Flavia de Luce – Halunken, Tod & Teufel

Flavia de Luce – Halunken, Tod & Teufel
31. August 2024 0 Von lara

Von Jahrmärkten, Kristallkugeln und Silberbesteck

Meine August-Rezension 2024


„Flavia de Luce – Halunken, Tod & Teufel“ habe ich mit in den Sommerurlaub genommen, weil es sich als kleines Taschenbuch perfekt geeignet hat. Ich habe also am See gelegen und mir die Sonne auf den Rücken scheinen lassen, während es bei Flavia in Bishop’s Lacey deutlich düsterer zuging. Der dritte Band der Flavia de Luce-Reihe erschien 2011. Inzwischen hat sich die Reihe in mein Herz geschlichen und ich freue mich, jeden Monat einen neuen Band zu lesen. Ob ich jedoch wirklich die gesamte Reihe verfolgen werde, weiß ich noch nicht. Im November erscheint der elfte Band der Reihe. Bisher habe ich die Bücher aber nur bis einschließlich Band 6 zuhause. Ob ich mir die restlichen Bücher also noch zulegen werde, kann ich nicht mit Gewissheit sagen, zumal ich kein Fan von ellenlangen Reihen bin.

Inhalt

Egal, wo die elfjährige Flavia Sabina de Luce mit ihrem Fahrrad Gladys hin radelt, es scheint fast so, als sei der nächste Todesfall nicht weit. Es ist Spätsommer im Jahr 1950 in Bishop’s Lacey und der Jahrmarkt hält Einzug. Eigentlich wollte sich Flavia bei der Wahrsagerin Fenella nur die Zukunft vorhersagen lassen, da fackelt sie aus Versehen das Zelt der Frau ab. Um ihr Missgeschick wiedergutzumachen, lädt Flavia Fenella ein, mit ihrem Wohnwagen im sogenannten Gehölz zu kampieren. Das verwahrloste Fleckchen liegt am Rande des Herrenhauses Buckshaw und gehört der Familie de Luce. Doch mitten in der Nacht bricht ein Unbekannter in den Wohnwagen ein und schlägt Fenella nieder. Dank Flavias schneller Hilfe überlebt die Wahrsagerin zwar, aber dass jemand einen Gast auf ihrem Anwesen so brutal attackiert, schockiert die Hobbydetektivin. Schnell macht sie sich auf die Suche nach dem Täter und bringt dabei noch mehr dunkle Geheimnisse des Dorfes ans Tageslicht.

Cover

Inzwischen gibt es neue und alte Cover der Reihe. Bei meinen Ausgaben handelt es sich aber ausschließlich um die alten Cover. Auch der dritte Band wurde vom berühmten Illustratoren Iacopo Bruno gestaltet. Im Hintergrund prangt der weiße Vollmond vor einem lilafarbenen Nachthimmel. Auf dem schwarzen Grashügel steht Flavia mit ihrem bekannten Kleid und Flechtzöpfen. In ihren Händen hält sie ein kleines Holzbrett, in dessen Löcher zwei Reagenzgläser und ein Kolben stecken. Wobei ich mich hier jedes Mal frage, wie der Kolben in der Mitte, aus dem Dämpfe aufsteigen, in dem Loch hält und wieso er nicht einfach herunterfällt. Naja, es ist eben nur eine Illustration. Links und rechts neben Flavia ragen die schwarzen Silhouetten zweier kahler Bäume, die sich merkwürdig in den Himmel ranken. Neben dem linken Baum steht eine schwarze Katze und rechts befindet sich die Statue von Poseidon mit seinem Dreizack. Im Hügel unter Flavias Füßen liegt außerdem ein Skelett im Boden. Es ist ein detailreiches Cover, das zum Lesen in der Spooky Season einlädt.

Kritik

„‚Du machst mir Angst‘, murmelte die Wahrsagerin.“, ist der erste Satz des ersten Kapitels. Es ist nicht das erste Mal, dass Flavia ihren Mitmenschen unheimlich ist, ist sie doch eine außergewöhnliche Protagonistin mit morbider Faszination für den Tod, Chemikalien und vor allem Gifte. Die Handlung spielt nur wenige Wochen nach dem zweiten Band, etwa Ende August bis Anfang September 1950. Flavia besucht auf dem Jahrmarkt das Zelt der Wahrsagerin Fenella, wobei sie dort eine Kerze umstößt und es versehentlich in Brand steckt. Mit nicht einmal 350 Seiten und 30 Kapiteln ist „Halunken, Tod & Teufel“ eines der kürzeren Abenteuer von Flavia. Wie gewohnt erzählt Flavia aus der Ich-Perspektive im Präteritum.

