eine zweite Chance geben, also ergriff ich die Gelegenheit, als ich „Für immer vielleicht“ günstig gebraucht ergattern konnte. Der 2006 auf Deutsch erschiene Liebesroman wurde im Vereinigten Königreich und in Irland als „Where rainbows end“, in den USA und Kanada dagegen als „Love, Rosie“ verkauft. Somit weichen sowohl der deutsche, als auch der amerikanische Titel vom Original deutlich ab. Als „Love, Rosie“ wurde das Buch 2014 mit Lily Collins und Sam Claflin in den Hauptrollen verfilmt. Die Kritiken fielen gemischt aus. Bei Rotten Tomatoes waren es unschöne 32%, dafür wurde die schauspielerische Leistung hoch gelobt. Nach meiner Erfahrung mit „P.S. Ich liebe dich“ befürchtete ich, dass Buch und Film ungefähr so viel miteinander zu tun haben wie Eisbären und Pinguine.
Inhalt
Rosie Dunne und Alex Stewart sind seit Kindheitstagen beste Freunde. Sie waren Klassenkameraden an einer Schule in Dublin, haben zusammen Geburtstage gefeiert und den ersten Vollrausch erlebt. Doch als sich die Schulzeit ihrem Ende zuneigt, stellen sich die Weichen der beiden in unterschiedliche Richtungen. Alex wird in Harvard Medizin studieren, während Rosie in Dublin bleibt, weil sie ungewollt von einem Mitschüler schwanger ist. Die Jahre vergehen, sie verlieren fast schon den Kontakt zueinander, da sie beide unterschiedliche Leben in unterschiedlichen Ländern mit neuen Partnern führen. Und trotzdem können sich die beiden nicht vergessen.
Cover
Ein strahlend blauer Himmel, der sich nach unten hin aufhellt. Zwei Kondensstreifen bilden eine leicht asymmetrische Herzform. Das Cover ist minimalistisch, doch blaue Cover sind quasi Aherns Markenzeichen.
Kritik
„Ich lade dich am Dienstag, den 8. April zu meiner Geburtstagsfeier ein.“, ist der erste Satz des ersten Kapitels.
„Für immer vielleicht“ besteht aus fünf Teilen mit insgesamt fast 450 Seiten, 50 Kapiteln plus Epilog, wovon der letzte Teil der kürzeste ist, da er nur aus einem Kapitel besteht. Für einen Liebesroman ist dieser also schon umfangreich. Einen klassischen Erzähler gibt es hier nicht, denn dieses Buch ist ein Briefroman, genauer gesagt ein E-Mail-Roman. Ein E-Mail-Roman ist die moderne Form eines Briefromans, in dem der Leser den Handlungsverlauf aus Schriftstücken erfährt, die die Figuren sich gegenseitig schicken. Hier gehören beispielsweise Zettelchen, SMS, Mails, Postkarten, Chatverläufe, Rechnungen, aber auch Briefe dazu. Briefromane haben in der deutschen Literatur eine lange Tradition. Vor allem im 18. Jahrhundert waren diese populär. Zu den bekanntesten Werken zählt bis heute „Die Leiden des jungen Werthers“ von Johann Wolfgang von Goethe aus dem Jahr 1774. Aber auch englischsprachige Werke wie Bram Stokers „Dracula“ oder Mary Shelleys „Frankenstein“ sind Briefromane, die heute als Klassiker gelten.
Der schriftliche Austausch in „Für immer vielleicht“ liegt vor allem auf den Hauptfiguren Rosie und Alex, aber nicht ausschließlich. Auch Nebenfiguren wie Rosies und Alex‘ Eltern, Geschwister, Partner und Freunde tauchen immer wieder als Verfasser auf. Am Anfang des Austauschs zwischen den beiden sind sie gerade einmal Grundschüler, weshalb ihre Zettelchen auch voller Rechtschreibfehler sind, die Seite für Seite nachlassen, weil sie immer älter werden. Ein Fehler verwächst sich aber nicht, denn Alex schreibt jedes Mal „ich weis“ anstatt „ich weiß“. An sich mag das ein süßes Detail sein, allerdings hat Alex in Harvard in Boston studiert, eine der renommiertesten Universitäten der USA, die für ihren elitären Ruf weltweit bekannt ist. Also für Medizin in Harvard studieren reicht es, aber für das Ausbügeln eines Rechtschreibfehlers auf Grundschulniveau nicht? Ziemlich unglaubwürdig, zumal das der einzige Fehler ist, den Alex als Erwachsener noch macht.
Außerdem hatte ich gewisse Schwierigkeiten mit Rosie. Schon in „P.S. Ich liebe dich“ war ich von Holly nicht gerade begeistert, und auch Rosie ist nicht wirklich meine Kragenweite. Denn sie hat keine nennenswerten Talente und kein intellektuelles Interesse. Ihre einzige Ambition ist es, eines Tages ein eigenes Hotel zu führen. Ansonsten ist sie eher eine uninteressante und triviale Figur, die völlig schnörkellos ist, wie zuvor schon Holly. Hinzu kommt, dass sie Raucherin ist und in den Chatrooms darüber lästert, dass ihr Chef ihr nicht ausreichend Raucherpausen genehmigt, oder dass ihre Kollegin eine unangenehm hohe Stimme hat. Sympathisch ist anders.
Auch wenn „Für immer vielleicht“ mit einer ordentlichen Prise Humor gewürzt wurde, bringt dieser eher zum Schmunzeln als zum Lachen. Er ist gespickt mit Sarkasmus und Hyperbeln, an Raffinesse fehlt es hier allerdings. Auch der Schreibstil bleibt aalglatt, die Sprache teilweise erschreckend einfach. Das Vokabular beschränkt sich auf das Niveau der Mittelstufe. Dennoch bleibt es kontinuierlich unterhaltsam und leicht.
