Des Todes dunkler Bruder

Des Todes dunkler Bruder
6. April 2019 0 Von lara

Dexters dunkle Träume

Meine April-Rezension 2019

Die US-amerikanische Krimiserie „Dexter“ war eine der ersten Serien, bei der ich regelrecht Binge-Watching betrieben habe. Sie besteht aus insgesamt acht Staffeln und wurde von 2006-2013 produziert. Die Hauptrolle übernahm Michael C. Hall. Eher zufällig habe ich dann erfahren, dass die Serie auf einer Buchreihe bestehend aus acht Bänden, von denen fünf auf Deutsch erhältlich sind, von Jeff Lindsay basiert. Die Buchreihe ist inzwischen abgeschlossen, der erste Band „Des Todes dunkler Bruder“ erschien 2005 und ist der Debütroman des Autors.

Inhalt

Dexter Morgan wirkt auf den ersten Blick wie ein durchschnittlicher US-Amerikaner. Er arbeitet in Miami bei der Polizei als Blutanalytiker, hat eine Freundin und ein gutes Verhältnis zu seiner Schwester Deborah. Doch in Wahrheit ist Dexter ein Psychopath und Serienmörder. Von seinem inzwischen verstorbenen Adoptivvater Harry hat er gelernt seine Mordgelüste so weit wie möglich zu kontrollieren. Seine Mordopfer sind ausschließlich selbst mehrfache Mörder, Vergewaltiger oder Kinderschänder. Eines Tages geschieht in Miami eine außergewöhnliche Mordserie an Prostituierten, die Dexter, manchmal auch kurz Dex genannt, sofort fasziniert. Er weiß, dass es sich bei dem Täter um einen virtuosen Killer handelt. Während seine Kollegen den sogenannten „Kühllaster-Killer“ unbedingt verhaften wollen, fühlt sich Dexter auf eigenartige Weise zu ihm hingezogen.

Cover

Schon lange hatte ich nicht mehr so ein unscheinbares Cover in der Hand. Der Hintergrund ist völlig schwarz, die Schrift rot. Oben rechts und unten links befindet sich jeweils eine gespiegelte Hand in Schwarzweiß. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass dies die Geschichte von Dexter ist, wäre ich an diesem Buch definitiv vorbeigelaufen. Pure Langeweile!

Kritik

„Mond, herrlicher Mond.“, ist der erste Satz des ersten Kapitels. Der Mond ist ein Motiv, das öfters in diesem Buch vorkommt, vor allem im Zusammenhang mit Dexters Morden. Er ist das Symbol für das Auftauchen des „Dunklen Passagiers“, wie Dexter ihn nennt, seinem zweiten Gesicht, das ihn zum Töten anstachelt. Dexter erzählt seine Geschichte in der Ich-Perspektive und im Präteritum.

Als Protagonist aus dieser Perspektive liegt der Fokus klar auf ihm. Interessant ist, dass er sehr wenig über sein Äußeres verrät. Zwar stellt sich mit der Zeit heraus, dass er recht groß und muskulös ist, was ihm hilft, seine Opfer unter Kontrolle zu haben. Außerdem gibt er an, von seinem Adoptivvater Harry ein gepflegtes und ordentliches Aussehen vermittelt bekommen zu haben, um keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen. Zudem gibt er an, von anderen Menschen als gutaussehend bezeichnet worden zu sein, was er jedoch nicht recht nachvollziehen kann, da er nicht in solchen Kategorien denkt. Nähere Details wie genaues Alter, Augen- oder Haarfarbe werden dem Leser aber enthalten, denn auch für ihn soll Dexter so unscheinbar wie möglich bleiben. Ein Gesicht, das in einer Menschenmenge problemlos untergeht. Umso vielfältiger ist Dexters Charakter. Wie schon mit dem „Dunklen Passagier“ angeschnitten, scheint er unter einer Art dissoziativen Identitätsstörung zu leiden. Er selbst betrachtet sich als Marionette seiner abgespaltenen Persönlichkeit, die gelegentlich auftaucht und Besitz von ihm ergreift. In diesem Zustand könne er sich nicht mehr zurückhalten und müsste jemanden töten. Da er Harry jedoch versprochen hat, sich an den eigenhändig entwickelten Kodex zu halten, der unter anderem besagt, keine Unschuldigen zu töten, plant Dexter seine Morde präzise. Er betont wiederholt, dass er keine Gefühle habe und typisch menschliche Konventionen nicht nachvollziehen kann. Körperliche Beziehungen reizen ihn ebenfalls nicht. Um aber so unauffällig wie möglich zu sein, hält er eine Fassade aufrecht, die ihn als charmanten, humorvollen und freundlichen Mann zeigt. Damit repräsentiert er, bis zu einem gewissen Punkt, einen Psychopathen: empathielos, manipulativ und trickreich. Die einzigen Wesen, für die er eine oberflächliche Zuneigung empfindet, sind seine Schwester Deborah und Kinder. Er ist und bleibt ein Mörder, aber ein Kind zu töten könnte er nicht über sich bringen. Für mich ist Dexter Morgan einer der einzigartigsten und kontroversesten fiktiven Charaktere aller Zeiten.