Eine der wohl wichtigsten Figuren neben Flavia ist ihre älteste Schwester Ophelia, kurz Feely. Sie ist 15 Jahre alt, hat langes blondes Haar und dieselben blauen Augen wie Flavia. Sie wird als sehr hübsch beschrieben, aber auch als eitel. Es ist ihr wichtig, schön auszusehen, gut gekleidet zu sein und Make Up zu tragen. Sie könnte also nicht konträrer zu Flavia sein, die in ihre Kleidung gerne mal Löcher ätzt, wenn wieder ein chemisches Experiment missglückt ist. Außerdem behaupten Flavias Schwestern, sie sei ein wasserscheuer Schmutzfink. Feelys adrettes Auftreten und ihr herausragendes Talent fürs Klavier spielen nutzt sie gerne einmal, um ihre Mitmenschen zu manipulieren. Das ärgert Flavia zwar, aber auch sie kann manipulativ sein und hat damit mehr mit Ophelia gemeinsam, als sie zugeben würde. Das Verhältnis zwischen Flavia und ihren beiden älteren Schwestern ist angespannt. Beide spielen sich fiese Streiche, allerdings läuft es dabei immer Zwei gegen Eine. Auch deshalb fühlt sich Flavia oft isoliert und einsam. Für Flavia ist Ophelia eine eitle Zicke, die mit ihrem hübschen Gesicht ihr Umfeld täuschen kann, wobei sie hinter der Fassade aber eine fiese Schlange ist. Tatsächlich ist Ophelia aber nicht so dumm, wie Flavia behauptet. Sie weiß genau, wie sie Menschen für sich einnimmt und zeigt beim Klavier spielen Disziplin und Hingabe. Auch wenn sich Opheila und Flavia nicht gut verstehen, trägt die Dynamik ihrer Beziehung doch viel zum Charme der Buchreihe bei.

Ich bin ein großer Fan von Bradleys Schreibstil. Auch der dritte Band ist stilistisch gut gelungen und baut einen tollen Spannungsbogen auf, sodass man förmlich durch die Seiten fliegt. Die Ereignisse überschlagen sich und Flavia sucht nicht nur nach Fenellas Angreifer, sondern versucht nebenbei noch drei andere Rätsel zu lösen. Die Atmosphäre wechselt langsam in eine spätsommerliche, in der die heißen Tage nachlassen und sich der Herbst ankündigt. Auch der Humor ist wieder geistreich und unterschwellig. Allerdings gibt es hier erstmals einen sprachlichen Aspekt, den ich unbedingt ansprechen möchte. Es geht um die recht unkritische Verwendung des Begriffs „Zigeuner“. Schon zu Beginn des Buches wird Fenella als „Zigeunerin“ (S. 29) bezeichnet, und das nicht nur von unsympathischen Nebenfiguren, sondern auch von Flavia selbst. Das Z-Wort ist heute ein umstrittene Bezeichnung für Angehörige der Sinti und Roma, da es eine Fremdbezeichnung ist, die heutzutage veraltet und negativ konnotiert ist. Auch wenn nicht alle Angehörigen der Sinti und Roma diesen Begriff für diskriminierend halten, gilt er heute als politisch inkorrekt. Andererseits spielt Flavias Geschichte 1950, also in einer Zeit, in der der Begriff nun einmal geläufig war, weshalb die Verwendung im Rahmen des Settings realistisch ist. Zudem wird in der Geschichte mit Klischees gegenüber dieser Gruppe aufgeräumt und Figuren wie Fenella erfüllen keine rassistischen Klischees, wie bspw. kriminell zu sein. Ich denke nicht, das hinter der Verwendung des Z-Wortes von Bradley diskriminierende Absichten liegen, dennoch ist die Bezeichnung diskussionswürdig.