2014 kam die Verfilmung von „Für immer vielleicht“ mit dem Titel „Love, Rosie“ in die Kinos. Ich hatte den Film einmal im Free-TV mit Unterbrechungen gesehen, ihn mir aber online ausgeliehen, um zwischen Film und Buch vergleichen zu können. Tatsächlich weichen Film und Buch relativ stark voneinander ab, aber glücklicherweise nicht so enorm wie „P.S. Ich liebe dich“. Die größten und wichtigsten Unterschiede, die ich ohne ernsthaft zu spoilern verraten kann, sind folgende. Erst einmal spielt die Buchvorlage in Dublin, während die Filmvorlage irgendwo in England spielt. Das ist insofern schade, dass beispielsweise der irische Nationalfeiertag St. Patricks Day komplett aus dem Plot herausfällt. Aber dass bei Buchverfilmungen von Ahern der Handlungsort aus Irland verlegt wird, ist ja nicht das erste Mal. Zusätzlich sind die zwischenmenschlichen Beziehungen unterschiedlich. So wird Rosie zu Beginn des Romans von ihrem Mitschüler Brian auf dem Abiball geschwängert, den sie eigentlich nie leiden konnte. Ursprünglich wollte sie mit Alex auf den Ball gehen, doch der konnte wegen Überbuchung seinen Flug aus Boston nicht wahrnehmen und Rosie deshalb nicht begleiten. Im Film wird Rosie dagegen von ihrem Mitschüler Greg geschwängert, den sie zuvor als attraktiv beschrieben hat. Im Film wird dabei sehr deutlich dargestellt, woran genau es bei der Verhütung scheitert, während das Buch beim Geschlechtsverkehr und der angewendeten Verhütung keine Details nennt. Greg taucht im Buch erst später als Partner von Rosie auf und ist, im Gegensatz zum Film nicht der Vater von Katie. Im Film ist Alex auf dem Abiball übrigens anwesend, allerdings geht er dort mit seiner Freundin Bethany hin. Alex verlobt sich im Buch mit seiner Freundin Sally, während diese im Film gar nicht heiraten. Man merkt also, im Buch sind viele Details anders als im Film, vor allem wird viel herunter gebrochen, aber immerhin wird nicht so an den Figuren im Allgemeinen herumgepfuscht wie bei „P.S. Ich liebe dich“.
Die Grundidee von einer Liebe, die viele Chancen verpasst und Jahre braucht, um sich zu entfalten, hat mich schon immer fasziniert. Nur die wenigsten Menschen bleiben ein Leben lang mit ihrer ersten großen Liebe zusammen, und oft hört man, dass man viele Frösche küssen muss, bis ein Prinz dabei ist. Doch dass manche Emotionen scheinbar nie wirklich verblassen, und dass manche Leute auch Jahrzehnte später diese eine Person nie vergessen, berührt mich zutiefst. Leider konnte das emotionale Potenzial des Plots nicht wirklich ausgereizt werden. Die Mischung aus uninspiriertem Schreibstil und unsympathischer Protagonistin haben, wie schon in „P.S. Ich liebe dich“ wenig Empathie aus mir herauskitzeln können. Es gab eine Szene, die mir im Gedächtnis bleiben wird, doch der Rest konnte bedauerlicherweise nicht überzeugen. Auch ein gutes Setting konnte hier nicht aufkommen. Alex wird als Herzchirurg gefeiert, hat sogar mit ärztlichen Kollegen ein neues Operationsverfahren entwickelt, das bahnbrechend sein soll. Was genau dieses Verfahren zu einem Novum macht, wird im Zeitungsartikel aber mit keinem Sterbenswörtchen erwähnt. Kein Artikel der Welt würde so aussehen. Aherns Recherchearbeit im Bereich Kardiochirurgie geht also schätzungsweise gegen Null, und auch sonst gibt es viele Ungereimtheiten. Figuren, die sich gegenseitig im Chat unterbrechen, als würden sie verbal kommunizieren, ergeben schlichtweg keinen Sinn. Obwohl der Plot über mehrere Jahrzehnte geht, lässt er sich weder zeitlich wirklich einordnen, noch scheint es in der verstrichenen Zeit irgendwelche technischen Entwicklungen zu geben. Kurzum, es bleibt alles sehr oberflächlich.
Das Ende war natürlich vorhersehbar und wird zügig abgehandelt, sodass das einzig Überraschende war, dass der Epilog den Stil des Briefromans bricht, und die letzten Seiten in Prosaform geschrieben sind.
Fazit
Scheinbar werden die Romane von Cecelia Ahern und ich in diesem Leben keine Freunde mehr. Eine unsympathische Protagonistin, ein oberflächlicher Schreibstil und ein uninspirierter Humor führen zu einem Liebesroman, der emotional nicht zu überzeugen weiß. Dabei ist die Grundidee des Plots und das Konzept des E-Mail-Romans wirklich gut und gewährleisten einen unterhaltsamen Lesefluss, aber das reicht leider nicht. Deswegen gebe ich „Für immer vielleicht“ aus dem Jahr 2006 zwei von fünf Federn. Neue Bücher von Ahern werde ich nicht mehr kaufen, aber ich besitze noch zwei Jugendbücher von ihr, die ich nächstes Jahr lesen werde. Möglicherweise sind diese ja lesenswerter als ihre Liebesromane.