Interview mit Michelle Woitag
„Man ist nie zu alt dafür, ein Jugendbuch zu lesen“
Heute darf ich euch ein ganz besonderes Autoreninterview vorstellen, denn ich durfte mit der lieben Michelle Woitag sprechen. Wir kennen uns als Buchbloggerinnen schon seit Jahren. Gestern ist ihr Debütroman „Alles, was wir haben“ erschienen, und ich durfte sie dazu interviewen. Ich habe mit ihr über ihr Debüt, ihre Zukunftspläne, Sexszenen, Bookstagram und ihren Account @mrs.booknerd gesprochen.
Lara: Hey Michelle, ich finde es echt schön, dass wir uns mal so persönlich sprechen. Ich hoffe, du hast einen Tee neben dir stehen, denn ich habe einige Fragen vorbereitet, auf die ich unbedingt eine Antwort möchte. Aber erst einmal stelle ich dich allen vor, die dich noch nicht kennen. Du heißt Michelle Woitag, bist 22 Jahre alt, wohnst in Magdeburg und bist Erzieherin von Beruf. Du bist als Bookstagrammerin unter dem Namen @mrs.booknerd mit über 3.000 Followern erfolgreich. Gestern ist dein erster Young Adult-Roman „Alles, was wir haben“ beim Dunkelstern Verlag erschienen. Wie aufgeregt bist du deswegen? Konntest du die letzten Nächte überhaupt noch schlafen?
Michelle: Schlafen konnte ich noch. Die Aufregung kam schleichend, vor allem weil ich Stück für Stück die Sachen für den Release besorgt habe. Fast jeden Tag haben mir viele Leute geschrieben. Die anderen waren gefühlt aufgeregter als ich, aber das hat meine Aufregung noch gesteigert. Die größte Aufregung war für mich natürlich der Releasetag selbst, oder wenn ich das Buch dann in den Händen halte. So richtig realisiert habe ich das immer noch nicht.
Lara: In deinem Debüt geht es um die 16-jährige Lydia, die vor den Scherben ihrer Existenz steht, bei ihrer Tante aufgenommen wird und in dem Jungen Vincent neuen Lebensmut findet. Hat dein Roman eine bestimmte Message, die du deiner Leserschaft mit dieser Geschichte vermitteln willst?
Michelle: Das Hauptaugenmerk liegt auf der Trauerbewältigung, weniger auf der Liebesgeschichte oder Familie und Freunde. Die Themen Tod und Trauer liegen im Vordergrund, insbesondere wie jeder damit umgeht. Auch wie wichtig es ist, sich Hilfe zu suchen und welche Wege es zur Trauerbewältigung gibt. Darauf habe ich sehr viel Wert gelegt. Aber natürlich gibt es auch große Gefühle.
Lara: Ich weiß, dass du es spicy magst und gerne erotische Bücher liest. Wie viel Spice haben wir in „Alles, was wir haben“ zu erwarten?
Michelle: Gar kein Spice! Klar geht es um die erste große Liebe, also kommen auch Gefühle mit einher. Auch der erste Kuss und Schmetterlinge im Bauch kommen vor. Aber auch, wie weh es tun kann, wenn man sich streitet oder eventuell sogar trennt, aber Spice kommt gar nicht vor. Das wäre in der Story auch nicht notwendig, weil es in erster Linie nicht um die Liebesbeziehung geht.
Lara: Du hast dein Debüt bei einem Kleinverlag veröffentlicht. War es dir wichtig, ein Verlagsbuch zu veröffentlichen oder wäre Selfpublishing auch eine Option für dich gewesen? Wie kam der Vertrag mit dem Dunkelstern Verlag zustande?
