Das Reich der sieben Höfe – Dornen und Rosen

Den Hype nicht ganz wert?
Meine zweite August-Rezension 2025
Nachdem ich vor zwei Jahren bereits alle sieben Bände von Throne of Glass gelesen habe, wollte ich nun endlich die zweite, und vielleicht sogar noch beliebtere Reihe von Sarah J. Maas lesen: Das Reich der sieben Höfe. Ursprünglich bestand die Romantasy-Saga aus drei Bänden, die aber im Nachhinein mit zwei Fortsetzungen erweitert wurde. Dornen und Rosen ist der Auftakt aus dem Jahr 2017, der die Leserschaft nach Prythian, einem Reich voller Magie, Intrigen und magischer Wesen bringt. Doch so glanzvoll, wie die Welt anfangs erscheinen mag, habe ich mich immer wieder bei der Frage erwischt, ob diese Geschichte den Hype wirklich wert ist.
Inhalt
Die 19-jährige Feyre Archeron lebt auf dem Kontinent Prythian im Land der Sterblichen südlich der Mauer in einem kleinen Dorf. Ihr alleinerziehender Vater ist verarmt, und so muss Feyre regelmäßig mit Pfeil und Bogen in den Wald gehen, um zu jagen. Nur so kann sie ihre Familie mit ihren Schwestern Elain und Nesta noch ernähren. Bei einem ihrer Jagdausflüge erschießt sie mit einem Pfeil aus Eschenholz einen riesigen Wolf, der sich kurz darauf als Fae entpuppt. Als Strafe für ihr Vergehen, wird sie vom High Fae Tamlin an den Frühlingshof nördlich der Mauer entführt, wo sie nun den Rest ihres Lebens verbringen soll. Dort entdeckt sie den Fluch, der auf dem Reich lastet, welcher alle Fae zwingt, eine Maske zu tragen und ihre Magie schwinden lässt. Während Feyre sich immer mehr zu Tamlin hingezogen fühlt, sucht sie nach einer Möglichkeit, den Fluch zu brechen und so Wiedergutmachung für die Tötung des Faes zu leisten.
Cover
Ja, dieses Cover mag sicherlich etwas kitschig sein, aber es gefällt mir trotzdem gut! Es zeigt im Zentrum eine junge Frau mit goldbraunen Haaren, die ihr Gesicht dem Betrachtet zuwendet. Sie trägt ein langes, weinrotes Abendkleid ohne Ärmel sowie einen Pfeil in ihrer linken und einen Bogen in ihrer rechten Hand. Um sie herum ranken sich Äste und Zweige eines knospenden Baumes, während vom Himmel Rosenblüten herabregnen. Der Hintergrund bestehend aus Wolken und Boden ist in ein tiefes Rosa getaucht. Ich mag Mädchengesichter auf Covern eigentlich nicht, aber dieses hier ist recht weit im Hintergrund und es ist gut erkennbar, dass es sich bei ihr um Feyre handeln sollen. Dass aber wohl niemand im Abendkleid jagen geht, liegt doch sehr auf der Hand.
Kritik
„Der Wald war ein Irrgarten aus Schnee und Eis.“, ist der erste Satz des ersten Kapitels, und dank Bookstagram wohl ein recht bekannter erster Satz in Büchern. Ich hatte damals eine Leseprobe vom ersten Band und war durch diesen Satz direkt gecatcht. Feyre hockt mit Pfeil und Bogen auf einem Baum, während sie im eiskalten Winter auf ein Beutetier wartet, das sie erlegen kann. Da Feyre ihre Geschichte aus der Ich-Perspektive und im Präteritum erzählt, habe ich direkt mit ihr mitgefiebert. Sie und ihre Familie leben in großer Not und von ihrem Jagderfolg hängt vielleicht ihr Überleben ab. Doch dann kommt alles ganz anders, als sie es jemals hätte erahnen können.