Dass „Des Todes dunkler Bruder“ Lindsays Debütroman ist, merkt man ihm leider ab und zu an. Obwohl der Psychothriller mit exakt 350 Seiten, 27 Kapiteln und einem Epilog eine ganz moderate Länge hat, verlaufen manche Gedankengänge Dexters doch ins Leere oder haben so eigenartige Metaphern, das sie nicht sonderlich nachvollziehbar sind. Das Ganze wirkt noch etwas holprig und zu repetitiv, da hätte man ordentlich kürzen können. Vor allem das Wort „zwinkern“ taucht so penetrant häufig auf, dass es schon schmerzhaft ist. Egal ob aus Verwunderung, Trauer, Freude, Angst oder als Flirt: alle Figuren zwinkern, wobei nicht verständlich wird, ob damit wirklich Zwinkern oder Blinzeln gemeint ist. Ähnlich fragwürdig ist eine Szene, in der Dexter mit Deborah telefoniert und er im Dialog plötzlich den Kopf schüttelt. Weshalb sollte man in einem Telefonat den Kopf schütteln, wo es der Gesprächspartner doch gar nicht sehen kann? Vielleicht war es reiner Affekt, schriftstellerisch ungeschickt bleibt es trotz allem. Doch bevor ich hier zu harsch werde, möchte ich betonen, dass in vereinzelten Szenen das Potenzial Lindsays durch Dexters amüsante und sarkastische Erzählweise hervorblitzt und es deswegen gut möglich ist, dass sich sein Schreibstil in den folgenden Bänden noch verbessert.

Je weiter das Buch voranschreitet, umso mehr entfernt es sich vom Plot der Serie. Auf den letzten 100 Seiten sind es prinzipiell nur noch zwei unterschiedliche Geschichten auf derselben Basis. Dexter ist außerdem nicht so ein extremer Serienmörder, wie man es aus der Serie gewöhnt ist. Während er dort in fast jeder Folge jemanden tötet, beschränkt es sich im Buch, das sich inhaltlich grob mit der ersten Staffel vergleichen lässt, auf etwa ein Viertel der Todesopfer. Wer das also Buch liest, weil Dexter im Klappentext als blutrünstiger Killer vermarktet wird, wird hier eher enttäuscht werden, da der Fokus nicht darauf liegt.
Das Ende ist dann wieder verhältnismäßig nah an der Serie, bis auf einen Charaktertod, der sogar mich schockieren konnte. Auch beim zweiten Erleben hat mich das Finale nicht kalt gelassen und manch andere Makel des Psychothrillers ein wenig ausbügeln können.

Fazit

„Des Todes dunkler Bruder“ ist ein Psychothriller mit dem wohl faszinierendsten Protagonisten aller Zeiten. Der Plot ist gut durchdacht und das Ende setzt dem ganzen die Krone auf. Leider hapert es noch arg bei Jeff Lindsays Schreibstil, Dexters innere Monologe sind repetitiv und auf Dauer ermüdend. Deswegen kann ich hierfür maximal drei von fünf Federn vergeben. Da ich in einem Literatur-Podcast gehört habe, dass der Folgeband „Dunkler Dämon“ noch stärker von der Serie abweichen soll, interessiert mich die Fortsetzung ganz besonders, weshalb ich diese auch als nächstes lesen werde.