Michelle: Also tatsächlich war es mir gar nicht wichtig bei einem Verlag zu veröffentlichen. Als ich den Entschluss gefasst hatte, ein Buch zu veröffentlichen, habe ich mich erst einmal informiert. Jeder Ratgeber sagt dir: Such dir eine Agentur, das ist einfacher. Das hat leider nicht funktioniert, dann habe ich mich bei Großverlagen beworben, aber auch nur Absagen bekommen. Natürlich ist es nicht schön, eine Absage zu bekommen, aber es hat mich jetzt nicht unbedingt gestört. Dann habe ich mich bei Kleinverlagen umgeguckt, die hatten in dem Moment aber gerade alle Aufnahmestopp und keine Kapazitäten mehr. Im Hinterkopf hatte ich immer noch den Gedanken an Selfpublishing. Ich finde Selfpublishing total cool. Ich finde es perfekt viele Freiheiten zu haben. Man kann als Schriftsteller mit seinem Buch machen, was man will. Niemand redet dir rein. Schließlich ist es dein Baby, du hast es geschrieben, du liebst es so, wie es ist. Man hört ja sonst von manchen Autoren bei Großverlagen, dass man manchmal schwierige Entscheidungen treffen muss. Du musst vielleicht Szenen löschen oder ganze Charaktere ändern. Das wäre für mich ganz schlimm gewesen. Ich habe deswegen lange überlegt, nicht doch Selfpublishing zu betreiben, da ich schon alle Hoffnungen auf einer Vertrag aufgegeben hatte. Ich hatte mir dazu schon viel notiert und recherchiert. Dann habe ich aber den Dunkelstern Verlag auf Instagram entdeckt. Ich habe schnell gemerkt, dass der Verlag etwas Besonderes ist und viel Wert auf seine Autoren und deren Unterstützung legt. Genau so etwas hatte ich gesucht: Jemand, der mich und meine Geschichte unterstützt, und nicht nur die Geschichte allein veröffentlichen will. Dann hatte ich mich eben beworben und sogar relativ schnell die Zusage. Ich glaube, es hat nur sechs Tage gedauert. Also musste ich gar nicht lange warten.
Lara: „Alles, was wir haben“ ist der Auftakt einer vierteiligen Young Adult-Reihe. Gibt es schon einen offiziellen Namen und ein Erscheinungsdatum für den zweiten Band? Wird es weiter um Lydia und Vincent gehen oder kommen neue Protagonisten dazu?
Michelle: Einen offiziellen Namen gibt es noch nicht. Ich kann schon einmal verraten, dass es im Frühjahr 2023 herauskommen wird. Man kann grob damit rechnen, dass zwischen jedem Band in der Veröffentlichung so sechs bis acht Monate liegen werden. Die Wartezeit ist also nicht allzu lang. Pro Band wird es ein anderes Pärchen und ein anderes großes Thema geben. Es sind alle Themen, die mir sehr wichtig sind, die mich auch selbst betreffen oder betroffen haben, oder mit denen ich mich identifizieren kann und auseinander gesetzt habe. Lydia und Vincent werden in jedem Band vorkommen, mal mehr, mal weniger. Grundsätzlich liegt der Fokus aber auf anderen Figuren. Lydia und Vincent konnte ich aber nicht einfach weglassen. Ich liebe sie einfach!
Lara: Könntest du dir vorstellen, in Zukunft auch Bücher anderen Genres zu schreiben? Wenn ja, welches wäre das und warum?
Michelle: Also ich habe eine lange Liste an Büchern, die ich gerne schreiben würde. Ich habe auch schon drei Bücher angefangen, die ich immer so nebenbei schreibe. Darunter ist auf jeden Fall eine New Adult-Reihe, mit der ich auch schon relativ weit bin. Dann noch ein Dark Romance-Buch, das noch ganz am Anfang ist. Bei beiden Büchern bin ich mir sicher, dass ich sie herausbringen möchte. Ob ich das beim Verlag oder als Selfpublisher mache, weiß ich noch nicht. Ich kann mir auch gut vorstellen, wieder beim Dunkelstern Verlag zu veröffentlichen. Grundsätzlich bin ich aber auch nicht abgeneigt Romantasy zu schreiben, weil ich auch da Ideen habe. Es gibt also viele Genre, die ich gerne mal ausprobieren würde.
Lara: Auf Instagram sieht man ja manchmal auch deine privaten Unternehmungen mit Freundinnen. Welche Foodspots kannst du den Besucher:innen von Magdeburg empfehlen?
Michelle: Ich kenne Magdeburg schon mein ganzes Leben, ich wohne hier nun seit knapp einem Jahr. Ich kenne in Magdeburg aber tatsächlich gar nicht so viel. Ich fahre fast immer zum Shoppen ins Alleecenter. Das ist das große Einkaufszentrum, in dem man gut shoppen kann und was auch zentral liegt. Ansonsten bin ich auch oft im Elbauenpark in Magdeburg aufgrund der Arbeit, das kann ich auch sehr empfehlen. Dort kann man gut abschalten oder viele Dinge sehen. Da gibt es auch öfters Attraktionen. Es lohnt sich vor allem, wenn man das Wetter genießen möchte. Sonst bin ich gefühlt in Magdeburg immer nur irgendwo essen. Momentan am liebsten bei Peter Pane. Dort gibt es Burger und lich liebe einfach Burger. Deswegen bin ich da super oft. Da gibt es spezielle Burger, die man sich selbst individuell zusammenstellen kann. Peter Pane hat auch einfach eine riesige Auswahl an vegetarischen oder veganen Burger, da findet also jeder was.
Lara: Inzwischen hast du dir auf Instagram eine hohe Reichweite erarbeitet. Jetzt mal Hand aufs Herz: Wie wichtig sind dir Likes und Follower als Bookstagrammerin?