Zum ersten Mal sind mir in diesem Band auch zwei fachliche Fehler aufgefallen. Erstens nennt Flavia Erythrozyten „ein Gemisch aus Wasser, Natrium, Kalium, Chlorid und Phosphor“ (S. 69). Das ist aber mindestens ungenau, da hier einige wichtige Bestandteile fehlen. Rote Blutkörperchen bestehen zu etwa 90% aus Hämoglobin, dessen wichtigstes Atom das Eisen ist, das im Zentrum steht. Andere Atome im Hämoglobin, die Flavia nicht aufzählt, sind Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und natürlich Kohlenstoff, der als Gerüst des Moleküls dient. Auch die Glykoproteine, die die Zellmembran bilden, erwähnt Flavia nicht. Wasser, Natrium, Kalium, Chlorid und Phosphor spielen eine so untergeordnete Rolle, das sie eigentlich nicht erwähnenswert sind. Hier hat sich also eindeutig der Fehlerteufel eingeschlichen.

Der zweite Fehler unterläuft Flavia, als sie Mrs. Pettibones Hände als „leicht bläulich“ bzw. „zyanotisch“ (S. 192) beschreibt und daraus schließt, „die Frau leide an einer Kohlenmonoxid-[…]vergiftung“ (S. 192). Tatsächlich ist für eine CO-Intoxikation aber eine kirschrote Färbung der Zunge bzw. der Haut üblich. Diese entsteht dadurch, dass das Kohlenmonoxid, wenn es eingeatmet wird, eine 200 bis 300-fach stärkere Bindung mit Hämoglobin eingeht, wodurch es den lebenswichtigen Sauerstoff verdrängt. Dadurch haben die roten Blutkörperchen eine unnatürlich starke kirschrote Färbung, welche somit sehr weit weg von dem Blau ist, das Menschen mit einem hohen CO2-Gehalt haben. Von den beiden Fehlern bin ich ein wenig enttäuscht, da Flavias Leidenschaft für Chemie ein wichtiger Faktor in der Buchreihe ist. Bisher hatte ich stets das Gefühl, dass gut recherchiert wurde und die Bücher nicht nur unterhaltsam, sondern auch lehrreich sind. Nun habe ich eher das Gefühl, dass die naturwissenschaftlichen Aussagen hier eher mit Vorsicht zu genießen sind.

Das Ende ist wieder sehr spannend und größtenteils unvorhersehbar. Mit meiner Vermutung, wer Fenella niedergeschlagen hat, lag ich z.B. falsch. Auch bei den anderen Fällen, in denen es bspw. um Diebstahl und Mord ging, hatte ich nur zum Teil recht. Ich mag es, wenn die Auflösung des Rätsels zu überraschen weiß, allerdings hatte ich hier den Eindruck, dass die Leserschaft kaum eine Chance hatte, die Geheimnisse zu lüften, da einige wichtige Informationen erst bei der finalen Auflösung erklärt werden. Als Beispiel wäre der Fischgeruch zu nennen, den Flavia nach dem Angriff auf Fenella in ihrem Wohnwagen wahrnimmt. Hier werden gezielt falsche Fährten gestreut, wobei die eigentliche Ursache bis zuletzt verschwiegen wird, sodass es für den Leser wirklich unmöglich ist, darauf zu kommen. Dennoch hat mir auch das dritte Abenteuer mit Flavia Spaß gemacht.

Fazit

Eigentlich gibt es an „Flavia de Luce – Halunken, Tod & Teufel“ aus dem Jahr 2011 nicht sonderlich viel auszusetzen. Es ist wieder eine spannende Geschichte mit einer unvergleichlich schlauen Protagonistin, die den Detektivroman zu einem richtigen Pageturner macht. Ich bin dem Charme dieser Buchreihe einfach erlegen. Allerdings ist die unkritische Verwendung des Z-Wortes diskussionswürdig, auch wenn darin vermutlich keine böse Absicht liegt. Zudem haben mich die beiden Fachfehler, die sich eingeschlichen haben, enttäuscht, da ich den wissenschaftlichen Part an Flavia de Luce besonders geschätzt habe. Dass die Leserschaft im dritten Band kaum eine Chance hat, die Täter zu erraten, da zu viele Informationen hinterm Berg gehalten werden, ist sicherlich auch Geschmackssache, obwohl es mich persönlich wenig gestört hat. Deswegen möchte ich „Halunken, Tod & Teufel“ von Alan Bradley gerade noch vier von fünf Federn geben. Trotz gewisser Kritikpunkte mag ich die Reihe zu sehr, um sie nicht fortzuführen. Deswegen nehme ich mir im September den vierten Band „Vorhang auf für eine Leiche“ vor.