Die Protagonistin Feyre ist meiner Meinung nach allerdings nicht immer leicht zu ertragen. Fand ich sie mit ihrer Beschreibung von goldbraunen Haaren und den blaugrauen Augen ihrer verstorbenen Mutter, die als jüngste Tochter ihr Leben riskiert, um ihre Familie zu ernähren noch liebenswürdig und aufopferungsvoll, hat sich dies im Verlauf der Geschichte gewandelt. Es ist schwierig nachzuvollziehen, warum sie ihre Entführung in ein luxuriöses Palastleben nicht als Befreiung versteht, wo ihre Familie doch nicht einmal respektvoll zu ihr war. Als sie am Frühlingshof ankommt, verfällt sie in eine furchtbare Trotzphase und legt sich mit den High Fae an, welche sie in wenigen Sekunden töten könnten. Sie ist mutig und ängstlich in den falschen Momenten. Zum Beispiel läuft sie auf eigene Faust in den umliegenden Wald, obwohl ihr gesagt wurde, dass dort tödliche Gefahren lauern. Als sie jedoch im Garten einen aufgespießten Faekopf findet, beginnt sie zu zittern und hat eine halbe Panikattacke. Sie ist unglaublich stur, irrational und schlägt gute Ratschläge gerne in den Wind. Feyre merkt auch nicht, wenn sie spürbar belogen wird, was sie leider leicht dümmlich wirken lässt. Anstatt Situationen einfach mal in Ruhe zu beobachten und zu analysieren, trifft sie emotional übersteuerte Entscheidungen. Ihr Verhalten sorgt eher für Drama als für charakterliche Tiefe, was teilweise frustrierend ist. Abgesehen davon entwickelt sie zudem ein lupenreines Stockholm Syndrom. Es tut mir leid es so zu sagen, aber für mich ist Feyre die bisher anstrengendste Hauptfigur des Jahres. Ich hoffe, dass sie noch einen Charakterwandel durchlebt, der sie sympathischer macht.
Maas‘ Schreibstil ist nett, aber nicht überragend. Die Sprache ist manchmal zu kitschig für meinen Geschmack, insbesondere in den Szenen, in denen die Romance in den Vordergrund rückt. Beispielsweise wirkt das Picknick, das Feyre mit Tamlin und Lucien hat, wie ein kurzer Ecstasy-Trip, der mit der sonst so prunkvollen, verführerischen und gleichzeitig düsteren Atmosphäre bricht. Das lässt diese Szene total deplatziert erscheinen. Schlimmer ist jedoch, dass das Tempo recht langsam ist. Nach Feyres Entführung passiert recht wenig und der Plot braucht wirklich lange, um an Fahrt aufzunehmen. Das Worldbuilding ist bisher auch sehr flach, wobei ich zumindest die verschiedenen fantastischen Wesen wie Naga, Suriel, Puka, Bogge oder Attor interessant finde. Für ein Glossar reichen die Fantasy-Worte jedoch nicht aus. Es gibt hier auch ein wenig Spice, der aber nicht zu viel Raum einnimmt und oka< geschrieben ist. Trotz dieser Kritikpunkte ist die Geschichte aber unterhaltsam genug, um jeden Abend ein oder zwei Kapitel davon zu lesen.
Leider fehlt es Dornen und Rosen an originellen Ideen, die die Fantasy-Welt von anderen abhebt. Im Gegenteil: Es kam schnell der Eindruck auf, dass viele Aspekte in diesem Buch aus der Popkultur abgekupfert sind. Schaut euch beispielsweise mal die Karte von Prythian im Buchdeckel an und schlagt dann die Karte von Westeros nach. Die Ähnlichkeit ist verblüffend, insbesondere wenn ihr euch das Ganze spiegelverkehrt anschaut. Sogar eine Mauer, die das Land der Sterblichen von einer geheimnisvollen Macht im Norden trennt, gibt es in beiden Fällen. Nur dass die Mauer in Westeros weiter nördlich liegt, wo in Prythian die Grenze zwischen dem Hof der Nacht und dem Hof des Tages verläuft. Das ist aber nicht der einzige „Zufall“ in dieser Geschichte. Hier entführt ein gestaltwandelndes Monster die hübsche Hauptfigur in seinen Palast mit Bibliothek, wo sie sich langsam in ihn verliebt. Die Beschreibung dieses Buches als modernes Retelling von „Die Schöne und das Biest“ ist also zutreffend, wobei das allein nicht schlimm ist. Außerdem kann Tamlin aus seinen Händen Klingen schießen lassen wie Wolverine aus X Men. Feyre kann Bogenschießen und geht in den Wald jagen, um ihre verarmte Familie zu versorgen wie Katniss Everdeen in Die Tribute von Panem. Den Vogel schießt Maas‘ aber hiermit ab: „Da bist du ja. Ich habe überall nach dir gesucht“ (S. 223), sagt ein Fae zu Feyre. Da war ich wirklich kurz davor, das Buch an die Wand zu schmeißen! Diese Sätze sind 1:1 eine Kopie aus Hayao Miyazakis Meisterwerk „Das wandelnde Schloss“ und es sind die ersten Worte, die Howl zu Sophie sagt, als sie gerade von Soldaten bedrängt wird. Auch Feyre wird hier von anderen bedrängt und die Situation des plötzlich auftauchenden Retters könnte nicht deutlicher aus dem Ghibli-Film copy/pasted sein. Versteht mich nicht falsch: es ist völlig in Ordnung, sich als Autorin von anderen Werken inspirieren zu lassen. Hier wird aber teilweise schamlos abgeschrieben, und das in einer Quantität, die noch für weitere Beispiele gereicht hätte. Und das soll jetzt wirklich diese großartige Fantasy-Saga sein, von der alle schwärmen? Das entzieht sich bislang definitiv meinem Verständnis.
Zum Ende hin nimmt die Geschichte dann aber doch noch an Fahrt auf und wird spannend. Geheimnisse werden gelüftet, die Antagonistin wird vorgestellt und es wird angedeutet, dass in der Fortsetzungen noch andere Schauplätze eine Rolle spielen werden. Dennoch überzeugt das Finale nicht restlos. So braucht Feyre für das Lösen eines offensichtlichen Rätsels mehr als 100 Seiten und grübelt ewig über die Antwort nach, die klar auf der Hand liegt. Sie ist halt wirklich nicht die hellste Kerze auf der Torte. Bisher verstehe ich wirklich noch nicht, was an dieser Reihe der große Wurf sein soll, aber vielleicht lichtet sich der Nebel, wenn ich am Ball bleibe.
Fazit
Zugegeben, ich habe ein bisschen Angst, dass mich die Bookstagram-Bubble für diese Rezension lyncht, aber trotz des atmosphärischen Einstiegs und der spannenden Grundidee bin ich noch nicht von „Das Reich der sieben Höfe“ überzeugt. Feyre wirkt oft widersprüchlich, unüberlegt und leider unsympathisch. Auch Tamlin finde ich zu klischeehaft, wohingegen ich Lucien mag. Der Schreibstil ist ganz nett, aber manchmal zu theatralisch für meinen Geschmack. Auf den über 450 Seiten und 46 Kapiteln bleibt das Worldbuilding eher oberflächlich und man erkennt deutlich, dass sich Sarah J. Maas an der ein oder anderen Stelle von manchen Werken „inspirieren“ lassen hat. Zwar steigert sich der Spannungsbogen zum Ende hin, doch Logiklücken und ein offensichtliches Rätsel verhindern den großen Aha-Moment. Insgesamt überwiegen also die negativen Kritikpunkte, auch wenn nicht alles schlecht ist. Deswegen gebe ich „Dornen und Rosen“ volle zwei von fünf Federn. Es ist in Ordnung, aber bisher den Hype nicht ganz wert. Da mir manche von euch aber geschrieben haben, dass der zweite Band besser sei, gebe ich „Flammen und Finsternis“ zumindest eine Chance.