Michelle: Als Bookstagrammerin gar nicht. Der Algorithmus bei Instagram ist ja gerade echt schwierig, um eine hohe Reichweite zu generieren. Um da groß rauszukommen, braucht es sehr viel Zeit und Arbeit. Man muss sich mit anderen vernetzen, was teilweise gar nicht so einfach ist. Mir ist das überhaupt nicht wichtig. Ich schreibe weiterhin meine Beiträge und poste meine Bilder. Als Autorin ist mir die Reichweite schon wichtiger, um Werbung machen zu können, damit andere die Posts sehen und auf das Buch aufmerksam werden. Gerade bei Instagram ist das ja eine super Möglichkeit, weil wir so eine große Bookstagram-Bubble haben, wo viele Bücher lesen und gerne neue Werke lesen wollen. Tatsächlich habe ich mal diese Werbetools bei Instagram ausprobiert. Man kann ja für Geld Beiträge bewerben. Ich habe einen Beitrag für sechs Tage beworben. Dafür habe ich 18€ bezahlt. Im Endeffekt hat sich das gar nicht gelohnt. Über 5000 Leute haben den Beitrag gesehen. Es gab nicht wesentlich mehr Likes, vielleicht ein Paar neue Follower, aber das war es auch. Und ich sehe aktuell wieder bei Instagram, wie viele Autoren ihre Beiträge bewerben, wobei ich das Label „Gesponsert“ auch so dumm finde, denn es ist selbst bezahlt und nicht gesponsert. Aber es lohnt sich für das Geld auf gar keinen Fall.
Lara: Welche Autor:innen haben dich im Bereich Young Adult am meisten geprägt? Wessen Bücher haben dich zutiefst berührt?
Michelle: Am meisten Tillie Cole mit „A thousand boy kisses“, auf Deutsch heißt es glaube ich „All your kisses“. Das ist auch mein absolutes Herzensbuch, das mich sehr inspiriert hat. Dann noch Brigid Kemmerer mit „Der Himmel in deinen Worten“ und ansonsten auf jeden Fall noch Anne Freytag mit „Nicht weg und nicht da“.
Lara: Finde es interessant, dass du gerade Anne Freytag nennst. Von ihr habe ich auch noch zwei Bücher auf dem SuB. Einmal „Mein bester letzter Sommer“ und letztes Jahr habe ich „Den Mund voll ungesagter Dinge“ gekauft. „Nicht weg und nicht da“ besitze ich aber noch nicht.
Michelle: Also ich habe bisher nur dieses eine Buch von ihr gelesen und das fand ich unglaublich gut. Ich habe ein ganzes Regal nur voll mit Jugendbüchern, die alle etwas unglaublich Wichtiges aussagen. Das sind für mich einfach immer die besten Bücher. Auch wenn viele das nicht nachvollziehen können, weil sie sich dafür zu alt fühlen. Doch gerade in meinem Alter versteht man die Message ja noch viel besser als als Jugendlicher. Man ist nie zu alt dafür, ein Jugendbuch zu lesen.
Lara: Das stimmt! Ich bin jetzt auch schon bald Ende 20, aber ich habe da jetzt auch einfach einen differenzierten Blick darauf. Wenn es um die erste große Liebe und den ersten Kuss geht, fühle ich mich immer wie die große Schwester, die von außen zuguckt und sich denkt: Wie süß! Ich weiß auch noch, wie sich das vor 10 Jahren für mich angefühlt hat. Ich finde es immer merkwürdig, wenn Leute auf Jugendbücher herabsehen, weil es Jugendbücher sind. Es gibt vielleicht schlechte Jugendbücher, aber es gibt auch solche, die einen wunderschönen poetischen Stil oder so eine tolle Message haben. Es ist einfach falsch zu denken, dass Literatur für Erwachsene die wahre Literatur ist. Ich habe zum Beispiel vor einigen Jahren meiner Mutter „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ von John Green ausgeliehen. Sie hat es dann auch gelesen und dann habe ich sie gefragt, wie sie es fand. Da hat man gesehen, wie ihr die Tränen in die Augen gestiegen sind und sie sagte: „Traurig, so traurig.“ Das Buch hat sie also trotz der nicht zutreffenden Zielgruppe sehr berührt. Man ist also wirklich nie zu alt dafür. Man tut den Werken unrecht, wenn man sagt, dass sie eben nur für Kinder geschrieben seien.
Michelle: Das ist wirklich schade. Ich meine, der New Adult-Hype wird wohl weiterhin bestehen. Das kann ich nachvollziehen, mir geht es genauso. Ich verstehe auch die Kritik an den Sexszenen nicht. Das ist halt das Genre! Was ich halt bei New Adult problematisch finde, sind die Bücher, bei denen es um sehr wichtige Themen wie psychische Erkrankungen oder Traumata geht, und bei denen die Message ist, dass der Traummann dein Trauma heilen kann. Nein! Ein Therapeut kann dein Trauma heilen, nicht die Liebe. Geh zum Therapeuten! Das war mir bei meinem Buch auch so wichtig, und das habe ich auch mit eingebaut. Natürlich kann die Liebe unterstützten und man kann sich dadurch auch besser fühlen oder ein Stück weit heilen, aber das macht das Trauma nicht weg. Du hast immer noch etwas Schlimmes erlebt. Also das war ja bei einem bestimmten New Adult-Buch ganz groß geschrieben: Er ist die Liebe meines Lebens und durch ihn bin ich geheilt. Nein, es gibt nicht diesen EINEN Mann, also außer er ist Therapeut, da gehe ich mit. Aber ansonsten, nein. Einfach nein!
Lara: Fühle ich total! Ich habe generell das Problem, dass bei New Adult die Klappentexte gefühlt alle gleich sind. Du könntest einfach die Namen austauschen und du hast mal wieder dieselbe Geschichte. Vor allem dominiert das Genre den Markt so sehr, dass es sehr schwierig ist alternative Romane zu finden, in denen auch Anfang 20-Jährige Protagonisten sind, aber es nicht so ein klassisches New Adult ist. Die Bubble ist gerade so groß. Man sieht New Adult gefühlt alle Nase lang auf Bookstagram. Das ist auch okay, aber kann es nicht mal mehr Bücher geben, die anders sind, aber eben auch mit Protagonisten Anfang 20?
Michelle: Oh ja, ich könnte dir jetzt auf Anhieb Bücher zeigen, die genau das haben, was du suchst. Aber man findet sie halt nicht, weil es eine riesige Masse an Büchern ist, von denen man überflutet wird. Und es ist gerade bei New Adult wirklich sehr oft genau dasselbe. Es wirkt irgendwann austauschbar. Wahrscheinlich liest man hier Neuerscheinungen, die in den USA mit dem Schema schon 2013 erschienen sind. Die Amerikaner sind wirklich viel weiter als wir. Ich lese aktuell fast nur noch auf Englisch, weil ich dort Bücher finde, die ich auf Deutsch so nicht kriege. Im Deutschen finde ich Geschichten, wie zum Beispiel Age Gap, so nicht. Die Verlage geben so etwas kaum her und Selfpublisher findet man auch nicht so leicht. Also muss ich auf Englisch ausweichen.
Lara: Auf Instagram sieht man in deinen Stories immer deine Fortschritte beim Schreiben. Nimmst du dir feste Zeiten zum Schreiben vor oder schreibst du, wenn du gerade Lust darauf hast? Hast du dabei irgendwelche Rituale wie Musik hören oder ein Getränk trinken?
Michelle: Dadurch, dass ich im Schichtdienst arbeite, kann ich mir keine festen Zeiten zum Schreiben nehmen. Ich schreibe quasi dann, wann ich Zeit und Lust habe. Klar, ich muss jetzt auch Deadlines einhalten, aber ich bin niemand, der sich sagt, dass ich heute 500 Wörter schreiben muss. Wenn ich drei Stunden Zeit habe, setze ich mich hin und schreibe. Dann ist es auch egal, wie viele oder wie wenig Wörter ich schaffe. Rituale habe ich eigentlich nicht. Ich habe zwar immer irgendwas zu Trinken bei mir, egal ob einen Kaffee, oder sonst irgendwas. Aber ich höre immer Musik. Ich habe immer eine Playlist, die ich rauf und runter höre. Jedes Buch hat eine andere Playlist. Meistens wechsle ich dann auch die Lieder, wenn ich eine neue Szene schreibe, weil ich zu jeder Szene ein anderes Lied habe, das ich dann hören muss. Meistens bekomme ich Inspiration, wenn eine Textzeile gut in die Szene passt. Dann kann ich super damit weiterschreiben.
An dieser Stelle noch einmal vielen Dank an Michelle Woitag dafür, dass sie sich diese Woche kurz vor dem Release Zeit für das Interview genommen hat. Es war ein lustiges und verrücktes Gespräch, das mir noch einmal neue Facetten von der Michelle gezeigt hat, die ich schon seit Jahren kenne. Aufgrund des aktuellen Papiermangels ist Michelles Debüt vorerst leider nur digital erhältlich. Ich warte übrigens schon seit drei Wochen auf die Lieferung von Druckerpapier. Gerade weil es ein Debüt ist, ist es mir besonders wichtig darauf hinzuweisen, dass ihr „Alles, was wir haben“ hier bestellen könnt: